Blog
11
09
2011

Im Vier-Minuten-Schnitt auf Sightseeingtour durch Basel ©wus-media - Wilfried Raatz

Im Vier-Minuten-Schnitt auf Sightseeingtour durch Basel – Wilfried Raatz berichtet

By GRR 0

„Das Tempo war am Anfang schon sehr langsam, aber ich wollte einfach zunächst einmal mitlaufen. Nach 25 Kilometern habe ich dann das Tempo etwas erhöht und war sogleich alleine!“ So liest sich in zwei Sätzen die Renntaktik von Heiner Plattmann, der in überlegener Manier am Sonntagmorgen den 2. Basel-Marathon nach 2:48:55 Stunden gewinnen konnte.

Und dabei vollends auf seine Kosten kam: „Ich kannte die Stadt bislang noch nicht. Auf diese angenehme Weise habe ich nun die Stadt kennengelernt!“ Dem Chef des Winterthurer Sportladens „Stop ’n go“ genügte ein Vierer-Schnitt pro Kilometer, um die Stadt an der deutsch-schweizerischen Landesgrenze kennen zu lernen. Ein „Heimspiel“ hingegen hatte die Frauenerste Ingrid Mutter-Wilhelm, die aus dem grenznahen Weil stammt und für den LC Marathon Rheinfelden läuft. Die 40jährige Köchin gestaltete ihren arbeitsfreien Tag zu einer schweißtreibenden Sportaktivität – und gewann bei ihren achten Marathonstart in 3:16:38 Stunden.     

Sonntags um 8.30 Uhr schläft in der Regel jede Stadt.
Allenfalls, wenn sich eine sportliche Großveranstaltung ankündigt, sieht man an entlang der Strecke an manchen Ecken und Plätzen hektische Betriebsamkeit. Das mag vielleicht auch für viele (vor allem deutsche) „Marathon-Hochburgen“ gelten, Basel im Drei-Länder-Eck zwischen Schweiz, Deutschland und Frankreich ist da etwas anders. Unter dem Titel „Manor Run to the Beat Basel“ tritt eine Laufveranstaltung am Sonntagmorgen an, die in völliger Unaufgeregtheit ein umfangreiches Laufprogramm in einem weiten Zeitfenster startet. An manchen Positionen weht ein Flatterband im lauen Wind, steht ein Absperrgitter mit einem rotweißen „Durchfahrt verboten“-Schild auf der Straße, ein Helfer mit rotweißer Warnweste dazu. Und der Sportchef hat die Zeit, mit der Tram nach dem Startschuss zum drei Kilometer entfernten Zieleinlauf am Marktplatz zu fahren.  

Unter der Federführung der Züricher Agentur IMG als Veranstalter und dem Laufsportverein Basel mit dem OK-Präsidenten Adrian Schlatter an der Spitze hat sich Basel im Vorjahr nach einem Wechsel der Organisation wiederum als Marathonstadt beworben – und mehr als 2300 LäuferInnen auf den unterschiedlichsten Distanzen zum Neustart animiert.

Nach 630 Meldungen im Vorjahr hat sich selbst der peppige Titel „Run to the Beat“ für viele Hardcore-Läufer als wenig zugkräftig erwiesen, denn nur 400 Marathonläufer stellten sich um 8.30 Uhr am modernen St. Jakobs-Stadion dem Starter.

Die Nebendistanzen, die wie auch andernorts zum Hauptgeschäft wurden, sollten später gestartet werden. So gingen 1000 Halbmarathonläufer in der Mittagshitze auf ihre schweißtreibende Sightseeingtour durch die deutsch-schweizerische Grenzstadt. Was natürlich zur Folge hatte, dass selbst viele Ordner entlang der schwierig zu erforschenden Wegstrecke ihre liebe Mühe mit der Orientierung der nebeneinander und parallel laufenden Wettbewerbe hatten. Insgesamt schrieben sich 2419 LäuferInnen bei der Zweitauflage des Baseler Stadtmarathons ein, im Ziel wurden allerdings, sicherlich auch der spätsommerlichen Temperaturen geschuldet, nur 1591 registriert.

