Dr. Dr. med. Lutz Aderhold: Hyponatriämie - die tödliche Gefahr im Ausdauersport ©privat
Hyponatriämie – die tödliche Gefahr im Ausdauersport – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Beim Ironman in Frankfurt ist es zu einem Todesfall gekommen. Ein 30-jähriger Brite war nach dem Ziel zusammengebrochen, hatte das Bewusstsein verloren und zeigte Krampfanfälle.
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Der Athlet starb trotz intensivmedizinischer Versorgung drei Tage später im Krankenhaus.
Bei der Veranstaltung herrschten extreme Hitzebedingungen und der Athlet hatte offensichtlich nur Leitungswasser getrunken und zu wenig Salz aufgenommen. Die Teilnehmer erhielten vom Veranstalter in Briefings per Email und auf einer verpflichtenden Rennbesprechung Empfehlungen zum Verhalten bei diesen extremen Wetterbedingungen.
Richtlinien für eine adäquate Ernährungsstrategie bei langen Ausdauerwettkämpfen existieren bisher nicht (Knechtle 2013).
Das Wissen der Sportler über Ursachen, Gefahren und Prävention einer Hyponatriämie ist unzureichend (Rosner 2008; Williams et al. 2012).
Unter einer Hyponatriämie versteht man einen erniedrigten Natriumspiegel im Blut. Der Normalwert liegt für Erwachsene bei 135-150 mmol/l. Von einer leichten Hyponatriämie spricht man bei 130-135 mmol/l, von einer moderaten Hyponatriämie bei 125-129 mmol/l und von einer schweren Hyponatriämie unter 125 mmol/l.
Zu einer Hyponatriämie kommt es durch Natriumverlust oder durch den Verdünnungseffekt aufgrund einer erhöhten Wasseraufnahme („Wasservergiftung") oder einer verminderten Wasserausscheidung.
Bei einer Hypoanatriämie enthält das Blut deutlich weniger Natriumionen als die Körperzellen. Wasser strömt aufgrund des osmotischen Gefälles in die Zellen. Besonders gefährlich ist das im Gehirn, wo es aufgrund mangelnder Ausweichmöglichkeit zur Entstehung eines Ödems kommt.
Weitere Ursachen für eine Hyponatriämie sind Volumenmangel und Natriumverlust durch Diarrhö, Erbrechen, Infektion und Verbrennung, Allgemeinerkrankungen (Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, Niereninsuffizienz), Arzneimittelnebenwirkungen (Diuretika, Antidepressiva, ACE-Hemmer) und hormonelle Störungen (Hypothyreose, Nebenniereninsuffizienz, Hypophyseninsuffizienz)
Bei rascher Entwicklung einer Hyponatriämie entsteht ein Hirnödem mit Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Zittern und Krämpfen. In der Folge kann der Betroffene somnolent werden und ins Koma fallen.
Die Schwellung des Gehirns macht die Hyponatriämie lebensgefährlich. Bei einem raschen Anstieg des Natriumspiegelns unter der Behandlung kann es zu bleibenden Gehirnschäden (Demyelinisierungssyndrom) kommen. Daher sollte der Ausgleich der Natriumwerte langsam und unter intensivmedizinischer Überwachung erfolgen (Verbalis et al. 2013; Spasovski et al. 2014).
Normalerweise signalisiert uns der Körper über das Durstgefühl, wann wir etwas trinken müssen. Auf dieses Signal können wir uns meist verlassen, obwohl auch bekannt ist, dass im fortgeschrittenen Alter das Durstgefühl nachlässt und ältere Menschen dazu neigen, zu wenig Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Demgegenüber gibt es aber keine Belege dafür, dass eine über das selbst eingeforderte Maß hinaus zugeführte Flüssigkeit einen Nutzen hätte.
Wer zu viel Wasser trinkt riskiert einen Elektrolytmangel, besonders eine Verringerung der Natriumkonzentration im Blut (Aderhold und Weigelt 2012).
Ein Durstgefühl ist ein deutliches Warnsignal für einen Flüssigkeitsmangel. Der Durstmechanismus ist der entscheidende Regulator. Wenn Sie unterwegs Durst verspüren, sollten Sie auf alle Fälle Flüssigkeit zu sich nehmen und dann Sportgetränke vorziehen.
Massiv über den Durst hinaus aufgenommene Flüssigkeit bringt keine Vorteile, im Gegenteil: Hierdurch wird die Gefahr einer Überwässerung (Hyponatriämie) hervorgerufen (Trautwein et al. 2009; Scotney u. Reid 2015). Für die Entwicklung einer Hyponatriämie sind 3 Faktoren verantwortlich: übermäßige Flüssigkeitsaufnahme, eine ungenügende Wirkung von ADH (Antidiuretisches Hormon) und eine fehlende Mobilisierung von Natrium.
