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10
08
2014

IOC-Agenda 2020 - Anmerkungen zum Reformprozess des IOC und zu den Kosten von Olympischen Spielen - Heiner Brandi in SPORT in BERLIN ©Horst Milde

IOC-Agenda 2020 – Anmerkungen zum Reformprozess des IOC und zu den Kosten von Olympischen Spielen – Heiner Brandi in SPORT in BERLIN

By GRR 0


Das Internationale Olympische Komitee (IOC) ist hinsichtlich des Vergabeverfahrens sowie seiner Anforderungen und Erwartungen an die Ausrichtung von Spielen zumindest in West-Europa zunehmend in die Kritik geraten.

Beklagt werden der wachsende Gigantismus, mangelnde soziale Verträglichkeit und Nachhaltigkeit sowie die ausufernden Kosten von Olympia. Das IOC ist nicht blind und taub gegenüber Einwänden. Es hat sich der Kritik gestellt und mit der Agenda 2020 einen umfangreichen Reformprozess eingeleitet.

In den gegenwärtigen Debatten um eine mögliche deutsche Olympiabewerbung von Berlin oder Hamburg lohnt ein Blick auf die Eckpunkte der Reformagenda sowie auf die Einnahme- und Ausgabestruktur von Olympischen Spielen, um sich ein fundiertes Urteil bilden zu können.

Denn bei aller berechtigten Kritik am Erscheinungsbild des IOC muss auch festgestellt werden, dass längst nicht alle umstrittenen Entwicklungen der letzten Jahre und die explodierenden Kosten dem IOC angelastet werden dürfen, sondern oftmals den Ansprüchen und den „nice-to-have-wishes“, also den besonderen Wünschen und Interessen der Stadtplanung in den Ausrichterstädten geschuldet sind.

Zunächst aber zur Reformagenda des IOC und dann zur Kostenstruktur von Olympischen Spielen.

Der IOC-Präsident Thomas Bach hat in jüngster Zeit wiederholt dazu aufgefordert, die Philosophie der Spiele zu ändern. Olympia müsse weg vom Gigantismus und solle sich vielmehr dem sozialen Gefüge des Gastgeberlandes anpassen. Olympia müsse flexibler werden im Hinblick auf die jeweils gegebenen gesellschaftlichen Verhältnisse im Ausrichterland.

Ziel der Olympischen Agenda 2020 des IOC ist insbesondere eine Anpassung der Regelungen zur Vergabe und Ausrichtung von Olympischen Spielen und Paralympischen Spielen an veränderte und unterschiedliche gesellschaftliche Rahmenbedingungen, Erwartungshaltungen und Voraussetzungen auf den fünf Kontinenten, die von den Olympischen Ringen symbolisiert werden.

Es soll eine „Strategische Leitlinie“ (Roadmap) für die Zukunft der weltweiten Olympischen Bewegung entstehen, die von 14 thematischen Arbeitsgruppen erarbeitet wird.
In den Arbeitsgruppen wirken Vertreter des IOC, der Internationalen Fachverbände, aus anderen internationalen Organisationen, Nicht-Regierungsorganisationen, aus Wirtschaft, Medien und Kultur sowie aus Nationalen Olympischen Komitees mit.

Insgesamt 150 Personen sind an den Arbeitsgruppen beteiligt, darunter auch sieben Deutsche. In einem mehrstufigen Verfahren sollen die Ergebnisse in einer außerordentlichen IOC-Versammlung am 8. und 9. Dezember 2014 verabschiedet werden.

Zu den bearbeiteten Themen gehören u. a. das Bewerbungsverfahren. Hier wird diskutiert, wie es für interessierte Bewerberstädte einfacher und preiswerter gestaltet und wie der soziale und wirtschaftliche Wert einer Bewerbung besser herausgestellt werden kann. Weiterhin soll die ökologische, wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit in den Fokus genommen werden.

Dabei geht es insbesondere um die sinnvolle Nachnutzung der sportlichen Infrastruktur und die Wirtschaftlichkeit der Spiele. Auch die Rolle des IOC hinsichtlich Einheit in Vielfalt steht zur Debatte sowie Struktur und Organisation.

Schließlich geht es auch um eine bessere Kommunikation und Verdeutlichung des „Olympic Games business model“, also um das Wirtschaftsmodell und die Unterscheidung zwischen den operativen Kosten für Durchführung und Organisation einerseits gegenüber den Investitionen in die Infrastruktur der Ausrichterstadt andererseits und dabei auch um den beträchtlichen finanziellen Beitrag des IOC für die Stadt und deren Organisationskomitee.
Auf die Ergebnisse der Olympischen Agenda 2020 darf man gespannt sein.

Also warten wir es  ab, bevor vorschnelle Schlüsse gezogen und Meinungen  gebildet werden.

Vergleichbares gilt für das Thema der Kosten. Niemand kann – außer Phantasiezahlen – zum gegenwärtigen Zeitpunkt belastbare Daten vorlegen, weil im Stadium der Interessenbekundung überhaupt noch keine abschließenden Rahmenbedingungen und Konzepte gefragt sind, aus denen sich die Kosten ableiten ließen.

