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22
11
2011

Klaus Böger - Innovativ ist, wer sich öffnet" - Klaus Böger, LSB Berlin, über kreative Sportvereine - Gespräch mit Friedhard Teuffel vom Tagesspiegel ©privat

Innovativ ist, wer sich öffnet“ – Klaus Böger, LSB Berlin, über kreative Sportvereine – Gespräch mit Friedhard Teuffel vom Tagesspiegel

By GRR 0

Klaus Böger, Präsident des Landessportbunds Berlin, über kreative Sportvereine, die Pflege des Ehrenamts und Übungsleiter aus Migrantenfamilien

 

Herr Böger, warum müssen Vereine überhaupt innovativ sein? Sogar aus Japan kommen Delegationen nach Deutschland, um sich das Vereinsmodell abzuschauen.

Tja, wenn man den Sportverein nicht hätte, müsste man ihn erfinden. Gleichwohl gilt: In einer sich dramatisch verändernden Gesellschaft müssen sich auch Vereine neuen Herausforderungen stellen. Stichworte sind hier demografische Entwicklung, Ganztagsschule, Integration, kommerzielle Fitnessklubs. Auch ein gutes Modell wird sonst Schwierigkeiten bekommen.

Was ist denn für Sie ein innovativer Verein?

Ein Verein, der über bislang vorhandene Grenzen hinausgeht.

Also etwa Kontakt zu Schulen sucht, Netzwerke in Wohnbezirken bildet oder sich an besonders Benachteiligten orientiert. Oder zum Beispiel probiert, türkische Mädchen zum Sport zu bringen. Wer sich dafür öffnet, ist innovativ. Das ist vor allem deshalb eine große Aufgabe, weil vieles ehrenamtlich geleistet werden muss.

Also muss schon die Motivation von Ehrenamtlichen innovativ sein.

Genau. Insbesondere für jüngere Menschen ist Beruf, Familie und Verein schwer zu vereinbaren. Wir müssen daher alle das Ehrenamt wertschätzen, Sport, Politik, Wirtschaft. Da gibt es zum Beispiel die Ehrenamtskarte oder jedes Jahr für die Ehrenamtlichen im Sport einen Empfang beim Regierenden Bürgermeister. Und man bekommt natürlich auch etwas zurück. Denn das Ehrenamt kann Zufriedenheit und Glücksgefühl schaffen.

Und was kann der Landessportbund für das Ehrenamt tun?

Wir sind ja selbst ehrenamtlich tätig. Wir wollen die Rahmenbedingungen für die Vereine verbessern und eine Kultur der Anerkennung fördern. Wir initiieren Wettbewerbe mit attraktiven Preisen und würdigen nach strengen Kriterien Menschen, indem wir Ehrennadeln und Plaketten verleihen.

Empfinden Menschen solche Ehrennadeln denn noch als Belohnung?

Ja, das glaube ich, auch wenn das manchmal belächelt wird. Es ist unheimlich wichtig.

Gibt es andere Organisationen, von denen Sie sich etwas fürs Ehrenamt abschauen können?

Lernen kann man immer. Schauen Sie sich einfach den Verein Berliner Kaufleute und Industrieller an, der eine großartige Lesepaten-Initiative ins Leben gerufen hat.

Lesepaten bekommen als Anerkennung manchmal Eintrittskarten fürs Theater oder für ein Spiel von Hertha BSC oder auch eine Fortbildungsmaßnahme.

Diese Idee kann man aufgreifen. Ich bin sicher, dass wir damit bei den großen Profivereinen offene Türen einrennen. Aber wir haben auch schon einiges entwickelt.

Wovon hängt es eigentlich ab, ob ein Verein innovativ ist? Von einer bestimmten Vereinsstruktur?

Wir haben ja die Preise gestaffelt in drei Kategorien, für Vereine bis 200, bis 1000 und mit mehr als 1000 Mitgliedern. Und man kann sehen, dass es in allen Kategorien agile Vereine gibt. Ob ein Verein agil ist, hängt immer von einzelnen Personen ab, die ihre Augen offen haben und sich engagieren.

Wie fördert der Landessportbund die Kreativität der Vereine?

Wir unterstützen die Vereine durch Fortbildung und versuchen, sie von Bürokratie zu entlasten, indem wir zum Beispiel bei der Ausbildung von Personal helfen.

Hat Sie denn von den eingereichten Ideen beim diesjährigen Innovationspreis eine besonders beeindruckt?

Das ist sehr schwer zu sagen. Jeder preisgekrönte Beitrag für sich ist ein Gewinn für den Sport. Ich möchte da keinen hervorheben, sonst würde ich andere zurückstellen und das möchte ich nicht. Die Vereine haben alle in ihren Bereichen Wichtiges getan, vor allem haben sie es nachhaltig getan. Ihre Projekte sind nicht gleich wieder vorbei.

Gibt es einen Bereich, in dem noch besonders viel Ideenreichtum gefragt ist?

Nach wie vor bleibt die soziale Integration eine große Herausforderung. Uns als Landessportbund muss es daher gelingen, mehr Menschen aus Migrantenfamilien als Übungsleiter zu gewinnen. Denn das sind die Träger. 100 Übungsleiter aus diesem Bereich zu gewinnen, das wäre ein tolles Ziel. Wir denken auch darüber nach, wie man Unterstützungssysteme bauen kann.

Was meinen Sie mit Unterstützungssystemen?

Dass man beispielsweise Vereine noch stärker bezuschusst, die solche Übungsleiter aus Migrantenfamilien gewinnen und beschäftigen.

Gibt es eine Erfindung, die Sie noch vermissen?

(lacht) Der Präsident ist nicht der oberste Weise, er lässt sich auch gerne überraschen. Und wenn ich etwas vermissen würde, hätte ich es vielleicht schon initiiert.

Der Innovationspreis des Berliner Sports für Vereine war zunächst auf drei Jahre angelegt, jetzt sind diese drei Jahre vorbei. Wie wird es mit diesem Wettbewerb weitergehen?

Wir haben ja mehrere Preise: einen Innovationspreis, einen Integrationspreis und einen für Umwelt. Wir überlegen jetzt die vielfältigen Preise unter ein einheitliches Label zu stellen, damit er noch attraktiver wird.

 

Das Gespräch führte Friedhard Teuffel. Der Tagesspiegel, Sonnabend, dem 5. November 2011

 

Klaus Böger, 66, wurde 2009 zum Präsidenten des Landessportbunds Berlin gewählt. Von 1999 bis 2006 war der SPD-Politiker in Berlin Senator für Bildung, Jugend und Sport.

author: GRR

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