Jochen Uhrig, der Sieger im Ziel ©Wilfried Raatz/ wus-media
Glanzvolle Premiere am Stilfserjoch – Neues Highlight der (Berglauf-)Marathonszene – 700 Finisher bei der Marathon-Erstauflage auf das Stilfserjoch mit 2350 Höhenmetern – Wilfried Raatz berichtet
Die Premiere des Stelvio Marathon hätte nicht glanzvoller ausfallen können, denn Bilderbuchwetter begleitete das Engagement des neu gegründeten Vereins ASV Stelvio Marathon auf der überaus schweren Strecke von Prad am Stilfserjoch zum Stilfserjoch auf 2 757 Metern.
Knapp 700 Läufer aus 17 Nationen wollten bei der Premiere dabei sein – und sie alle Zeuge einer überaus bemerkenswerten Premiere sein.
Und übereinstimmend fiel aber auch das Urteil nach Kräfte zehrenden 42,195 km aus: Die als eine der härtesten Marathonprüfungen überhaupt kategorisierte Strecke hat das Potential zu einer der bedeutendsten Veranstaltungen in Europa.
Vergleiche zu den über ebenfalls die Marathondistanz führenden Läufe in Zermatt, Brixen oder vor dem majestätischen Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau in Interlaken sind angebracht, zumal die Laufdauer von 3:45 bis 8:05 Stunden reichte.
Es ist sicherlich ein Novum, dass die zweithöchste Passstraße der Alpen für Stunden für die Fußläufigen freigehalten wird, so sonst vornehmlich Hunderte von (Motor-)Bikern die 48 Kehren durch die hochalpine Landschaft mit ihren Schneefeldern und dem Blick auf den 3905 m hohen Ortler hochdonnern oder cruisen, je nach Gusto. Ausnahme neben den Läufern wird dabei nur noch für die Radtouristen gemacht, die die legendäre Zielankunft der Tour d’Italia nachstellen möchten.
Auch wenn die einschlägige Literatur unterschiedliche Aussagen über die Rangfolge der höchsten Passstraßen der Alpen mit dem Col de la Bonette (mit einer maximalen Straßenhöhe von 2802 m. der Passhöhe aber von 2715 m), dem Col de l’iseran (2764) und dem Stilfserjoch (2757 m) zeigen, den Bergläufern konnte es an diesem Tag gleichgültig sein, für viele war es der „härteste, aber auch schönste Berglauf“.
Das Starterfeld, für das ASV-Präsident Peter Pfeifer und Organisationschef Gerald Burger verantwortlich zeichneten, konnte sich sehen lassen. Mit Hermann Achmüller aus dem Pustertal, Gerd Frick aus Meran, Thomas Niederegger aus dem heimischen Vinschgau und dem britischen Ass Martin Cox und der zur 100 km-Weltspitze zählenden Monica Carlin aus dem Trentinischen war Prominenz angesagt, die Premierensieger jedoch sollten etwas überraschend andere werden.
Wohl niemand hatte dabei den aus dem nordbadischen Weinheim stammenden Jochen Uhrig auf der Liste, der völlig überraschend bei seinem allerersten Berglauf gleich die erfahrene Konkurrenz mit einem letztlich souveränen Sieg in 3:45:30 Stunden bezwang.
„Mein Problem war, dass ich eigentlich niemand kannte. Vielleicht noch Hermann Achmüller als Pacemaker für die Hahner-Twins. Und zudem noch niemals so etwas gelaufen war. Mein einziges profiliertes Rennen war bislang lediglich der Heidelberg-Halbmarathon, der allerdings nur 400 Höhenmeter hat!“
Wahrhaftiges Zuckerschlecken gegen die 2 350 Höhenmeter von Prad zur Passhöhe. Aber Jochen Uhrig kennt zumindest die zahllosen Kehren hinauf auf 2757 Meter. „Ich bin früher oftmals mit dem Rad zum Stilfserjoch gefahren. Deshalb war für mich auch klar, dass ich dieses auch zu Fuß einmal in Angriff nehmen wollte!“
Gesagt getan, aus einer abwartenden Haltung heraus, bei Streckenhälfte in Stilfs hatte er als Vierter noch einen Rückstand auf den zeitweise führenden Marco Ferrari, lief es in den Kehren immer besser für den studierten BWLer. „Vier Kilometer vor dem Ziel überholte ich Gerd Frick und konnte mich auch sogleich etwas absetzen!“ Am Ende waren es drei Minuten, die den „Flachländer“ vom Bergspezialisten Gerd Frick, der vor Wochenfrist noch den LGT-Marathon als Vierter beendete, trennten.
