Blog
03
05
2013

Fachsimpeln am Rande der Halbmarathonmeisterschaften in Refrath mit v.l. der Leitende Bundestrainer Lauf Wolfgang Heinig, DLV-Assistenztrainerin Katrin Dörre-Heinig, DLV-Nachwuchstrainer Pierre Ayadi, Ex-Bundestrainer Marathon Lothar Pöhlitz, ©wus-media - Wilfried Raatz

Interview mit Katrin Dörre-Heinig: Die Laufsaison 2013 läuft auf Hochtouren. Paderborner Osterlauf, Berliner Halbmarathon, Marathon-Großereignisse in Freiburg, Hamburg, Düsseldorf… Noch dazu die deutschen Halbmarathon-Meisterschaften in Refrath.

By GRR 0

Für Wilfried Raatz ein guter Anlass, mit der seit November 2012 für den Marathonlauf mit verantwortlichen früheren Weltklasse-Marathonläuferin Katrin Dörre-Heinig als Trainerin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) zu sprechen.

Bevor wir uns über die Situation im deutschen Langstreckenlauf oder präziser formuliert im deutschen Straßen- und Marathonlauf unterhalten, sollten Sie uns Ihre derzeitige Trainer-Position im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) verdeutlichen.

Katrin Dörre-Heinig:

Ich bin derzeit Assistenztrainerin Langstrecke/ Marathon für die Bereiche Männer, Frauen und U 23 männlich und weiblich und soll ab Herbst diese Bereiche als Bundestrainer eigenständig übernehmen. Mir persönlich wäre es lieber, ich könnte mich auf Marathon und im weiteren Sinne auf den Straßenbereich konzentrieren und mein Mann Wolfgang Heinig wäre neben der Position als Leitender Bundestrainer Laufen auch weiterhin für den Langstreckenbereich verantwortlich. Derzeit sind 90 % der Kaderathleten auf Marathon fixiert, deshalb ist alleine schon dieser Arbeitsbereich sehr umfangreich. Und dies, obgleich wir auf dem Papier kaum Marathonläufer haben….

Blicken wir zunächst noch einmal zurück auf die Deutschen Halbmarathonmeisterschaften in Refrath. Welchen Eindruck konnten Sie gewinnen?

Katrin Dörre-Heinig:

Einen erschreckenden. Bei den Männern waren Philipp Pflieger und Jonas Koller die einzigen Lichtblicke. Jan Fitschen wurde in den Medien hochgejubelt, seine Zeit entspricht allenfalls 2:12 über Marathon. Derzeit sind wir einfach weit weg von der Spitze. Ich spreche nicht von der Weltspitze, sondern von der europäischen Spitze. Für eine Deutsche Meisterschaft wäre vielleicht eine „kleine" 62er Zeit angemessen. Und dahinter? Unsere Vier- und Fünfundzwanzigjährigen müssen jetzt in die Spitze vorstoßen, laufen aber derzeit 68er Zeiten. Das sind im Prinzip gute Frauenzeiten! Es ist falsch, hier alles schön reden zu wollen!

Zu den Frauen: Eleni Gebrehiwot hat schon viele Trainingsjahre hinter sich, deshalb hätte sie in Refrath schneller laufen müssen. Alles andere ist „Hausfrauensport"! Unser Nachwuchs hat sich ganz schwach präsentiert. Natürlich haben einige wie Sabrina Mockenhaupt, Lisa Hahner oder Katharina Heinig wegen ihrer Marathonvorbereitung gefehlt. Nach den Trainingslagern in Chiglana und Iten habe ich noch geglaubt, dass es hier richtig nach vorne gehen würde.

Es fällt auf, dass bei den Halbmarathonmeisterschaften unsere Spitzenläufer nur zum Teil gestartet sind. Wollte man sich aus dem Weg gehen oder war der Termin eigentlich nur ungünstig platziert?

Katrin Dörre-Heinig:

Die DM liegt zu den Marathonläufen in Hamburg und Düsseldorf zu spät. Wir sind uns früher nicht aus dem Weg gegangen, allerdings war der Termin auch deutlich früher, nämlich bereits im März. Ich verstehe es nicht, weshalb die Halbmarathonmeisterschaften nicht in einen großen Lauf wie in Paderborn oder in Berlin integriert werden. Bei allem Verständnis für die Belange der Sponsoren muss hier der DLV bereit sein, Kompromisse einzugehen.

