Start zum 64. Fukuoka-Marathon am 3. Dezember 2010 um 12:10 Uhr ©Helmut Winter
Hausmannskost zum Jubiläum – Der 65. Fukuoka-Marathon am 4. Dezember präsentiert das Feld seiner Eliteathleten. Helmut Winter berichtet
Mit dem Fukuoka-Marathon gibt es am Ende des überaus ereignisreichen Jahrs 2011 in der internationalen Marathonszene einen letzten Höhepunkt, denn dieser Lauf in der südjapanischen Metropole hat neben seiner langen Tradition auch einen hohen Leistungsanspruch, dem man in den letzten Jahren weitgehend entsprechen konnte.
Bereits zum 65. Mal wird am Sonntag, dem 4. Dezember, pünktlich und traditionell um 12:10 Uhr im Heiwadai-Stadion der Lauf durch die Straßen Fukuokas und Hakatas gestartet. Damit gehört die Veranstaltung zu den ältesten internationalen Straßenläufen und besteht genauso lange wie in unseren Landen der Paderborner Osterlauf.
Und so ist es kaum überraschend, dass Tradition in Fukuoka eine besondere Rolle spielt. Der Fukuoka-Marathon war vor 1980, bevor sich durch eine Welle neuer Stadtmarathons auch vom Leistungsniveau her eine Ablösung vollzog, einmal das Nonplusultra des Marathonlaufs und hatte den Rang inoffizieller Weltmeisterschaften. Mehrere Weltrekorde wurden hier aufgestellt und in der Regel fünf Läufer der absoluten Weltklasse nach Fukuoka eingeladen, um sich mit der japanischen Elite zu messen. Bereits 1967 war es der Australier Derek Clayton, der mit 2:09:37 als Erster unter 2:10 blieb, und auch die Barriere von 2:09 wurde erstmals in Fukuoka unterboten. Claytons Landsmann Rob de Castella lief 1981 grandiose 2:08:18.
Dieser Tradition fühlt man sich bis heute verpflichtet, obwohl es über die Jahre immer schwieriger wurde, angesichts der weltweiten Konkurrenz um die Läufer der Weltelite. Dazu kommt noch, dass am Ende einer ereignisreichen Saison viele Topathleten bereits bei den vielen hochkarätigen Herbstmarathons an den Start gegangen sind, was das Feld potentieller Starter stark reduziert.
Dies gilt vor allem für das aktuelle Jahr 2011, das von der Leistungsexplosion bei den Männern und der Vielzahl von Streckenrekorden alle Vorgänger in den Schatten stellt. Trotzdem gelang es den Veranstaltern in Fukuoka aber immer wieder, Felder von hoher internationaler Klasse an den Start zu bringen. So waren in den letzten Jahren neben dem Star der Szene, Haile Gebrselassie (2006), auch alle Medaillengewinner der letzten Olympischen Spiele in Beijing 2008 am Start: Wanjiru, Gharib, Kebede sowie der Vierte Merga. Die Veranstaltung zur Mittagszeit wird live von Asahi TV landesweit übertragen und erzielt höchste Einschaltquoten.
Vier Tempomacher unterstützen die Elite im ersten Teil des Rennens, wobei aber die Intention der Veranstalter, möglichst lange auch japanische Läufer an der Spitze zu zeigen, mehrfach dazu führte, die Tempojagd erst jenseits der 25 km zu beginnen. Den Streckenrekord hält seit dem vorletzten Jahr der Äthiopier Tsegaye Kebede in auch international hochwertigen 2:05:18, schneller ist auf der Insel noch niemand einen Marathon gerannt.
Wenn man einen Blick auf das soeben bekannt gegebene Feld der Eliteathleten für die 65. Ausgabe wirft, dürfte am ersten Sonntag im Dezember der Kursrekord kaum in Gefahr geraten. Schon ein wenig enttäuschend ist, dass es den Veranstaltern für das Jubiläum nicht gelungen ist, einen oder mehrere Läufer der erweiterten Weltklasse an den Start zu holen. Kein Kenianer mit Reputation findet sich in der Starterliste. Wenn man die erdrückende Dominanz der Ostafrikaner im aktuellen Jahr betrachtet, bedeutet dies ein nicht unerheblicher Verlust an Klasse. Bis zur Bekanntgabe der Athleten wurde immer wieder der Name des alten und neuen Weltmeisters, Abel Kirui (KEN), ins Spiel gebracht, der in der Tat den Jubiläumslauf hätte krönen können.
Aber aus Gründen, die noch nicht im Detail bekannt sind, konnte Kirui nicht verpflichtet werden. Wenn man ganz strenge Maßstäbe anlegt, die auch berücksichtigen, auf welches Leistungsniveau in Spitze und Breite sich der Marathonlauf der Männer im Jahr 2011 entwickelt hat, geht in Fukuoka – bis auf zwei hochkarätige Debütanten – ein an internationalen Maßstäben gemessenes Feld zweiter Wahl auf die Strecke. Wobei das nicht ausschließt, dass es sportlich ein spannendes Rennen geben kann. Aber eine Verbesserung des Streckenrekords – und das war 2011 bei den meisten der bedeuteten Marathons der Fall – kann in einer realistischen Einschätzung kaum erwartet werden. Der Lauf in Fukuoka hat den „Gold Label" Status der IAAF, vom Leistungsniveau bewegt er sich aktuell aber in ein Regime, das die Berechtigung dafür in Frage stellt.
