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2022

Dr. Dr. Lutz Aderhold - Foto: privat

Iliotibiales Bandsyndrom („Läuferknie“) – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

By GRR 0

Das iliotibiale Band verläuft an der Außenseite des Oberschenkels von der Hüfte bis zum Wadenbeinköpfchen. Das Band stabilisiert das Kniegelenk und nimmt beim Laufen einen Teil der Stoßbelastung auf.

Beugt der Sportler das Knie, gleitet der Tractus iliotibialis, wie das Band auch genannt wird, bei 30° über die äußere Knierolle des Schienbeins, wodurch es zu vermehrter Reibung kommt.

Es entsteht eine Entzündung des Bandes und des umliegenden Gewebes (Renne 1975; Ekmann et al. 1994; Orchard et al. 1996; Fairclough et al. 2007).

Die Inzidenzrate im Laufsport liegt bei 1,6% bis 12% und stellt damit eine typische Läuferverletzung dar (Orava 1978; McNicol et al. 1981; Messier et al. 1995; Fredericson et al. 2000; Taunton et al. 2002; Ellis et al. 2006; Lavine 2010; Khodaee 2017; Engelhardt et al. 2018).

Als Ursachen kommen hierfür

  • übermäßige Pronation,
  • Muskeldysbalancen,
  • O-Beine,
  • eine vermehrte Spannung des Bandes und
  • Überlastungen, besonders durch Laufen bergab,

in Frage.

Die Verletzung kann auch durch einseitiges Laufen auf gewölbten Straßen hervorgerufen werden. Läufer mit Unterpronation und schwacher Gesäß- und Oberschenkelmuskulatur neigen zu dieser Verletzung (Strauss et al. 2011; Louw u. Deary 2014; Aderem u. Louw 2015).

Ein weiteres Problem, welches das iliotibiale Band betrifft, ist die schnellende Hüfte (Coxa saltans). Darunter wird ein schmerzhaftes Überspringen des Tractus über den großen Rollhügel an der Oberschenkelaußenseite verstanden. Ursache ist häufig eine X-Bein-Stellung. Gleichzeitig ist meist eine Schleimbeutelentzündung in diesem Bereich vorhanden.

Die Schmerzen treten belastungsabhängig an der Außenseite des Kniegelenks auf und können ausstrahlen. Bergablaufen und Treppensteigen verschlimmern die Beschwerden meist, da eine übermäßige Reibung auftritt.

In der Anfangsphase der Verletzung verschwinden die Beschwerden nach dem Training wieder und setzen erst bei erneutem Training wieder ein. Im späteren Stadium sind auch beim Gehen und Treppensteigen Schmerzen vorhanden. Differenzialdiagnostisch ist auch an eine Ansatztendinose des Tractus iliotibialis am seitlichen Schienbein und an einen Außenmeniskusschaden sowie eine Außenbandläsion zu denken. Weichteilschwellungen und Rötung werden seltener gefunden.

Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer – Lutz Aderhold – Mit Beiträgen von Stefan Weigelt – ELSEVIER Verlag

Therapie

Für beide Lokalisationen hat sich eine physiotherapeutische Behandlungsstrategie mit Querfriktion, Flossing, Dehnung des Tractus bzw. der Quadrizeps- und Ischiokruralmuskulatur bewährt. In der akuten Entzündungsphase sollten physikalische Maßnahmen wie Eis-, Ultraschall-, Elektro-, Stoßwellen- und Magnetfeldtherapie vorgenommen werden.

Die Neuraltherapie mit Lokalanästhetika hat sich bei der Behandlung der Ansatztendinose bewährt. Auch die Injektion von Hyaluronsäure oder PRP (plättchenreiches Plasma) wird angewendet. Orale Antiphlogistika und Kieselsäurepräparate können unterstützend eingesetzt werden. Biomechanische Auffälligkeiten im Bereich der Füße und Hüften sollten korrigiert, Schuhe und Einlagen optimiert werden (Anderson 1991; Kirk et al. 2000; Fredericson u. Weir 2006; Ellis et al. 2007; Engelhardt et al. 2018).

Die Oberschenkel- und Hüftmuskulatur sollte gekräftigt werden. Schmerzauslösende Situationen wie Bergablaufen oder Laufen auf einer Straßenseite mit Neigung sollten vermieden werden. Das Trainingskonzept ist zu überdenken, eine Ruhepause bzw. alternatives Training in Form von Aqua-Jogging bis zur Entschmerzung sind ratsam. Sollten auch beim Aqua-Jogging durch das Kniebeugen Schmerzen auftreten, muss auch darauf verzichtet werden.

Bei Versagen der konservativen Behandlung muss an eine operative Therapie gedacht werden (van der Worp et al. 2012; Beals u. Flanigan 2013).

Weitere Hinweise und das Literaturverzeichnis finden Sie in:

Aderhold L, Weigelt S. Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. München: Elsevier 2018.

Dr. Dr. med. Lutz Aderhold

 

author: GRR