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27
07
2015

2011 MetroGroup Dusseldorf Marathon Dusseldorf, Germany May 8, 2011 Photo: Victah Sailer@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-741-1865 www.photorun.NET

Gefahr ohne Symptome – Interview mit Dr. med. Willi Heepe, Praxis für Allgemein- und Sportmedizin und präventive Kardiologie Berlin – Von Wolfgang Weising in LAUFZEIT & CONDITION

By GRR 0

Bluthochdruck (Hypertonie) betrifft einen Großteil der Bevölkerung und somit auch nicht wenige Freizeitsportler. Oft wird die Krankheit nicht erkannt und somit auch nicht behandelt.

Andere, zumal sportlich Ambitionierte, nehmen ihre hohen Blutdruckwerte auf die leichte
Schulter.  LAUFZEIT & CONDITION befragte den erfahrenen Arzt Dr. med. Willi Heepe, langjähriger Leiter des medizinischen Dienstes beim  BERLIN-MARATHON und bis heute u. a. in der Leistungsdiagnostik und präventiven medizinischen Beratung tätig, zum Thema Sport und Bluthochdruck –

Dr. med. Willi Heepe zeigt auf, wie beides zusammengehen kann …

Bevor wir zum Problemfeld Bluthochdruck kommen. Ist auch zu niedriger Blutdruck ein Problem für Sporttreibende?

Der niedrige Blutdruck wird gern noch als Krankheit diskutiert. In der Tat hat er  Krankheitswert bei Patienten mit Herzschwäche entweder im Alter oder nach
krankhaften Prozessen, die den Herzmuskel betreffen oder letztlich bei total immobilen Menschen. Wer regelmäßig Dauerleistungstraining betreibt, entwickelt zwangsläufig einen niedrigen Blutdruck ohne jeden Krankheitswert. Dieses Phänomen ist physikalisch zu erklären. Regelmäßiges Training lässt im gesamten Körper, insbesondere in der Muskulatur, viele kleine Blutgefäße (Kapillaren) sprießen sodass die arterieovenöse Sauerstoffdifferenz messbar zunimmt. Damit vergrößert sich das gesamte Röhrensystem des Körpers und kann sich den Luxus eines niedrigen Blutdrucks und eines geringeren zirkulierenden Blutminutenvolumens erlauben.

Fazit: Der niedrige Blutdruck ist bei gut trainierten Dauerleistern Normalzustand ohne Krankheitswert und ein entscheidender Grund für die dokumentiert längere Lebenserwartung.

Man hört, mit Bluthochdruck sei nicht zu spaßen, warum diese Warnung?

Die arterielle Hypertonie oder auch einfach Bluthochdruckkrankheit ist eine Volkskrankheit. Sie trifft im Laufe des Lebens annähernd jeden vierten Europäer. Ihre Besonderheit: sie verläuft völlig symptomlos. Im Gegenteil: Hochdruckkranke fühlen sich in ihrer krankhaften Blutdruckregulation ausgesprochen wohl und sind lange Zeit extrem leistungsfähig sowohl körperlich als auch geistig und auch sexuell. Die Wende kommt für viele überraschend und nicht selten plötzlich.

Hochdruck lässt die Blutgefäße verhärten und nimmt ihnen langfristig die lebensnotwendige Elastizität. Insbesondere betroffen sind die Nieren, das Gehirn und letztlich auch das Herz. Am Herzen spielt der Blutdruck eine ganz besondere Rolle.

In der Frühform des Bluthochdrucks sieht ein Sportherz und ein Hochdruckherz beinah ähnlich aus. Beide Mechanismen bedingen eine muskuläre Anpassung an die höhere Leistung, wobei Sport eher eine Volumenbelastung und Hochdruck eher eine Druckbelastung darstellt. Entsprechend wachsen bei Training und Herzanpassung die Blutgefäße mit. Beim Hochdruck wachsen die Blutgefäße nicht mit.
Das Hochdruckherz ist jederzeit bei hohen Belastungen in Lebensgefahr zu bringen. Eine ganz besondere Rolle spielt Sport, mit Hochdruck gepaart. Noch vor wenigen Jahren  glaubten wir in der Sportmedizin, Blut  hochdruck mit Sport zu behandeln. Diese Einstellung war ein großer Irrtum.
Die Doppelbelastung Bluthochdruck und Überlagerung durch Sport hat sehr viele Herzen in der Vergangenheit geschädigt. Erfreulicherweise ist dieser Irrtum heute beseitigt. Die moderne Einstellung lautet: Bluthochdruck medikamentös einstellen und dann Freischalten für Sport. Und noch ein ganz wichtiger Punkt ist anzugeben.
Nach jüngsten Forschungsergebnissen wissen wir, dass ein nicht oder schlecht behandelter Bluthochdruck ein wesentlicher Risikofaktor für die Altersdemenz ist. Diese Tatsache müsste eigentlich jeden Bluthochdruckkranken ganz schnell in  ärztliche Behandlung treiben.