Zwölf Sekunden zurück folgte mit dem Schweizer Christoph Schefer bereits der Dritte, der seinen Angriff auf Rang zwei auf der Zielgeraden wegen eines Krampfes allerdings rasch abbrechen musste. Hinter Mario Ferrari (3:52:18) folgte mit Thomas Niederegger (3:57:58) einer der Favoriten.
Mit Hermann Achmüller lief ein anderer Sieganwärter (mit Selfie-Aufnahmen) offenbar im Schongang ins Ziel, er möchte bei seinem Heimspiel, dem Brixen-marathon, schon in zwei Wochen wieder an der Startlinie stehen. Auf den Rängen 12 und 13 kamen mit dem für den SSC Hanau-Rodenbach startgenden Jörn Harland (4:11:43) und Martin Cox (4:14:28) weitere Promis ein.
Für Jochen Uhrig könnte der Erfolg am Stilfserjoch der Startpunkt für eine weitere Karriere (die erste endete als Radamateur mit der U23-Kategorie) sein. „Warum nicht. Ich kann mir das schon vorstellen!“ Dem Zufall jedenfalls hat Jochen allerdings überlassen, denn in seinem zweiwöchigen Urlaub in Toblach und Schlanders war er schon einmal auf der Strecke – und dürfte sich seinen „Schlachtplan“ gegen die Spezialisten schon zurechtgelegt haben.
Vergeblich wartete man hingegen im Ziel auf die Frauen-Favoritin, die zur 100 km-Weltklasse zählende Monica Carlin – doch die Ultraläuferin kam nicht, auch nicht im weiteren Feld der 72 Frauen. Stattdessen konnte sich die bereits 51jährige Edeltraud Thaler feiern lassen. Die fünffache Siegerin des Brixen-Marathon überquerte nach 4:30:46 Stunden als überlegene Siegerin die Ziellinie. „Damit habe ich nun gar nicht gerechnet! Dafür ist der Sieg nun umso schöner!“
Die Schweizerin Paola Vollmeier gehört wie die Siegerin bereits der Mastersklasse F 50 an und durfte sich als Zweite nach 4:41:36 feiern lassen, Francesca Scribani aus Cortina d’Ampezzo wurde Dritte (4:48:40). „Das ist der schönste Marathon, den ich bislang gelaufen bin. Er ist aber auch brutal hart!“, freute sich Elke Keller von der LG Filstal über Rang sechs und Rang drei in der F50-Wertung nach 5:03:06 Stunden.
Einen weiteren deutschen Erfolg gab es über die 26 km lange „Classic“-Distanz (mit 2350 Höhenmetern) durch den Triathleten Andreas Schindler von der LG Steinlach-Zollern in 2:43:49 Stunden und deutlichem Vorsprung vor Marco Maini (2:27:18), Roland Osele (2:48:58) und Stephan Tassani-Prell (2:49:35), der zudem Zweiter in der M45-Wertung wurde.
Dahinter folgte bereits als Fünfte des Gesamteinlaufes mit Agnes Tschurtschenthaler die schnellste Läuferin. Sie benötigte für die selektive Strecke 2:49:56, womit sie klar vor Julia Bongiovanni (TV Schriesheim) lag, die ihr Bergabenteuer nach 3:14:08 Stunden abschließen konnte.
„Ich glaube, wir haben eine phantastische Premiere erleben dürfen!“ freut sich Gerald Burger im Zieltrubel auf dem Stilfserjoch. „Das Wetter hat uns zweifellos geholfen, aber der Rest muss einfach auch stimmen. Endlich konnten wir die Idee, die wir bereits seit 19 Jahren hatten, in die Tat umsetzen. Ich bin mir sicher, mit der Werbung der gelungenen Premiere können wir im kommenden Jahr bereits mit über 1000 Teilnehmern rechnen!“.
Gerald Burger kennt derartige Entwicklungen bereits aus eigener Erfahrung, denn der ebenfalls von ihm in verantwortlicher Position organisierte 15 km lange Reschenseelauf hat derweil schon über 3.500 Teilnehmer.
Wilfried Raatz