Man kann eben sowohl zu wenig als auch zu viel trinken. Todesfälle durch Dehydrierung wurden bei Läufern bisher nicht beschrieben, es gibt aber zahlreiche Berichte über Läufer, die an einer Überhydrierung starben (Heneghan et al. 2012; Nolte et al. 2015).
Auch die Internationale Vereinigung der Marathonärzte (International Marathon Medical Directors Association – IMMDA) empfiehlt, Läufer sollten sich bezüglich Menge und Konzentration der aufgenommenen Getränke und Speisen von ihren Bedürfnissen (Durst, Appetit) leiten lassen.
Nur bei extremen Hitzebedingungen kann ein Trinken über das Durstgefühl hinaus erforderlich sein (Hew-Butler et al. 2006, Noakes 2010). Im Alter (≥ 65 Jahre) und bei niedrigen Außentemperaturen (≤5 ºC) ist die Durstschwelle erhöht, so dass eine frühere Flüssigkeitsaufnahme empfohlen werden kann. Über das Durstgefühl hinaus aufgenommene Flüssigkeit bringt keine Leistungsverbesserung (Dion et al. 2013).
Reines Wasser wird im Dünndarm langsamer absorbiert als bei Zusatz von Kohlenhydraten und Natrium, die osmotisch wirksam sind und Wasser damit schneller durch die Darmwand transportieren. Bei höherer Konzentration gelöster Teilchen (hypertone Getränke, z.B. Cola-Getränke, Fruchtsäfte, Limonaden) wird durch Sekretion von Wasser aus dem Blut in den Darm eine Verdünnung vorgenommen, die Absorption wird damit verzögert, was unerwünscht ist.
Ein Ersatz von Elektrolyten während der Belastung ist bei kürzeren Wettkämpfen nicht erforderlich, aber bei längeren Läufen von besonderer Bedeutung, insbesondere der Ersatz von Natrium (Zapf et al. 1999; Hsieh et al. 2002; O`Neal et al. 2011; Hoffmann et al. 2012; Rüst et al. 2012), wobei ein Großteil des aufgenommenen Natriums über die Niere wieder ausgeschieden wird.
Die Höhe des Natriumverlustes durch Schwitzen korreliert nicht mit dem Hyponatriämierisiko. Ein Natriummangel (Hyponatriämie) tritt vor allem dann ein, wenn bei einem langen Wettkampf Wasser oder stark hypotone Getränke konsumiert werden und nicht durch massiven Natriumverlust über den Schweiß (Speedy und Noakes 1999, Almond et al. 2005; Noakes 2012; Hoffman u. Stuempfle 2014; Urso et al. 2014; Scotney u. Reid 2015). Besonders bei langen Ausdauerwettkämpfen wie Marathon, Ultraläufen oder Ironman und ausschließlich Wasser- oder Colazufuhr bzw. Glucosekonzentraten besteht die Gefahr einer Hyponatriämie (Scotney u. Reid 2015). Eine Hyponatriämie wird bei Ultraläufern seltener festgestellt als bei Marathonläufern (Kechtle et al. 2010 u. 2011).
Bei Verwendung von verdünnten Sportgetränken sollten Sie 1-2g/l Kochsalz (ca. ½ Teelöffel) zufügen. Die beliebten Colagetränke sind hyperton und natriumarm. Sie sollten diese Getränke verdünnen und Kochsalz (1-2 g/l) zufügen. Ein Natriumzusatz begünstigt die Resorption im Dünndarm und wirkt einer Hyponatriämie entgegen, die besonders unter Hitzebedingungen mit Schweißverlust und großer Flüssigkeitsaufnahme auftreten kann. Ungeeignet sind für den Sportler die Trendwässer Volvic, Evian und Vittel, die nur sehr wenig Natrium enthalten.
An den Durst angepasstes Trinken ist der beste Schutz vor einer Hyponatriämie.
Weitere Informationen finden Sie in den Beiträgen:
„Trinken im Laufsport"
„Ernährung rund um den Wettkampf"
„Temperaturmanagement zur Vor- und Nachbereitung Im Langstreckenlauf"
„Hitzeerkrankungen (Hitzeschäden) und Laufsport"
Literatur:
Aderhold L, Weigelt S. Laufen! … durchstarten und dabeibleiben – vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. Stuttgart: Schattauer 2012.
Almond CS, Shin AY, Fortescue EB, Mannix RC, Wypij D, Binstadt BA, Duncan CN, Olson DP, Salerno AE, Newburger JW, Greenes DS. Hyponatremia among runners in the Boston Marathon. N Engl J Med 2005; 352: 1550-6.
Dion T, Savoie FA, Asselin A, Gariepy G, Goulet EDB. Half-marathon running performance is not improved by a rate of fluid intake above that dictated by thirst sensation in trained distance runners. Eur J Appl Physiol 2013; 113: 3011-20.
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