Dr. Dr. med. Lutz Aderhold - Immunsystem und Sport ©privat
Immunsystem und Sport – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Die vielfältigen positiven Wirkungen einer moderaten sportlichen Aktivität sind bekannt (Aderhold u. Weigelt 2012). Ob man eine der neuen Trendsportarten auswählt oder lieber die typischen Ausdauersportarten – wie z.B. Laufen und Radfahren – betreibt, Sport sollte Spaß machen.
Dazu gehört es auch, dass man nicht übertreibt. Gerade Breitensportler, die nicht die umfassende Betreuung wie Spitzensportler genießen, sind oft vom Ehrgeiz nach neuen persönlichen Bestleistungen getrieben. Zu intensives und häufiges Training kann zur Überforderung und zur Schwächung des Immunsystems führen.
Durch mehrmalige sportliche Aktivität in der Woche werden die Abwehrzellen aktiviert und damit Infekten vorgebeugt. Die Fresszellen werden schneller und die Anzahl der Killerzellen steigt. So soll moderat betriebener Sport auch den Schutz vor Krebs verbessern.
Bei körperlichen Belastungen von weniger als 1,5 – 2 Stunden kommt es zu einer Sofortreaktion mit Mobilisierung aller Immunzellen. Die belastungsbedingte Schädigung der Skelettmuskulatur stellt eine wesentliche Einflussgröße für die Mobilisierung der Immunzellen dar (Neubauer et al. 2013 u. 2014). Nach Belastungsende fällt die Konzentration der im Blut zirkulierenden Immunzellen wieder ab und erreicht nach 48h wieder den Ruhezustand. Nach mehrstündigen Belastungen liegt die Konzentration der natürlichen Killerzellen niedriger als vor Belastungsbeginn. Es kommt auch zu einer Verminderung der Aktivität der Immunbotenstoffe (Zytokine) und zur Abnahme der Immunglobulinproduktion.
Dieses Phänomen, der in der Nachbelastungsphase verminderten Zellkonzentrationen und auch Aktivität, wird als „open window“ bezeichnet. Darunter versteht man eine für die Entstehung von Infektionen, insbesondere der oberen Luftwege, begünstigende Zeit von mehreren Stunden nach Belastungsende (Pedersen et al. 1999; König et al. 2000; Nieman 2000; Scharhag 2004). Die Phase der erhöhten Infektanfälligkeit kann bis 3 Tage nach der Belastung anhalten.
Begünstigend auf die Infektanfälligkeit wirken:
– die vermehrte broncho-pulmonale Keimbelastung durch das erhöhte Atemvolumen,
– eine erhöhte Permeabilität der Schleimhäute infolge verstärkter Durchblutung sowie
– die verminderte Produktion von Bakterien neutralisierenden Substanzen.
Hinzu kommt die bessere Vermehrung von Bakterien unter Hitzebedingungen und die erleichterte Ansteckung bei Benutzung gleicher hygienischer Einrichtungen wie Umkleiden und Duschen. Ab einem Trainingsumfang von 80 km in der Woche muss man von einer erhöhten Anfälligkeit für Erkältungskrankheiten ausgehen.
Die erhöhte Infektanfälligkeit von Leistungssportlern ist, nach den Verletzungen des Bewegungsapparates, die zweithäufigste Ursache für Trainings- und Wettkampfausfälle (Weineck 2010). Zu berücksichtigen sind natürlich auch die Belastungen von Beruf und privatem Umfeld.
Zur Vorbeugung sollten Sie nach Training und Wettkampf:
– möglichst rasch trockene Kleidung anziehen oder wenn möglich gleich unter die warme Dusche gehen,
– das Trink- und Essverhalten der Belastung anpassen und
– fest eingeplante Regenerationsphasen einhalten.
Gerade nach einem Marathon oder Ultralauf muss man dem Körper eine Auszeit gönnen. Wenn man dann doch krank wird, gilt das Prinzip: Erst auskurieren und dann wieder trainieren.
Bei gleicher Belastungsdauer steigt die Kortisolausschüttung mit der Belastungsintensität. Bei gleichbleibender Intensität ist ein Anstieg mit der Belastungsdauer nachweisbar. Bei ultralangen Belastungen können die Kortisolwerte auf mehr als das Zehnfache ansteigen (Weineck 2010). Außerdem kommt es zu entzündlichen Veränderungen in der Skelettmuskulatur (Marklund et al. 2013).
Immunabwehr bei Marathon- und Ultraläufern
Intensive Intervalltrainingseinheiten, Tempodauerläufe und ultralange Ausdauerbelastungen vermindern die bakterienabtötende Funktion von Immunzellen und reduzieren die antooxidative Kapazität (Turner et al. 2011). Durch intensive Laufeinheiten und Bergabläufe wird die Muskulatur stark belastet und dem Immunsystem Regulationsfähigkeit entzogen. Durch besonders anstrengende Belastungen wie Marathon- und Ultraläufe steigt das Risiko, in den Wochen danach an Infekten, insbesondere der oberen Luftwege zu erkranken.