Was sind die Ursachen für zu hohen Blutdruck?

Zu den Ursachen der arteriellen Hypertonie ist Folgendes anzugeben: Etwa 80 Prozent der Erkrankungen sind genetisch bedingt. Wie ein roter Faden zieht sich diese Krankheit durch viele Familien. Das Eintrittsalter liegt meistens zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Einfach ausgesprochen gibt es eine Altersprogredienz, die auch noch überlagert werden kann durch Rauchen, Übergewicht und Stress.
Organische Ursachen gibt es ebenfalls, wie bestimmte Nieren- und Herzerkrankungen oder auch Schilddrüsenfunktionsstörungen. In seltenen Fällen können auch endokrine Störungen, also Störungen bei der Hormonbildung, Bluthochdruck auslösen.

Sind Sportler mit Bluthochdruck besonders gefährdet? Dennoch gilt, dass moderate sportliche Bewegung der Normalisierung des Blutdrucks dienen kann?

Wer mit nicht behandelten Bluthochdruck Sport treibt, drückt unter der Belastung das Blut aus den unter der Herzinnenhaut gelegenen Muskelschichten zurück und sorgt damit für eine Innenschicht-Sauerstoffmangelzone. Darüber hat schon Leonardo da Vinci philosophiert. Die Zeit, in der wir geglaubt haben, durch Sport einen Hochdruck zu normalisieren, liegt hinter uns. Heute gilt: Erst ist eine optimale medikamentöse Einstellung angesagt und dann kommt der Sport. Langfristig ist mit sportlichem Tun der Medikamentenbedarf deutlich reduzierbar. Jeder Sportler sollte angehalten werden seine Werte selbst zu kontrollieren und das selektierte Therapieprinzip selbst zu variieren. Unstrittig ist auch, dass bei genetischer Veranlagung frühzeitig begonnener und regelmäßig ausgeführter Sport das Auftreten in höhere Lebensjahre hinausschieben kann.

So sieht die Prognose bei lebenslangen Sportlern wesentlich günstiger aus.

Können Menschen, die regelmäßig blutdrucksenkende Medikamente einnehmen, bedenkenlos Sport treiben? Welche Besonderheiten gelten für Läuferinnen
und Läufer mit Hypertonie?

Problematisch ist die Tatsache, dass sportmedizinisches Grundlagenwissen in der
Ausbildung des Arztes nicht oder kaum gelehrt wird und daher viele Ärzte mit der besonderen Situation des Trainierten Schwierigkeiten haben, eine optimale Medikation zu selektieren. Der an Bluthochdruck erkrankte Sportler hat einen hohen Anspruch an Lebensqualität. Viele gängigerweise verordnete Medikamente haben diesbezüglich erhebliche Einschnitte zur Folge.

Jedem sporttreibenden Hochdruckerkrankten lege ich nahe, sich einen Arzt, beziehungsweise eine Ärztin zu suchen, der oder die möglichst selbst Sport treibt und Kenntnisse der besonderen Kreislaufsituation von Sportlern besitzt. Es gibt Medikamentengruppen, die Trainierten grundsätzlich nicht gegeben werden sollten. Es gibt nicht zwei gleich Erkrankte. Jeder Fall von Hypertonie benötigt ein sorgfältiges, der Individualität angepasstes Therapieregime. Nur dann sind Sportlerinnen und Sportler auch in der Lage und willens, die Medikation zu akzeptieren. Das Fazit in dieser Frage lautet – ein gut eingestellter Bluthochdruck limitiert Erkrankte auf keine Art und Weise.

Einschränkungen gelten für Erkrankte, die sehr spät zum Arzt gehen und schon eine Vorschädigung ihres Herzens aufweisen. Daraus ergibt sich die wichtigste Erkenntnis, so früh wie möglich mit der Therapie zu beginnen.