Angesichts Ihrer Kritik fällt es schwer zu glauben, dass wir genügend läuferische Substanz für einen guten Marathonkader haben, der in Richtung Europameisterschaften 2014 und/oder Olympische Spiele 2016 orientiert ist.

Katrin Dörre-Heinig:

Der Muskelfaserriss von André Pollmächer ist natürlich eine Hiobsbotschaft. Die WM in Moskau wäre für ihn ehedem kaum ein Thema gewesen. Vitaly Rybak und Marcin Blazinski warten auf die deutsche Staatsbürgerschaft und werden künftig auch von Wolfgang trainiert. Sören Kah ist nach seiner Operation noch nicht so weit und wird wie Jan Fitschen einen Herbstmarathon laufen. Sonst sehe ich niemand. Philipp Pflieger und Jonas Koller sollten zunächst noch auf der 10.000 m-Strecke bleiben, haben aber bereits signalisiert, dass der Marathon-Teamwettbewerb der EM 2014 in Zürich schon ein Thema sein könnten. 

Wenn wir die aktuelle Männerspitze anschauen, dann muss man sich unweigerlich die Frage stellen: Weshalb kommen die deutschen Marathonläufer auf keinen „grünen Zweig"?

Katrin Dörre-Heinig:

Die Verletzungshäufigkeit ist auffällig. Vielleicht sind Frauen etwas belastbarer. Wir haben in den Trainingslagern feststellen müssen, dass viele erhebliche Defizite haben. Wir haben bestimmt eine gute Nachwuchsarbeit, doch es geht aber danach nicht mehr weiter! Wir müssen schauen, dass Ausbildung und Leistungssport in Einklang gebracht werden können. Gute Beispiele sind Ulrike Maisch oder Gesa-Felicitas Krause, bei denen es funktioniert hat. Andere haben alles wieder eingerissen, was sie einmal aufgebaut wurde. Ich denke schon, dass unter unseren gesellschaftlichen Bedingungen 2:09 oder 2:10 bei den Männern bzw. 2:24 bei den Frauen möglich sind. 

Wenn wir Ihre Äußerungen richtig deuten, dann ist alles in Richtung EM Zürich 2014 orientiert?

Katrin Dörre-Heinig:

Wir werden ab Herbst eine zielgerichtete Vorbereitung mit Höhenketten beginnen. Der Kreis wird 10 bis 12 Athletinnen und Athleten umfassen. Dazu zählen dann auch André Pollmächer, Sören Kah, Vitaly Rybak und Marcin Blazinski, aber vielleicht auch junge Leute wie Manuel Stöckert….

Lassen sich diese aufwändige Maßnahmen auch finanzieren?

Katrin Dörre-Heinig:

Für die drei Höhenketten ist eine Vollfinanzierung vorgesehen. Andere können natürlich diese Maßnahmen mitmachen, müssen diese aber selbst finanzieren. Wir haben eine Konzeption, die reicht bis Rio 2016. Der DLV steht hinter dieser Konzeption.  

Sie gehen offensichtlich mit reichlich Optimismus und Zuversicht an die Arbeit. Welche Vorstellungen konnten Sie als flankierende Maßnahmen bereits nach den ersten Monaten Ihrer Tätigkeit umsetzen?

Katrin Dörre-Heinig:

Wir haben als einen wesentlichen Bestandteil unserer Planung den Start bei der Ekidenstaffel in Chiba im November vorgesehen. Ich möchte dabei das stärkste Frauenteam an den Start bringen, gegebenenfalls bekommt eine starke Nachwuchsläuferin auch eine Chance.

Mit dem GRR-Nachwuchs-Cup wird gerade ein weiterer, wichtiger Ansatz umgesetzt, um junge Leute für den Straßenlauf zu gewinnen. Doch das muss sich allerdings erst noch im Athleten- und Trainerkreis herumsprechen…. 

 

Interview: Wilfried Raatz in "Leichtathletik 18/2013"

 

 

 

 

 

 

 

 

 

author: GRR

Comment
0

Leave a reply