Friedhard Teuffel outet sich im Tagesspiegel: Mein Lieblingssport LEICHTATHLETIK ©privat
Friedhard Teuffel outet sich im Tagesspiegel: Mein Lieblingssport LEICHTATHLETIK
Meine große Liebe ist Tischtennis. Das muss ich vorweg schicken. Im Tischtennis bin ich zu Hause, aber die Leichtathletik ist meine heimliche Geliebte geworden. Es gab schon früh ersten Körperkontakt. Auch im Hof meiner Mainzer Grundschule lag hinten in der Ecke eine Weitsprunggrube, und der Sand darin war immer kalt und feucht, da konnte es auch seit drei schönen Augustwochen nicht geregnet haben.
Die Bundesjugendspiele fand ich großartig, dieses schwarz-weiße Klappholz, mit dem unsere Sportlehrerin 50 Meter weit entfernt den Startknall zum Sprint gab. Und ich habe wirklich ganz kurz geglaubt, Karl Carstens hätte meine Ehrenurkunde persönlich unterschrieben, um mir zu meiner Leistung zu gratulieren.
Auf die Idee, Leichtathletik in einem Verein zu machen, wäre ich trotzdem nie gekommen. Rennen konnte ich doch auch so. Und ich rannte viel. Laufen finde ich wie eine Befreiung. Dass ich ein Leichtathlet bin, wurde mir allerdings erst viel später klar. Manche Coming-outs brauchen eben ihre Zeit.
1993 fand die WM in Stuttgart statt. Ein großes Fest. Ich saß vor dem Fernseher und erlebte so viel Spannung. Da hatte die Leichtathletik mich noch mal locken wollen, und ich bin trotzdem nicht zu ihr gekommen. Es blieb eine Fernbeziehung. Ich bewunderte sie im Fernsehen oder im Stadion, nach meinem Umzug nach Berlin beim Istaf im Oberring.
Inzwischen schreibe ich als Sportreporter auch über Leichtathletik. Das ist, wie immer bei einer heimlichen Geliebten, ein Spiel mit dem Feuer. Ich sitze dann im Stadion und schaue den Athleten zu. Im Kreis zu laufen kann so ästhetisch sein. Tja, und wenn das 400-Meter-Rennen vorbei ist, kommen noch die 3000 Meter Hindernis oder die 5000, ich sitze jedenfalls da und schaue, und in der Redaktion regen sich alle auf, dass ich meinen Text wieder so spät schicke.
Noch kurz zu meinem Coming-out: Ich habe irgendwann bei der Teamstaffel im Tiergarten mitgemacht. Danach bin ich auf einmal losgelaufen. Jede Woche. Manchmal jeden Tag. Wir hatten uns gefunden, die Leichtathletik und ich. Ich lief den Halbmarathon. Ich lief den Marathon. Im Ziel drückte mir ein Helfer einen Apfel in die Hand. Er sah aus wie einer dieser Äpfel, die im Supermarkt in den eingeschweißten Sechserpacks liegen. Vom Brandenburger Biobauern kam er bestimmt nicht.
Trotzdem habe ich in meinem Leben noch nie etwas Besseres gegessen.
Vielleicht hätte mich die Leichtathletik einfach früher mit einem Apfel verführen sollen.
Friedhard Teuffel Tagesspiegel, Freitag, dem 3. August 2012
PS von den webmastern: Das haben wir alle nicht gewußt und auch nicht geahnt!