Gibt es Verbote für Streckenlängen oder Laufintensität (Pulswerte) bei Bluthochdruck?

Und noch einmal: Ein gut eingestellter Bluthochdruckler unter der Bedingung, dass rechtzeitig mit der Therapie begonnen wurde, keine Vorschädigung des Herzens vorliegt, ist belastbar wie jeder Normaldruckler in Intensität und Streckenlänge.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Pulsfrequenz und Blutdruck bei Belastung?

Der Zusammenhang zwischen Blutdruck und Pulsfrequenz entspricht einem absolut individuellen regulativen Prinzip. Es gibt Sportler, die mit Training sehr früh ansprechen und niedrige Pulsfrequenzen halten und andere reagieren genau umgekehrt. Für den erfahrenen Sportmediziner gilt die heilige Dreieinigkeit: Optimal ist, wenn unter definierter ansteigender
Belastung Leistung, Herzfrequenz und Blutdruck absolut harmonisch parallel ansteigen.

Manchmal muss man die Therapie lange variieren, bis man dieses Ziel erreicht hat. Wird es erreicht, fühlen sich Patient und Arzt wohl. Gleichzeitig ist das bestehende Risiko dieser Krankheit minimiert oder sogar ausgeblendet.

Aufkommender Bluthochdruck kann auch unbemerkt bleiben. Wie sollten Läuferinnen und Läufer die Selbstkontrolle vornehmen? Zu welcher Tageszeit und in welchen Zeitabständen sollte der Blutdruck kontrolliert werden?

Leider ist die arterielle Hypertonie eine fiese Krankheit, sie kommt schleichend und, wie eingangs schon erwähnt, ganz leise ohne Symptome. Daher wird sie beinah immer sehr spät erkannt. Wir haben gelernt, uns regelmäßig die Zähne zu putzen – zum Tagesablauf sollte auch gehören, sich regelmäßig den Blutdruck zu messen. Nicht die situativen Werte sind
relevant. Wichtig ist der Morgenwert, denn jeder Mensch schüttet zur gewohnten Aufstehzeit seine ersten Stresshormone in die Blutbahn und hat damit immer morgens einen repräsentativ hohen Wert.
Zum Feierabend legen wir immer noch einmal ein paar Stresshormone nach. Diese beiden Werte sind wichtig. Ein regelmäßig durchgeführtes Belastung-EKG mit sorgfältigst  gemessenen Blutdruckwerten gehört in etwa halbjährlichen Abständen zum Pflichtprogramm, gegebenenfalls erweitert durch eine Langzeitblutdruckmessung.

Wie genau sind handelsübliche Blutdruckmessgeräte? Welche Bauart ist zu empfehlen?

Unkompliziert und einfach zu handhaben sind die Handgelenkgeräte. Sie sind sehr genau unter der Bedingung, dass man die Hand in Herzhöhe hält. Hier werden häufig Fehler gemacht. Wenn die Gebrauchsanweisungen eingehalten werden, gehören sie auf Platz eins. Selbstverständlich sind die Oberarmgeräte ebenfalls empfehlenswert, sie sind lediglich etwas unhandlicher. Wichtig ist Folgendes: Bei extremen Handgelenks- oder Oberarmumfängen
sind Korrekturen zu berücksichtigen.

Die Fragen stellte Wolfgang Weising – in LAUFZEIT & CONDITION – 7 + 8/2015

www.laufzeit-condition.de

Der gesamte Beitrag aus LAUFZEIT & CONDITION ist als pdf download mit Bildern und weiteren Statistiken ganz am Ende aller Beiträge zu lesen.

Alarmglocken

Bluthochdruck ist eine Volkskrankheit ohne Symptomatik und ohne Beschwerderelevanz und wird leider noch immer von vielen Menschen nicht ernst genommen.

Nur eine konsequente, sorgfältig ausgesuchte Medikation, gepaart mit Eigenkontrolle und Eigenkorrektur dieser Medikation, mit ganz regelmäßiger Therapietreue, gewährt heute einen sicheren Schutz vor den Folgen dieser Volksseuche.

Die Summe der Folgekrankheiten eines nicht behandelten Bluthochdrucks ist erschreckend, als da sind: Schlaganfall, Herzinfarkt, Nierenschädigung bis zum Nierenversagen, frühe Demenz, erektile Dysfunktion inklusive Libidoverlust und zahlreiche weitere Organschäden sowie psychische Folgeschäden.

