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08
2025

European Athletics - U20 Championships 2025 - Tampere/FIN - Logo

Große Mannschaft – bescheidener Erfolg – Anmerkungen zur Europa meisterschaft der U20 in Tampere von Dr. Wolfgang Blödorn

By GRR 0

Am Sonntag endeten die U20-Europameisterschaften (EMU20) im finnischen Tampere.

„Beste Bedingungen also für die DLV-Talente, die darauf brennen, ihr Potenzial im Wettstreit mit der internationalen Konkurrenz unter Beweis zu stellen. Außer im Weitsprung der weiblichen U20 und im Gehen sind die deutschen Farben in allen Disziplinen vertreten“, hieß es im Vorbericht des DLV.

Weiter war dort zu lesen: „Elf von ihnen finden sich in der Meldeliste in den Top Drei wieder, 20 weitere lauern in den Top Acht auf ihre Chance.“ In das große Team wurden vom DLV reichliche Hoffnungen gelegt.

Zweitschlechteste Platzierung seit 2005

Mit 100 gemeldeten Athletinnen und Athleten reiste der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) nach Finnland. Wurde dieser große Kader samt umfangreichem Betreuer- und Trainerstab durch entsprechende Erfolge belohnt – oder war er eine Fehlinvestition?

Einen ersten Eindruck liefert Tabelle 1.

Tabelle 1: DLV-Medaillenspiegel bei den U20-Europameisterschaften 2005–2025

Das Ergebnis von 2025 liegt deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt – sowohl in der Platzierung im Medaillenranking als auch in der Gesamtzahl der Medaillen. Es ist das zweitschlechteste Abschneiden seit 2005.

Gleichwohl allen Athletinnen und Athleten, die eine Medaille oder eine Platzierung unter den Top Acht errangen, ein herzlicher Glückwunsch – ebenso Dank für ihren Einsatz und Kampfgeist.

Was machen andere Nationen besser?

Tabelle 2: Medaillenspiegel der Top-10-Nationen bei der EMU20 2025

Der DLV stellte mit Abstand das größte Team – was angesichts der Bevölkerungszahlen und der finanziellen Möglichkeiten auch zu erwarten ist. Umso überraschender ist das unterdurch-schnittliche Abschneiden im Medaillenranking. Mehrere kleinere Nationen schnitten nicht nur relativ, sondern auch absolut erfolgreicher ab. Das wirft Fragen zur Struktur der Leistungsförderung durch den DLV und seine Mitgliedsverbände auf.

Die Talentauswahl und Förderstruktur müssen hinterfragt werden

Was läuft in der Nachwuchsförderung des DLV nicht optimal? Es sollte als Außenstehender erlaubt sein, die Förderstrukturen im DLV kritisch zu hinterfragen, um sie gegebenenfalls verbessern zu können. Kleinere Nationen könnten in der Leistungsförderung in Teilen als Vorbild dienen. Sind die aktuellen Kriterien der Talentauswahl und die bestehenden Strukturen vielleicht sogar ein Hindernis für eine bessere Leistungsentwicklung? Offensichtlich besteht in den Strukturen der Leistungsförderung im Nachwuchsbereich ein Reformbedarf. Die Verbesserungen könnten von einer nachhaltigen Trainerausbildung flankiert werden.

Wo zeigt der DLV Schwächen?

Tabelle 3 verdeutlicht: Die männliche U20 schnitt unverkennbar schwächer ab als die weibliche U20. Sieben der acht Einzelmedaillen gewann der weibliche Bereich. Diese Überlegenheit war bereits bei der EMU23 zu beobachten. Es stellt sich somit die Frage: Welche strukturellen Faktoren führen dazu, dass die weibliche Nachwuchsarbeit erfolgreicher ist als die männliche?

Tab. 3: Platzierungen des DLV-Teams ohne Staffeln bei der EMU20 in Tampere 2025 nach Disziplinblöcken

Im Block Sprung und im Block Mehrkampf gab es keine Medaillen. Im Block Sprint und Lauf der männlichen U20 blieben die Podestplätze ebenfalls aus.

Die beiden Medaillen in den Staffeln sind kein Ersatz für Spitzeneinzelleistungen – sie verbessern zwar das Gesamtbild, kaschieren jedoch die Schwächen in der Einzelförderung. Gerade Schnelligkeit, als Basis für alle Lauf- und Sprungdisziplinen, muss hier stärker gefördert werden – auch im weiblichen Bereich.

Was war positiv?

Positiv hervorzuheben ist erneut der Block Wurf: Mit 40 % aller Top-Acht-Platzierungen stellte er wieder den stärksten Bereich. Offenbar funktioniert hier die Talentauswahl und Leistungsförderung gut – ein Modell, an dem sich andere Disziplinblöcke orientieren könnten.

Auch die Läuferinnen setzten positive Akzente:

Drei Medaillen gingen in den Laufbereich der weiblichen U20. Besonders erwähnenswert ist Jana Marie Becker, die mit einem taktisch klugen und couragierten Rennen über 800 m überzeugte. Nur eine Stunde später stellte sie sich in den Dienst der Mannschaft und lief als Schlussläuferin in der 4×400 m-Staffel zu Silber – eine bemerkenswerte Leistung!

In der Nationenwertung belegte das DLV-Team mit 147,5 Punkten den ersten Platz, vor Großbritannien (141,5) und Spanien (139). Angesichts der deutlich stärkeren Teamgröße relativiert sich der Vorsprung allerdings.

Ausblick

Nach den Weltmeisterschaften im September in Tokio finden im August 2026 in Birmingham die Europameisterschaften der Erwachsenen statt. Ob und wie sich insbesondere das gute Abschneiden bei der EMU23 dort in der Medaillenwertung niederschlagen wird, bleibt Spekulation. Ein Vergleich der Medaillenergebnisse seit 2005 zwischen EMU23 und EM der Aktiven könnte statistische Wahrscheinlichkeiten aufzeigen – ebenso eine Analyse der Leistungsentwicklung von Medaillengewinnern aus dem Nachwuchsbereich.

Erste Hinweise hierzu lieferte der Beitrag „Eine Studie zur Nachwuchsförderung im DLV“ auf der Webseite von GRR vom 15. 09. 2021, der bereits damals strukturelle Probleme in der Nachwuchsarbeit deutlich machte.

Dr. Wolfgang Blödorn

Großes Team – Starker Auftritt – Das DLV-Team bei den Europa meisterschaften der U23 – Von Dr. Wolfgang Blödorn

Die spezielle Ausdauer als Maß zur Bestimmung des Leistungs potentials im Lauf – Dr. Wolfgang Blödorn

Anmerkungen zu Pöhlitz‘ Beitrag „Wenn auf der Zielgerade die Sekunden verrinnen – Für die letzte Runde den Sieg vorbereiten“ – Dr. Wolfgang Blödorn*

Eine Studie zur Nachwuchsförderung im DLV – Von Dr. Wolfgang Blödorn

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author: GRR