2012 Kenya Kenya February 2012 Photo: Giancarlo Colombo@Photo Run Victah1111@aol.com 631-741-1865 www.photorun.NET
Im Interview: Wolfgang Heinig vor der Olympiasaison 2012 – Christophe Chayriguet* traf Wolfgang Heinig im März in Iten/Kenia
Das wievielte Mal bist Du jetzt bereits im Kenia-Höhentraining in Iten und wen betreust Du diesmal hier?
Ich war das erste Mal 2010 hier, jetzt sind wir das 3. Mal da, Anna** und Lisa Hahner, Katharina Heinig, Gesa Krause, und Nachwuchs Athleten zwischen 18-19. Unserer Gruppe haben sich in diesem Jahr Sabrina Mockenhaupt und Sören Kah** angeschlossen.
**Anna Hahner (2:30:14) und Sören Kah (2:14:25) haben inzwischen 2 tolle persönliche Marathon-Bestleistungen in Düsseldorf bzw. Hamburg abgeliefert.
Die LCA gratuliert Trainer und den beiden Athleten dazu herzlich!
Warum Kenia, was ist das Besondere an Iten und seiner Umgebung für das Training? Wieso Kenia und nicht Äthiopien oder Mexico?
Ich kenne Afrika von früher, Äthiopien noch besser als Kenia, in Addis Abeba waren wir mehrfach in einer ähnlichen Höhe wie Iten. Durch die vielen Berichte über Kenia ist man natürlich auf Kenia aufmerksam geworden. Seit wir 2010 das erste Mal hier waren bin ich absolut begeistert! Mexico wo ich auch oft war hat sich inzwischen zum Negativen verändert. Durch das erhöhte Verkehrsaufkommen sind die Wege zu den Trainingstrecken zu weit geworden.
Mit Gesa Krause hast Du gezeigt, dass man schon mit jungen Talenten die Höhe nutzen kann. Welche Erfahrungen kannst Du den Zweiflern inzwischen übermitteln?
Mit Gesa sind wir jetzt zum dritten Mal in der Höhe. Es ist unumstritten, das Höhentraining ist für einen Ausdauersportler notwendig. Höhentraining dient der Leistungssteigerung im erlaubten Bereich. Wir machen nur das was alle machen. Wir nutzen die Vorteile nicht nur der Afrikaner.
18/19-jährige sollten das bereits kennenlernen um sie die nächsten 3 – 4 Jahre schrittweise höher belasten zu können und um in Europa oder gar im Weltmaßstab eines Tages immer besser mithalten zu können.
Die ersten Jahre in der Höhe dienen der Belastungsvorbereitung und der Erhöhung der Belastungsverträglichkeit, auch um die verschiedenen Typen, die unterschiedlich auf die Höhe reagieren, früher zu erkennen und das nicht erst mit 25-30 festzustellen. Es ist natürlich von Vorteil wenn die Jüngeren schon ein für ihr Alter gutes aerobes Niveau haben.
Ihr habt schon mehrfach den Sportpark auf dem Rabenberg (900 m Höhe) zur Vorbereitung genutzt. Haben sich Deine Überlegungen ausgezahlt/bestätigt?
Der Rabenberg ist mein 2. Ort nach Kenia, aber dann um Qualitäten trainieren zu können die hier in Kenia nicht möglich sind. Der Sportpark Rabenberg ist abgeschieden, man hat seine Ruhe und es ist ähnlich profiliert wie hier in Iten / Kenia.
Beispielsweise in der Vorbereitung von Gesa auf Moncton 2010 (U 18 WM) oder auch der Daimond League in London 2011 sind wir vom Rabenberg gekommen. Mit den in Kenia erworbenen Qualitäten können wir anschließend auf niedrigeren Höhen höhere Intensitäten laufen. Wir fahren auch im Herbst auf dem Rabenberg mit dem Ziel die Kraftausdauer für die Crossläufe zu schulen, nicht vorrangig zur Nutzung des Höheneffekts. Für mich ist die Cross Saison aber mit Weihnachten abgeschlossen.
Welche Unterschiede in der Belastung müssen von Mittel- und Langstreckler im Training zwischen 900 m und 2300 m gemacht werden?
Zunächst will ich sagen warum ich in die Höhe fahre und was ich um 2300 m Höhe erreichen will. Vorrangig geht es mir in diesem Altersbereich nicht zuerst darum die Wettkampfleistung vorzubereiten, sondern ein höheres Basisniveau zu schaffen. Unsere Inhalte hier in Kenia sind ausschließlich auf die Verbesserung der Grundlagenausdauer und Kraftausdauer, gepaart mit Motoriktraining, das nicht vernachlässigt werden sollte, gerichtet. Unsere Intervalle sind deshalb alle im GA1/2 Bereich.
Für die Marathonvorbereitung ist diese Höhe natürlich günstig. Bei der verhältnismäßig niedrigen Wettkampfgeschwindigkeit kann man bei Intervallen und kurzen Dauerläufen nah an das Wettkampf – Tempo kommen. Mittelstreckler wie bspw. die polnische Gruppe um Lewandowski, die auch hier sind, machen auch Grundlagentraining, um anschließend in einer mittleren Höhe die Qualitäten zu trainieren.