Das reichlich verschlafen wirkende Basel wurde an zahlreichen Plätzen durch das neuartige Konzept „Manor Run to the Beat Basel“ geweckt. Mit kräftigen Beats wurden nicht nur die Läufer mittels eigenem Event-Radio auf der UKW-Frequenz 106,6 MHz im Laufrhythmus gehalten, sondern auch die Zuschauer entlang der Strecke informiert. Was keineswegs regelkonform ist, das sollte in Basel außer Kraft gesetzt sein, denn per MP3-Player oder Handy konnte sich jeder Läufer den Event-Sound ins Ohr blasen lassen. Und musste keineswegs auf einen der zwanzig Stationen hoffen, die per Laufsprecher den Radiosender übertrugen. Die Playlist des Tages wurde übrigens von den Läufern selbst bestimmt.

„Ich brauche diesen Rhythmus nicht, das stört eher mein Laufempfinden“, sagt Männersieger Heiner Blattmann, der selbst ohne Pulsuhr als Taktgeber im Training unterwegs ist. „Mir war es etwas zu wenig Musik, ansonsten war alles bestens organisiert!“ gesteht Tilmann Gerber aus Schopfheim. „Musik? Ich habe keine mitbekommen!“ fragt die Frauenerste Ingrid Mutter-Wilhelm erstaunt im Ziel. „Ja, die Guggemusik, die hat mir allerdings gut gefallen“. So unterschiedlich jedenfalls ist die Wahrnehmung der LäuferInnen bei ihrer Sightseeingtour durch Basel.

Zwei unterschiedlich große Schleifen mit zahlreichen Richtungswechseln und einem welligem Profil, bei dem am Ende rund 200 Höhenmeter zusammen kommen, sind keineswegs für Zeitenjäger geeignet. „Unser Ziel ist es, allen Läufern eine möglichst abwechslungsreiche und schöne Strecke präsentieren zu können“, so OK-Chef Adrian Schlatter vom LSV Basel, dem laufaffinen Club mit fast ausschließlich aktiven Läufern, die allerdings an diesem zweiten Sonntag im September wettkampffrei hatten, denn sie waren das Kernstück der rund 800 Helfer großen Veranstaltungs-Crew.

„Basel ist eine tolle Stadt, die wir bislang eigentlich nur von der Autobahn her als Industriestadt charakterisiert hatten“, sagten unisono einige LäuferInnen des TuS Glan-Münchweiler, die mit 22 Startern in Basel in die einzelnen Wettbewerbe gingen. Die laufaktiven Pfälzer hatten sich in diesem Jahr für Basel als Zielort für ihren „Jahresausflug“ entschieden, nachdem sie bislang schon Hamburg, Würzburg, Ulm, aber auch Wien oder New York läuferisch erkundet hatten.  

„Es ist eine sehr schöne, abwechslungsreiche Strecke“ sagt Rainer Hauch, „aber dem Motto „Run to the Beat“ wird das alles nicht gerecht!“
Der versierte Marathonläufer mit einer 2:35er Bestmarke hat sich für seinen Verein LSV Basel als Drei-Stunden-Pacemaker verpflichtet – und kam alleine als Einlaufdritter (!) nach 2:59:36 Stunden ins Ziel. Zwischen dem Sieger Heiner Blattmann konnte sich also lediglich noch Pascal Enggist mit 2:58:06 Stunden schieben.

Wie so oft bei Marathon-Veranstaltungen, bei denen neben der längsten olympischen Laufdistanz noch zahlreiche Nebenstrecken angeboten werden, rücken die kürzeren Distanzen schon alleine durch die Teilnehmerzahlen in den Fokus. Beim mit rund 1000 Startern besetzten Halbmarathonlauf gewann mit Berhane Ogubit mit schnellen 1:08:10 Stunden ein Läufer aus Eritrea, der seit einem halben Jahr im Baseler Vorort Münchenstein lebt und die regionale Laufszene mit schnellen Läufen aufmischt. Der starke Bergläufer Gabriel Lombriser wurde mit 1:12:54 Stunden Zweiter.

Die schnellste Frau auf der Halbmarathondistanz war Manuela Studer in 1:35:34 Stunden.     

Wilfried Raatz    

author: GRR

Comment
0

Leave a reply