Doch nachdem im 10.000-m-Finale gute Bedingungen für die Läufer geherrscht hatten und auch das Wetter beim Marathon nicht so extrem war wie befürchtet – aufgrund eines Gewitters in der Nacht war es nicht zu schwül und es herrschten ,nur’ 24 bis 30° Celsius
HAILE GEBRSELASSIE – Hat Haile Gebrselassie sich durch eine Fehlentscheidung selbst um die Chance der olympischen Krönung seiner Laufbahn gebracht? Jörg Wenig in leichtathletik
Der äthiopische Ausnahmeläufer war in den letzten drei Jahren jeweils der schnellste Marathonläufer der Welt und brach 2007 in Berlin mit 2:04:26 Stunden auch den Weltrekord von Paul Tergat (Kenia). Im Januar lief er zudem bei seinem Sieg in Dubai mit 2:04:53 Stunden die bisher schnellste Zeit dieses Jahres. Aus Angst, durch den Smog in Peking danach nie mehr sein volles Leistungsvermögen erreichen zu können, verzichtete Haile Gebrselassie auf die mögliche Erfüllung seines Traums – Olympia-Gold im Marathon.
Stattdessen lief der 35-Jährige im 10.000-m-Rennen und hatte am Ende erwartungsgemäß keine Chance im Kampf um eine Medaille. Zu spurtstark ist die Konkurrenz um seinen knapp elf Jahre jüngeren Landsmann Kenenisa Bekele.
Doch nachdem im 10.000-m-Finale gute Bedingungen für die Läufer geherrscht hatten und auch das Wetter beim Marathon nicht so extrem war wie befürchtet – aufgrund eines Gewitters in der Nacht war es nicht zu schwül und es herrschten ,nur’ 24 bis 30° Celsius – stellt sich die Frage, ob Haile Gebrselassie gut beraten war, auf das klassische Rennen zu verzichten. Zumal weder im Marathon noch bei irgendeiner anderen Langstrecken-Entscheidung in Peking Smog irgendeine Rolle gespielt hat.
„Ich bereue die Entscheidung nicht, ich wollte die 10.000 Meter laufen“, erklärte Haile Gebrselassie nach seinem Rennen, das er als Sechster in 27:06,68 Minuten deutlich hinter Sieger Kenenisa Bekele (27:01,17) beendet hatte. Auch hinter dem zweiten Teil dieser Aussage gibt es ein Fragezeichen. Wollte vielleicht nicht eher nur der äthiopische Verband, dass Gebrselassie bei Olympia antritt? Das große Ziel von Haile Gebrselassie war in diesem Jahr nicht Peking. Es geht ihm vor allem darum, seinen Marathon-Weltrekord als Erster auf unter 2:04 Stunden zu drücken, denn er fürchtet, dass er ihn ansonsten bald an einen Kenianer verlieren wird. „Die Kenianer sind dicht dran, ich muss es vorher schafften“, sagt Haile Gebrselassie.
Deswegen läuft er am 28. September wieder in Berlin. Doch sechs Wochen vor dem Marathon-Höhepunkt nach Peking zu reisen und bei Olympia – wenn auch in Laufschuhen und nicht in Spikes – 10.000 m zu laufen, ist in einer wichtigen Trainingsphase auch keine ideale Vorbereitung für den Weltrekordversuch.
„Das Wetter hier ist sicher anders als erwartet, das konnte man nicht wissen. Aber man muss im Leben nun einmal Entscheidungen treffen. Wenn er in Berlin jetzt 2:03 Stunden läuft, dann ist alles okay“, sagt Gebrselassies Manager Jos Hermens und fügte nach dem 10.000-m-Finale noch hinzu: „Wenn in Berlin das Wetter so ist wie in Peking, dann ist es gut.“
Wer hätte das gedacht?
Jörg Wenig in leichtathletik