Was sollte man mit Höhenanfängern trainieren und was sollte man besser erst einmal lassen? Woran sind die Fortschritte in erster Linie messbar?
Mit Anfängern gilt es also vor allem die Grundlagenausdauer auszubilden, wir steuern über die Herzfrequenz, also über die Puls – Uhr. Man kann mit Anfängern nicht in die Höhe kommen und wie zu Hause trainieren und dieselben Intensitäten realisieren. Es finden physiologische Anpassungsprozesse im Blut statt die sich erst nach 2-3 Wochen einstellen. Die Kunst besteht darin diese Prozesse nicht durch zu intensives Training zu stoppen oder sogar rückgängig zu machen, sondern den Prozess zu unterstützen / vorwärts zu entwickeln.
Wie würdest Du eine Einheit wie 8 x 1000 m die Langstreckler zuhause absolvieren in der Höhe umsetzen?
Ich mache solche Programme in der Höhe gar nicht. Länger als 400 m sind unsere Tempoläufe hier oben nicht, nicht mit den jüngeren Läufern, aber auch nicht mit den Marathonläuferinnen. Wir machen Intervalle zwischen 200 – 400 m – aber in einer hohen Anzahl mit kurzen Pausen, beispielsweise mit 200 m traben. In der Höhe arbeiten wir vorrangig im aeroben Bereich. Für die die öfter in der Höhe waren wird der GA2 Bereich langsam aufgebaut um die Entwicklungsgrenzen nach oben zu verschieben.
Zu 1000 m Programmen kann ich nichts sagen, die habe ich früher mit Kathrin auch nicht gemacht, dafür aber Programme bis zu 30 x 400 m mit kurzen Pausen. Dabei achten wir aber darauf, dass man höchstens den GA2 – Bereich erreicht. Für einen Mittelstreckler ist wichtiger, aber auch schwieriger, in den GA2 zu kommen. Gesa Krause schafft 15 – 20 x 400m in 72-73 sec hier in Iten, das entspricht beispielsweise dem Bereich den wir ansteuern.
Welche Rolle spielt für Dich die Geschwindigkeit im Höhentraining und von welchen Kriterien leitest Du sie ab? Von den Trainern vor Ort wird der Geschwindigkeit die führende Rolle in der GA-Entwicklung zugewiesen, siehst Du das auch so?
Ich gehe davon aus, dass jeder leistungsorientierte Sportler eine entsprechende Leistungsdiagnostik (LD) vor dem Höhentraining zuhause macht, kombiniert mit entsprechenden Gesundheits- und Labor – Untersuchungen z.B. Hämoglobin, Mineralien und Hämatokrit um zu sehen was während der Höhenaufenthalte passiert. Wieder zurück wird das gleiche wiederholt. Meine Geschwindigkeitsziele im Stufentest mit Langstrecklern sind 3 x 4 Km. Für mich sind vergleichsweise 3 x 2 Km zu wenig aussagekräftig.
Auch Gesa macht den 3 x 4 Km Stufentest, damit wird die vL2 ermittelt. Das ist für mich der aerob-stabile Bereich um 2 mmol/l Laktat. vL3 könnte aus meiner Sicht für die sehr ruhigen Dauerläufe „oben" schon zu schnell sein, dass können die meisten in der Höhe nicht laufen, das schaffen nur wenige. Ich leite in der Höhe die Geschwindigkeiten also von der vL2 ab, aber eben von 3 x 4 km, auch für die Tempoläufe. Für Tempoläufe (200-400m) also mit Geschwindigkeiten bis zu 115% der vL2 und bei längeren Dauerläufen – beispielsweise bis 12 Km kann das vL2 -Tempo (100%) hier gut erreicht und entwickelt werden ohne am nächsten Tag außer Gefecht zu sein. Hier in Iten arbeiten wir wieder mit einem sogenannten „Blocktraining" von 4 Tagen.
Nach der Anpassungszeit findet dieser Block innerhalb der 3 Aufenthaltswochen 3 mal statt, dazwischen sind je 2 kompensatorische Tage. In diesem Jahr haben wir erneut beobachtet dass sich innerhalb der Blöcke bei den Athleten die Qualitäten verbesserten, das ist das Entscheidende im Höhentraining. Man sollte nicht auf einem zu hohen Niveau beginnen und dann in der letzten Woche runterfallen. Besser bewusst etwas ruhiger beginnen und dann die besten Einheiten im letzten Block haben. Nach dem letzten Block sollten dann noch 2-3 Tage vor der Rückkehr ruhiger sein, so relaxen das man in einem erholten Zustand nach Hause kommt.
Das sind meine Erfahrungen seit 1980. Von der Gruppe in diesem Jahr wird kein Athlet unmittelbar nach Rückkehr einen Wettkampf machen. Das wäre zwar nach dem 2-3. Tag machbar, die Rückreise nach Europa von Kenia aus aber zu lang für einen sinnvollen, schon guten Wettkampf. 3 Tage vor der Rückreise „rauszunehmen" zielt auch darauf das Training noch in der Höhe wirken zu lassen, weil ja in dieser Zeit physiologisch noch einiges passiert. Wir wollen die Superkompensation gern nach Hause mitnehmen. Das zu Wissen ist wichtig, keine intensiven Pragramme bis zum letzten Tag.