Im letzten Jahr hatte man mit dem Marokkaner Jaouad Gharib einen Mann der erweiterten Weltelite dabei, aber der Exweltmeister startete erst kürzlich in New York und brachte dort das Kunststück fertig mit 2:08:26 exakt die gleiche Zeit zu laufen wie im Frühjahr in London. Und auch in Fukuoka lief er 2010 mit 2:08:24 fast genau die gleiche Zeit. Das dürfte in der Marathongeschichte sicher einmalig sein, aber eine Spitzenzeit sind 2:08 bei der aktuellen Leistungsexplosion nicht mehr. So machte auch die Diskussion um die Herausnahme des ungestümen Tempomachers Eliud Kiptanui durch einen Kampfrichter bei 30 km mehr Schlagzeilen als die Zeiten der Erstplatzierten.
Als Topstar der Veranstaltung geht mit der Startnummer 1 der Ukrainer Dmytro Baranovskyy an den Start, der sich dort bei Haile Gebrselassies Sieg 2006 einen spannenden Kampf um Platz 2 auf der Schlussrunde im Hewedei-Stadion mit Gharib lieferte, den er am Ende knapp in Bestzeit von 2:07:15 gewann, bevor er durch einen Krampf im Oberschenkel hinter der Ziellinie zusammenbrach. Baranovskyy ist in der Tat kein Unbekannter in Fukuoka, er gewann völlig überraschend den Lauf 2005 in 2:08:29 und ist hier bereits das fünfte Mal am Start.
Ein sehr kluges Rennen in Fukuoka lief im letzten Jahr der Russe Dmitriy Safronov, das er als Zweiter beendete. Zuvor gewann er im Sommer in der Hitze Barcelonas die Bronzemedaille im Marathon. Im Frühjahr dieses Jahres konnte er sich beim London-Marathon auf 2:09:35 verbessern. Weitere eingeladene ausländische Athleten sind sein Landsmann Aleksei Sokolov, der 2007 in Dublin russischen Rekord von 2:09:07 lief, sowie der Marokkaner Ridouane Harroufi, der 2010 in Seoul 2:10:14 erreichte. Besonders gespannt sein darf man auf das Debut von Alistair Cragg aus Irland, der beim New Yorker Halbmarathon im Frühjahr sehr gute 1:00:49 schaffte.
Nicht in der Liste der eingeladenen ausländischen Athleten befinden sich zwei Kenianer, die nicht nur die Präsenz der Ostafrikaner auch in Fukuoka sicherstellen sondern beste Aussichten haben, um den Sieg zu kämpfen. James Mwangi lief in Wien 2007 2:10:27, ist aber viel besser über seine Bestzeit im Halbmarathon von 1:00:34 einzuschätzen. Und ganz besonders zu beachten ist ein weiterer Debütant, Josphat Ndambiri, der konnte sich nämlich über 10000 m auf der Bahn auf 26:57.36 verbessern und gehört damit auf dieser Distanz zur erweiterten Weltklasse. Bei seinen Einsätzen im Rahmen von Ekiden-Staffelläufen in der letzten Zeit konnte er seine glänzende Form eindrucksvoll bestätigen.
Der Läufer mit der besten Vorleistung ist mit 2:06:51 der Japaner Atsushi Fujita, der mit dieser Zeit den Fukuoka Marathon 2000 gewann. Das liegt mittlerweile 11 Jahre zurück und Fujita ist sicher nicht mehr in der Form von 2000. Das belegen auch seine Resultate in Fukuoka von 2005 bis 2007 mit 2:09:48, 2:11:50 sowie 2:12:29. Satoshi Irifune erzielte seine Bestzeit mit 2:09:23 ebenfalls in Fukuoka (2008), aber dürfte gleichfalls für keine vordere Platzierung in Frage kommen. Im letzten Jahr lief er mit 2:16 weit hinter der Spitze her. Weitere sub-2:09 Läufer aus Japan – Toshinari Suwa, Tsuyoki Ogata und Yuzo Omishi – erzielten ihre Bestmarken vor einigen Jahren und haben bestenfalls den Status verdienter Veteranen.
In den letzten beiden Jahren wurde er in Fukuoka mit Zeiten um 2:18 kaum beachtetet, das hat sich spätestens seit dem Tokyo-Marathon 2011 gründlich geändert. Mit 2:08:37 hatte sich dort Yuki Kawauchi in die Herzen der Japaner gelaufen, der als Amateur die gesamte, in den letzten Jahren recht schwach agierende japanische Männerelite düpierte. Damit hatte er sich einen Startplatz bei der WM in Daegu gesichert, wo allerdings sein Auftritt in der Sommerhitze mit 2:16:11 und Platz 18 weniger überzeugend war. Zur „Vorbereitung" auf Fukuoka lief er Ende Oktober die Premiere des neuen Massenmarathons in Osaka mit und erzielte 2:14:31. Falls dies wirklich ein Trainingslauf war und die Bedingungen in den Mittagsstunden des 4. Dezember stimmen, muss man seine Ankündigungen ernst nehmen, in Richtung 2:07 laufen zu wollen.