Das müsste bei jedem Betroffenen die Alarmglocken klingeln lassen.  

W. H.

Hier die Online-Petition zum Unterstützen gegen die DLV-LAUFMAUT: 

Online-Petition "Stoppt die DLV-Laufmaut"

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Viele weitere Beiträge der Medizin und Sportmedizin finden auf der GRR-website: "MEDIZIN":

"MEDIZIN und SPORTMEDIZIN auf GRR"

Praxis Dr. Willi Heepe – Berlin

Praxis Dr. med. Willi Heepe
Caspar-Theyss-Straße 29 
Martin-Luther-Krankenhaus,
14193 Berlin 

Telefon: +49 (30) 99 19 49 20
Fax: +49 (30) 26 93 13 01

E-Mail-Adresse 1: wh@praxis-willi-heepe.de
E-Mail-Adresse 2: heepe-berlin@t-online.de

Öffnungszeiten / Termine

Bitte vereinbaren Sie Sprechstunden telefonisch – unter (030) 99194920 – oder per E-Mail

Dr. Willi Heepe ist praktischer Arzt und Sportmediziner.
Seit über zwanzig Jahren liegt der Schwerpunkt seiner Tätigkeit als niedergelassener Arzt in der medizinischen Betreuung von Menschen, denen ein Leben in Bewegung Herzensangelegenheit ist. Hierzu gehören professionelle Ausdauersportler, aber auch Patienten mit Bluthochdruck und Herzerkrankungen.

Dr. Heepe ist Fachbuchautor; seine Artikel zum Ausdauersport erscheinen regelmäßig in aktuellen Zeitschriften (beispielsweise Runners World und Laufzeit). Er ist außerdem ein geschätzter Dozent zu den Themen Sportmedizin, Ausdauertraining und Kardiologie.

Willi Heepe war viele Jahre lang Medizinischer Direktor des Berlin-Marathon. Er ist fünfzigmaliger Marathonfinisher und auch im Alter von 70 Jahren ein aktiver Repräsentant jener »Laufkultur«, für deren Entwicklung er sich in Deutschland schon so lange engagiert.

Weitere Beiträge von Dr. Willi Heepe bei GRR:

Bewegung kontra Massenphänomen – Sport und Diabetes mellitus – Dr. med. Willi Heepe in LAUFZEIT & CONDITION

Training im Winter – Tipps von Dr. Willi Heepe, dem langjährigen Medical-Director des BERLIN-MARATHON

Bluthochdruck und Ausdauersport – Dr. Willi Heepe, der langjährige Medical Director des BERLIN-MARATHON und SCC-RUNNING fasst zusammen welche Aspekte bei diesem Thema eine Rolle spielen und worauf zu achten ist.

Marathonarzt Dr. Willi Heepe: „In das Alter hineinlaufen, aber nicht dem Alter davonlaufen" – Was macht Sinn? Für jeden ist der Blick in den Spiegel seines Lebens das Entscheidende, jeder über 35- oder 40-jährige Läufer sollte daran denken, dass möglicherweise der Lebenslauf in seinen Gesundheitspass schon eine Narbe oder schon ein Merkmal geschrieben hat

„Schlecht trainiert zum Marathon – das tut dem Herzen nicht gut" – Marathon-Arzt Dr. Willi Heepe nimmt Stellung 

GRENZERFAHRUNGEN – Was passiert im Körper? Ultraläufe aus sportmedizinischer Sicht – Dr. med. Willi Heepe in LAUFZEIT – Welche gesundheitlichen Risiken liegen in Läufern jenseits des Marathonlaufens?

Plötzlicher Herztod bei jungen Sportlern – Ruhe ist die einzige Therapie – Dr. med. Willi Heepe in LAUFZEIT – Die Myokarditis oder Herzmuskelentzündung.

Sporttote verhindern! Von Dr. Willi Heepe – dem Berliner Marathon-Arzt – Die wichtigste medizinische Sicherung jedoch liegt in der gesundheitlichen Verantwortung eines jeden Sportlers für sich selbst und damit für die Familie.

Weitere weitere Beiträge von Dr. Willi Heepe finden auf der GRR-Medizinseite – benutzen Sie die "Suchfunktion"! 

Hier die Online-Petition zum Unterstützen gegen die DLV-LAUFMAUT: 

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