Seine Technik, sich zu motivieren, erinnert an viele, die es bis nach ganz oben geschafft haben. An den amerikanischen Schwimmer Michael Phelps etwa.
Guten Morgen, Olympiasieger – Hochspringer Raúl Spank hat eine einfache Motivationshilfe: Er steckt seine Ziele so hoch es nur geht.
Berlin – Kaum baumelte die Weltmeisterschaftsmedaille in Bronze um seinen Hals, redete Raúl Spank davon, der beste deutsche Hochspringer aller Zeiten werden zu wollen. Das war im August 2009 in Berlin. Als ein Jahr später die Europameisterschaft in Barcelona stattfand, durfte Spank wegen Formschwäche und Verletzungen nicht einmal mitfahren.
Doch jetzt, am Beginn einer neuen Hallensaison, sagt Spank wieder: „Ich will der beste deutsche Hochspringer werden – und Olympiasieger.“
Die Geschichte von Raúl Spank handelt keineswegs von einem Großmaul, das sich selbst überschätzt. Sie ist ein Lehrstück darüber, wie Leistungssport funktioniert.
Auch der Tag eines Leistungssportlers beginnt mit dem Aufstehen, und schon dabei hilft es dem 22 Jahre alten Dresdener, sich den Olympiasieg vorzunehmen. „Ich weiß dann einfach, wofür ich aufgestanden bin und das alles mache.“ Seine großen Ziele begleiten ihn den ganzen Tag über. „Ich werde immer wieder daran erinnert. Zum Beispiel im Kraftraum. Bei zehn Kniebeugen hilft es mir, die letzten zwei, drei noch rauszuquetschen.“
Ein Studium absolviert er dennoch parallel, Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Marketing im fünften Semester an der TU Dresden. In zwei Semestern will er seinen Bachelor geschafft haben. Vor einer Woche hat er einige Prüfungen absolviert, gerade rechtzeitig, um etwas Ruhe zu haben vor den deutschen Hallenmeisterschaften am nächsten Wochenende in Leipzig. 2,30 Meter möchte er dann springen, 2,36 Meter sollen es in dieser Saison noch werden, so hoch ist er bisher noch nie gesprungen. „Es ist als Motivation sehr wichtig, dass man in die Höhe möchte“, sagt er.
Vom Olympiasieg träumen viele, nur erzählen sie davon nichts. Spank hat sich bewusst für einen anderen Weg entschieden. „Ich will niemand belügen, der mich nach meinen Zielen fragt. Ich will kein Geheimnis daraus machen.“ Seine Erfolge bestätigten ihn dabei. Bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking wurde er auf Anhieb Fünfter. Beim Deutschen Leichtathletik-Verband erinnerte sich der Pressesprecher Peter Schmitt noch genau, wie Spank vor dem Wettkampf das Teambüro verließ mit den Worten: „So, und jetzt persönliche Bestleistung.“ Gesagt, getan, sein Ziel löste Raúl Spank mit 2,32 Meter ein.
Diese Höhe übersprang er auch ein Jahr später im Berliner Olympiastadion und landete damit bei der WM auf Platz drei. „Ich war nur einen Versuch entfernt vom Weltmeistertitel.“ Seine forsche Art schien wie das Markenzeichen einer neuen, unbekümmerten Generation von Leichtathleten zu sein.
Aber würde diese Unbekümmertheit auch Rückschläge überstehen? Spank verletzte sich am Fuß, musste viele Wettkämpfe auslassen. Als im Sommer 2010 der Höhepunkt der Saison anstand, die EM in Barcelona, wartete er vergeblich auf eine Nominierung. „Es ist bitter, sein Leistungsvermögen nicht zeigen zu können“, sagt er. Doch er hatte die Qualifikationsnorm nicht erfüllt und meist bestehen die Bundestrainer darauf, dass die Leichtathletik eine messbare Sportart ist und keine interpretierbare.
Doch das alles hat Spanks Zielen nichts anhaben können. „Nach diesem Jahr bedeuten meine Ziele eher mehr Druck, aber ich weiß, wo ich hin will.“ Muskuläre Dysbalancen, eine mögliche Ursache seiner Verletzungen, habe er durch ein gezieltes Training inzwischen ausgeglichen.
Seine Technik, sich zu motivieren, erinnert an viele, die es bis nach ganz oben geschafft haben. An den amerikanischen Schwimmer Michael Phelps etwa. Nachdem der 2008 in Peking mit nun 14 Goldmedaillen zum erfolgreichsten Olympioniken der Geschichte geschwommen war, zitierte er den Ratschlag seines Trainers Bob Bowman: „Träume groß, träume so groß, wie du kannst.“
Spank orientiert sich auch noch an einem anderen Rekordsieger, dem siebenmaligen Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher. „Der war schon Weltmeister und hat sich trotzdem immer weiterentwickelt.“
Bei so viel Zielen, bei so viel Zukunft scheint Raúl Spank dennoch die Gegenwart genießen zu können. „Hochspringen ist wie Naschen“, sagt er, „ich finde es großartig zu fliegen und dann von der weichen Matte aus der Latte beim Schaukeln zuzusehen.“
Friedhard Teuffel im Tagesspiegel, Donnerstag, dem 24. Februar 2011