Dieses Vorhaben ist auch insofern bemerkenswert, als der beste Japaner in Fukuoka sich für das japanische Marathonteam für Olympia 2012 in London qualifiziert, falls seine Zeit akzeptabel bleibt. Und da dürfte eine Zeit um 2:09 sicher ausreichen.
Tradition wird in Fukuoka groß geschrieben, obwohl die (Marathon-)Welt in den Spitzenleistungen immer mehr davonläuft. Auch beim großen Jubiläum ist das nach der Leistungsflut in diesem Jahr zu befürchten. Wie dem auch sei. Um exakt 12 Uhr geht das organisierende Asahi-TV auf den Sender und mit Blasmusik sowie Böllerschüssen geht es um 12:10 Uhr für die Elite auf der Bahn des Hewedai-Stadions auf die Runde. Der Rest der etwa 300 Läufer startet an einem nahegelegenen See. Und auch die müssen sich sputen, den nach 2:45 (!) werden die Tore des Stadions geschlossen, japanische Funktionäre kennen da kaum Gnade oder Großzügigkeit.
Auch das ist Tradition: Vier Tempomacher mit Startnummern ab 40. Von denen könnte Isaac Macharia mit 2:07:16 vom Dubai Marathon 2008 auch um den Sieg mitlaufen. Ob er das allerdings darf, wird sich zeigen, denn in Fukuoka „laufen" auch diesbezüglich die Dinge anders.
Der wackere Kampfrichter bei 30 km aus dem Vorjahr wird seine „rote Fahne" vermutlich auch in diesem Jahr dabei haben ….
Helmut Winter
Liste der Topathleten beim 64. Fukuoka-Marathon am 4.12.2010
Eingeladene ausländische Athleten:
Dmytro Baranovskyy (UKR) 2:07:15 2006 Fukuoka
Dmitriy Safronov (RUS) 2:09:35 2011 London
Alexey V. Sokolov (RUS) 2:09:07 2007 Dublin
Ridouane Harroufi (MAR) 2:10:14 2008 Seoul
Franck Caldeira de Almeida (BRA) 2:12:32 2008 Paris
Martin Dent (AUS) 2:13:27 2010 Beppu-Oita
Andrew Lemoncello (GBR) 2:13:40 2010 London
Alistair Cragg (IRL) DNF 2011 Boston, 1:00:49 HM New York City
Tempomacher:
Bunta Kuroki (JPN) 2:14:37 2011 Nobeoka
Isaac Macharia (KEN) 2:07:16 2008 Dubai
Nicholas Kiprono (UGA) 2:15:58 2011 Hamburg, 1:00:25 2009 Nice HM
Boniface Kirui (KEN) 1:01:07 2011 Verbania HM
Liste der Eliteathleten nach Bestleistungen:
Atsushi Fujita (JPN) 2:06:51 (Fukuoka 2000)
Dmytro Baranovskyy (UKR) 2:07:15 (Fukuoka 2006)
Toshinari Suwa (JPN) 2:07:55 (Fukuoka 2003)
Yuki Kawauchi (JPN) 2:08:37 (Tokyo 2011)
Tsuyoshi Ogata (JPN) 2:08:37 (Fukuoka 2003)
Yuzo Onishi (JPN) 2:08:54 (Otsu 2008)
Aleksei Sokolov (RUS) 2:09:07 (Dublin 2007)
Takeshi Hamano (JPN) 2:09:18 (Otsu 2002)
Satoshi Irifune (JPN) 2:09:23 (Fukuoka 2008)
Dmitriy Safronov (RUS) 2:09:35 (London 2011)
Tomoyuki Sato (JPN) 2:09:43 (Tokyo 2004)
Kurao Umeki (JPN) 2:09:52 (Berlin 2003)
Ridouane Harroufi (MAR) 2:10:14 (Seoul 2008)
James Mwangi (KEN) 2:10:27 (Wien 2007)
Kazuhiro Maeda (JPN) 2:10:29 (Beppu-Oita 2011)
Masato Imai (JPN) 2:10:41 (Otsu 2011)
Kensuke Takahashi (JPN) 2:11:25 (Tokyo 2009)
Kenichiro Setoguchi (JPN) 2:11:44 (Otsu 2010)
Franck de Almeida (BRA) 2:12:32 (Paris 2008)
Chiharu Takada (JPN) 2:12:44 (Fukuoka 2010)
Kenta Oshima (JPN) 2:12:54 (Tokyo 2009)
Alistair Cragg (IRE) 1:00:49 (NYC Half 2011)
Josphat Ndambiri (KEN) 10000m 26:57.36 (Fukuroi 2009)