Ein zu häufiges Training im anaeroben Bereich kann zu einer Überlastung mit der Folge eines Übertrainingssyndroms führen. Das Missverhältnis zwischen aktueller Belastung und Belastungsfähigkeit führt zu einer Überlastung der Infektabwehr.
Nutzbare Messgrößen des Immunsystems, die eine Aussage über die Belastungsverträglichkeit geben, gibt es bisher nicht. Da es kein objektives Maß für die aktuelle Belastbarkeit gibt, ist die subjektive Einschätzung von Athlet, Trainer und Arzt von entscheidender Bedeutung für den Umfang und die Intensität des Trainings.
Infektionsrisiko
Negative immunologische Effekte können durch eine ausreichende Regenerationsphase wieder ausgeglichen werden. Bei einem Übertrainingssyndrom kann die Erholung im mehrwöchigen Bereich liegen. Körperlich inaktive Menschen haben ein mittleres Infektionsrisiko. Sportler mit einem nicht überlastenden Training haben ein geringeres Erkrankungsrisiko und übertrainierte Sportler bzw. solche, die einmalig überfordernde Belastungen eingehen, besitzen das höchste Risiko, an Infekten zu erkranken.
Bahnen sich Infekte an, sind Belastungsreduzierung oder auch eine Trainingspause wirksame Mittel, der Erkrankung entgegen zu wirken. Der Kontakt mit erkrankten Personen sollte vermieden werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein schneller Ausgleich mit Kohlenhydraten und Proteinen nach lang anhaltenden Belastungen, die Funktion des Immunsystems günstig beeinflusst.
Durch die Aufnahme von kohlenhydrathaltigen Getränken während der Belastung kommt es zu einer verminderten Kortisolausschüttung (Stressreaktion), geringerem Leukozytenanstieg und auch geringerer Beeinträchtigung der Neutrophilenfunktion (Nieman 1998; Davison u. Gleeson 2005). Auch eine Vitamin-C-Supplementierung vermindert den Anstieg von Kortisol, Adrenalin und entzündlichen Polypeptiden (Peters et al. 2001).
Chronischer Stress mindert die Schlagkraft unseres Immunsystems. Eine ausgewogene Ernährung, regenerative Maßnahmen, ausreichend Schlaf und Entspannung stärken die Abwehr.
Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Literatur:
Aderhold L, Weigelt S. Laufen! … durchstarten und dabeibleiben – vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. Stuttgart: Schattauer 2012.
Davison G, Gleeson M. Infuence of acute vitamin C and) or carbohydrate ingestion on hormonal, cytokine, and immune response to prolonged exercise. Int J Sport Nutr Exerc Metab 2005; 15: 465-79.
König D, Grathwohl D, Deibert P, Weinstock C, Northoff H, Berg A. Sport und Infekte der oberen Atemwege – Epidemiologie, Immunologie und Einflussfaktoren. Dtsch Z Sportmed 2000; 51: 244-50.
Marklund P, Mattsson CM, Wahlin-Larsson B, Ponsot E, Lindvall B, Lindvall L, Ekblom B, Fadi F. Extenive inflammatory cell infiltration in human skeletal muscle in response to an ultraendurance exercise bout in experienced athletes. J Appl Physiol 2013; 114: 66-72.
Neubauer O, Sabapathy S, Lazarus R, Jowett JBM, Desbrow B, Peake JM, Cameron-smith D, Haseler LJ, Wagner KH, Bulmer AC. Transcriptome analysis of neutrophils after endurance exercise reveals novel signaling mechanism in the immune response to physiological stress. J Appl Physiol 2013; 114: 1677-88.
Neubauer O, Sabapathy S, Asthon KJ, Desbrow B, Peake JM, Lazarus R, Wessner B, Cameron-Smith D, Wagner KH, Hasler LK, Bulmer AC. Time course-dependent Changes in the transcriptome of human skeletal muscle during recovery from endurance exercise: from inflammation to adaptive emoddeling. J Appl Physiol 2014; 116: 274-87.
Nieman DC. Influence of carbohydrate on the immune response to intensive, prolonged exercice. Exerc Immunol Rev 1998; 4: 64-76
Nieman DC. Sportimmunologie: Aktuelle Perspektiven für den Sportler. Dtsch Z Sportmed 2000; 51: 291-6.
Pedersen BK, Brusgaard H, Jensen M, Toft AD, Hansen H, Ostrowski K. Exercise and the Immune System – Influence of Nutrition and Aging. J Sci Med Sports 1999; 2: 234-52.
Peters EM, Anderson R, Nieman DC, Fickl H, Jogessar V. Vitamin C supplementation attenuates the increases in circulating cortisol, adrenaline and anti-inflammatory polypeptides following ultramarathon running. Int J Sports Med 2001; 22: 537-43.
Scharhag J. Die Belastungsleukozytose. Dtsch Z Sportmed 2004; 55: 57-8.
Turner JE, Hodges NJ, Bosch JA, Aldred S. Prolonged depletion of antooxidant capacity after ultraendurance exercise. Med. Sci Sports Exerc 2011; 1770-6.
Weineck J. Sportbiologie. Balingen: Spitta 2010.
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