Haben Hindernisläufer mit einer Wettkampfdauer zwischen 8 bzw. 9 Minuten im Höhentraining gegenüber Langstrecklern besondere inhaltliche Aufgaben ?
In der Höhe ist unabhängig von der Strecke ein hohes Grundlagenausdauerniveau Ziel um dann unter NN – Bedingungen oder in mittlerer Höhe (bspw. Rabenberg) hohe Qualitäten anzuschließen die auch der Hindernisläufer braucht. Der Hindernisläufer muß beides können, eine sehr gute 1500 m – Unterdistanz und gleichzeitig auch eine hervorragende 5000 m.
Nur diese Kombination ermöglicht Top-Zeiten und die letzen 1000 m in höchster Qualität zu laufen. Für mich sind die letzten 1000 m die entscheidenden, nicht die erste 1000. Das ist aber nur mit einem außergewöhnlich hohen Ausdauerniveau möglich, worauf die sich anschließende hohe wettkampfspezifische Ausdauer für die Strecke aufgebaut wird. Deshalb gibt es in der Höhe keinen Unterschied. Hindernisläufer sind Langstreckler die eine besondere Begabung haben auch kurze Strecken sehr schnell laufen zu können.
Beispiel für das Blocktraining von Wolfgang Heinig in Iten/Kenia:
Block 3 x 4 Tage, mit je 2 Tagen Regenerationsmaßnahmen
Tag 1
1) 6 – 8:00 Auftakt (30-45 min.)
2) 10:00 Sprint und Motorik – auf der Bahn 10 – 20 x 100-120 m mit Geh – Pause in der Kurve.
3) NM: Dauerlauf-Kompensation 1 Std. + Spannungsaufbau am Berg, Lauf ABC und kurze intensiver Bergsprints
Tag 2
1) Auftakt
2) GA 2 Tempoläufe: 10-20 x 400m. Anzahl bleibt in den 3 Wochen konstant.
3) NM: Dauerlauf
Tag 3
1) Auftakt
2) GA2 Dauerlauf – z.B. Gesa Krause 6 – 8 Km an der VL 2 – Schwelle
3) NM DL 1 Std.
Tag 4
1) Kein Auftakt
2) Langer DL 15 – 20 Km GA1
Du kennst inzwischen das Training der Kenia-Läufer schon sehr gut, was sollten sich die deutschen Läufer von den Kenianern vor allem abgucken?
Die Bescheidenheit, Spontanität und die einfachen Verhältnisse mit denen hier die Weltklasse trainiert. Europäische Sportler die hierher kommen sind oft erstaunt dass da ein Weltmeister oder Olympia – Sieger läuft und das unter einfachsten Bedingungen. Das tut unseren Sportler m.E. gut. Darüber hinaus trainiert inzwischen hier in Kenia die ganze Welt, viele Europäer, Skandinavier und Japaner, sie kommen auch mehrmals pro Jahr.
Wir würden auch gerne 2-mal kommen, das ist aber derzeit noch ein finanzielles Problem. Mit meinen jungen Athleten ist das aber noch nicht so entscheidend. Wenn die jungen Athleten gut trainieren und die Leistungsentwicklung wollen, dann sind später – im Alter zwischen 25 – 30 Jahren Höhenketten für die Weltspitze nötig. Wir streben eine systematische Belastungssteigerung über Jahre an.
Sind die im letzten Jahr für möglich gehaltenen Olympiaträume für Gesa Krause näher, wie ist das absolvierte „Wintertraining" einzuschätzen?
Die Norm hat sie im letzten Jahr 3 – mal unterboten. Leider gelten nicht die Regeln wie im 10 Kampf und Marathon wo, die Normen aus dem Vorjahr zählen. Selbstverständlich wollen wir dieses Ziel in diesem Jahr schaffen. Gesa hat die hierfür altersgerechte Belastungssteigerung realisieren können. Die Halle hat ihre Möglichkeiten mit der 9:01 über 3000 m angedeutet. Diese Leistungssteigerung kam für mich damals überraschend. Mit dieser Leistung wäre sogar die Hallen WM-Norm möglich gewesen.
Ich suche von Zeit zu Zeit Wettkämpfe bei denen hart gelaufen wird. Aus diesem Grund ist Gesa im Winter in der Halle in Düsseldorf und Karlsruhe gelaufen um Erfahrungen zu sammeln. Dort stand sie mit Kenianerinnen und Äthiopierinnen an der Startlinie. Es ist gut wenn man hautnah dabei ist, auch wenn man erst einmal etwas weiter hinten läuft. Jetzt hoffen wir auf die notwendige Konkurrenz damit sie erst einmal die Quali in der Tasche hat. Ich glaube sie wird es können.
Danke Wolfgang Heinig für diese Einblicke in Deine Arbeit
* im Auftrag der Leichtathletik – Coaching – Academy