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12
06
2010

Eine plausible Erklärung hat die Psychologin Laura Carstensen von der Universität Stanford. Ältere Menschen haben ihre Gefühle besser im Griff, vermutet sie.

Goldene Jahre – Dr. Harald Wewetzer vom Tagesspiegel fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin. Heute: Das Beste kommt jenseits der 50

By GRR 0

Nicht mehr lange, und ich habe meinen Tiefpunkt erreicht. Dann bin ich 50, und dann geht’s nicht weiter runter, sondern langsam bergauf.

Nicht mehr lange, und ich habe meinen Tiefpunkt erreicht. Dann bin ich 50, und dann geht’s nicht weiter runter, sondern langsam bergauf. Wenn Sie mich jetzt für etwas übergeschnappt halten, könnte sich das als vorschnell herausstellen. Denn eine neue Studie besagt, dass Menschen jenseits des fünften Lebensjahrzehnts glücklicher, sorgloser und weniger ängstlich sind, und zwar mit steter Tendenz nach oben.

Das Wohlbefinden ist eine U-Kurve: Man startet in jungen Jahren weit oben, ist mit 50 unten und erklimmt dann lichte Höhen. Mit 80 ist man besser drauf als mit 18 – erstaunlich, oder?

Das ist das Ergebnis einer Telefonumfrage unter rund 340 000 Amerikanern von 18 bis 85, angestellt von dem Psychologen Arthur Stone von der Universität von Stony Brook (New York) und dem US-Meinungsforschungsinstitut Gallup und veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Fachblatts „PNAS“.

Gefragt wurde nach der allgemeinen Zufriedenheit mit dem Leben und danach, wie man sich am Vortag gefühlt hatte, um so ein Stimmungsbild zu bekommen. Während das allgemeine Wohlbefinden durch besagte U-Kurve charakterisiert ist, trifft das nicht für alle Gefühle zu. So ist das Stressempfinden mit Anfang 20 am höchsten und sackt – vor allem jenseits der 50 – steil ab. Die „Zorn-Kurve“ verläuft eher sanft nach unten, die der Sorge kippt nach dem 50. in die Tiefe und in Sachen Traurigkeit bleibt über die Jahrzehnte alles, wie es ist, wenn auch auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Man ist eben auch mal traurig, das ist ganz normal.

Dass es einem mit den Jahren gefühlsmäßig besser geht, ist nicht nur eine Erscheinung der westlichen Kultur und es hat offenbar auch nicht überwiegend etwas mit den typischen Erfahrungen einer Generation zu tun. Woran aber könnte es liegen, dass man ausgeglichener wird, obwohl objektiv gesehen dazu eher wenig Grund besteht, weil man schließlich altert und der Körper sich zunehmend negativ bemerkbar macht?

Die Wissenschaftler schauten, ob es einen Unterschied machte, welches Geschlecht der Interviewte hatte, ob Kinder zuhause waren, ob es einen Partner gab oder die Person arbeitslos war. Aber diese Faktoren konnten nicht den Knick nach oben in der Lebensmitte erklären. „Es ist sehr ermutigend, dass wir erwarten dürfen, in den früher 80ern glücklicher zu sein als in unseren 20ern“, kommentierte der englische Glücksforscher Andrew Oswald gegenüber der „New York Times“. „Und das hängt kaum damit zusammen, was sich im Leben zugetragen hat. Es ist etwas sehr tief und ganz und gar Menschliches, das sich anscheinend dahinter verbirgt.“

Eine plausible Erklärung hat die Psychologin Laura Carstensen von der Universität Stanford. Ältere Menschen haben ihre Gefühle besser im Griff, vermutet sie.

Man ist sich der Tatsache bewusst, dass die Lebenszeit allmählich schwindet und wird sorgfältiger und wählerischer bei der Frage, worauf man seine Aufmerksamkeit richtet.

Wer älter wird, wird auch wesentlicher.

Dr. Hartmut Wewetzer leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegel. Sonntag, dem 6. Juni 2010

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