Gleichwohl lassen sich Eckpunkte der Einnahme- und Ausgabenstruktur von Olympischen Spielen benennen und z. B. in Vergleich setzen mit den Sommerspielen in London 2012*.
In einer groben Unterteilung sind drei Kostengruppen zu unterscheiden:

Die Bewerbungskosten, die operativen Organisations- und Durchführungskosten, die Investitionen in die Infrastruktur einer Stadt.

Die Bewerbungskosten stehen in Anhängigkeit zu den Anforderungen des IOC. Es ist an anderer Stelle bereits erwähnt worden, dass hier Veränderungen und Vereinfachungen zu erwarten sind, die zu Kosteneinsparungen führen werden. Deshalb ist jede genannte Zahl gegenwärtig an dieser Stelle reine Spekulation.

London hat für die Bewerbung übrigens 36,3 Mio. Euro aufgewendet, die von der Stadt und nationalen Sponsoren getragen worden sind. Die in der Öffentlichkeit gehandelten 50 – 60 Mio. Euro für eine Berliner Bewerbung sind unter den genannten Voraussetzungen nicht nachvollziehbar.

Die zweite Kategorie lässt sich mit den Organisations- und Durchführungskosten zusammenfassen. Diese tragen sich in der Regel durch die Einnahmen selbst.
Es gerät oftmals in Vergessenheit, dass mit Olympischen Spielen für den Ausrichter nicht nur Kosten, sondern auch Einnahmen aus den Vermarktungserlösen des IOC verbunden sind.

London hat z. B. aus dem weltweiten IOC-Sponsoring, aus den Medienrechten und Medienverkäufen des IOC sowie den Ticketverkäufen etc. insgesamt rund 2,4 Milliarden Euro eingenommen und damit in der Organisation und Durchführung der Spiele mindestens eine schwarze Null erzielt, wie andere Ausrichterstädte zuvor auch.

Warum sollte das in Berlin nicht gelingen.

Es bleiben die Investitionen in die Infrastruktur. Dabei sind sportbezogene Kosten für Wettkampf- und Trainingsstätten von Ausgaben für die allgemeine Stadtentwicklung strikt zu unterscheiden. Auch wenn wir Berliner oft mit kritischem Blick auf die eigene Stadt schauen, wir haben in beiden Bereichen einiges zu bieten, was sich im weltweiten Maßstab sehen lassen kann und nicht neu gebaut werden muss.

Das gilt für zahlreiche Sportanlagen.

Es gilt aber auch für die allgemeine Infrastruktur, von einer reichen Kulturlandschaft über einen funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr, Hotels und Gastronomie bis hin zu einem neuen Flughafen. Ja, ich weiß, der Flughafen ist gerade im Hinblick auf die Olympia-Debatte ein ganz besonderes Reizwort.

Wenn der BER aber zum Zeitpunkt einer möglichen internationalen Entscheidung über Berlin immer noch nicht am Netz sein sollte, dann haben wir Olympia tatsächlich nicht verdient.

Über die Kosten für die Infrastruktur kann erst dann seriös gesprochen werden, wenn wirklich bekannt ist, was vorhanden ist und was gebraucht wird. Es kann aber festgehalten werden, dass die Investitionen in diesem Bereich umso geringer ausfallen, je mehr an benötigter Infrastruktur bereits vorhanden oder in der Stadtentwicklungsplanung für die nächsten Jahre ohnehin vorgesehen ist.

In dem Zusammenhang darf ein wichtiger Aspekt nicht aus den Augen verloren werden. Im Augenblick hat Berlin Interesse an der Ausrichtung von Olympischen Spielen bekundet. Die Entscheidung, ob es eine Bewerbung und ggf. mit welcher Stadt und zu welchem Zeitpunkt gibt, trifft der Deutsche Olympische Sportbund mit den dafür zuständigen Gremien.

Sollte es eine Entscheidung für eine Bewerbung mit Berlin geben, dann ist es eine deutsche Bewerbung, in der Berlin stellvertretend für das ganze Land und eine nationale Aufgabe steht. Es wäre eine wechselseitige Verantwortung von Bund und Stadt Berlin, die gemeinsam und im Wettbewerb mit anderen Städten in der Welt wahrgenommen werden müsste.

Neuesten Umfragen zufolge traut eine große Mehrheit der Deutschen der Bundeshauptstadt eine erfolgreiche Bewerbung zu. Die Berlinerinnen und Berliner sollten sich in diesem Fall ihrer Verantwortung bewusst sein.    

 

Heiner Brandi in SPORT in BERLIN

*Vgl. Preuß, H., Alfs. Ch.: Benchmarking Olympische Spiele London 2012, unveröffentlichtes Manuskript, Universität Mainz, Juni 2014 (Das Manuskript kann beim LSB Berlin abgefordert werden.)

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author: GRR

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