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12
07
2021

Endlich wieder rennen, spielen und Freunde treffen -  Foto: Horst Milde

Freizeit- und Breitensport: In den Vereinen geht es wieder los – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Aus dem Milliardenprogramm „Aufholen nach Corona“ ergießen sich Abermillionen über den Freizeit- und Breitensport. Viele Angebote richten sich an Kinder und Jugendliche.

Sport im Verein und auf dem Land, sagt Frank-Walter Steinmeier, sei mehr als Sport und Bewegung, sondern bedeute besonders für Kinder: Freunde und Freundinnen zu treffen. Diese zu unterstützen lässt der Staat sich einiges kosten. Der Bundespräsident hat in seiner Gesprächsreihe #miteinander in dieser Woche im Livechat Dennie Rufflett getroffen, den er fröhlich als Herrn Präsidenten ansprach.

Rufflett sitzt dem FC Deetz vor und noch dazu dem Fußball Kids Club, was ihm in dem Ort an der Havel mit tausend Einwohnern einen gewissen Rang sichert. Steinmeier ließ sich das Durchhalten, die Aufmunterung während des Lockdowns und der erzwungenen Passivität schildern, als der Verein die Kinder mit Briefen, mit Video-Training des Maskottchens, mit der Verleihung einer Tapferkeitsmedaille bei der Stange hielt und mit einer mobilen Weihnachtsfeier, bei der es in geschmückten Autos über die Dörfer ging. Praktisch alle Mitglieder hielten ihrem Verein die Treue.

Nun also geht es wieder los in den rund 90.000 Sportvereinen Deutschlands, beim FC Deetz läuft bereits das zweite Sommer-Camp. Und aus dem Milliardenprogramm „Aufholen nach Corona“ ergießen sich Abermillionen über den Freizeit- und Breitensport und dessen Bewegungsangebote für Kinder, Jugendliche und Familien. Stellvertretend für all jene, die sich ehrenamtlich engagieren und die nun, da der Sport wieder in die Gänge kommen soll, dringend zurückerwartet werden, dankte Steinmeier dem Vereinspräsidenten: „Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wir können das, was Sie leisten, gar nicht hoch genug anerkennen.“

Die Führung des FC Deetz sollte sich erkundigen, aus welchen Programmen sie noch in diesem Jahr Förderung beantragen kann. Denn über die Anerkennung vom Staatsoberhaupt hinaus wird ein ordentlicher Batzen von den zwei Milliarden Euro, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in diesem und dem nächsten Jahr zum Aufholen in Bildung und Entwicklung zur Verfügung stellt, seinen Weg in den Sport finden.

Besonders attraktiv für Vereine dürfte der Blick in die Ausschreibungen der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) sowie der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) sein. Beide erhalten zusätzlich 130 Millionen Euro für ihre Arbeit. Mit 100 Millionen Euro vom Ministerium soll die DKJS unter anderem einen Zukunftsfonds für Projekte und Angebote außerhalb des Unterrichts zur Unterstützung und Begleitung von Kindern und Jugendlichen schaffen. Die Angebote richten sich bundesweit an Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen und sollen sie in ihrer Persönlichkeitsbildung wie in ihrer geistigen und körperlichen Gesundheit stärken. Das Programm werde demnach auch Angebote fördern, sagt eine Sprecherin des Ministeriums, die Sport und Bewegung von Kindern und Jugendlichen in Kitas und Sportvereinen unterstützen.

Die Angebote richten sich bundesweit an Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen und sollen sie in ihrer Persönlichkeitsbildung stärken.

„Wir sehen in unserer täglichen Praxis in ganz Deutschland, dass Sport und Bewegung eine große Rolle für das Wohlbefinden und für gute Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen in unserem Land spielen. Auch und gerade in Zeiten der Corona-Pandemie“, sagt Anne Rolvering, Vorsitzende der DKJS-Geschäftsführung. „Im Rahmen unserer Aufgabe für das Bundesfamilienministerium verfolgen wir daher neben dem Hauptziel, Kinder und Jugendliche in ihrer Persönlichkeitsbildung zu begleiten, auch das Ziel, ihre physische und psychische Gesundheit zu stärken. Im Rahmen unseres Programms AUF!leben wird es daher einen Zukunftsfonds geben, über den verschiedene Angebote gefördert werden können, die auf die aktuellen Bedarfe von Kindern und Jugendlichen reagieren.“ Seit 2015 brachte die Stiftung in dem Projekt „Willkommen im Fußball“ an vielen Orten Profiklubs, Amateure und lokale Bildungsträger zur Integration junger Geflüchteter zusammen. Von der Erfahrung wird, hoffentlich, AUF!leben profitieren. Sport ist in diesem Jahr auch Gegenstand einer Informationskampagne, die bei der Berufswahl helfen soll.

Die DSEE ist, was die Ausschreibungen angeht, schon weiter. Vom 15. Juli an nimmt sie einen Monat lang Bewerbungen an von Vereinen, die entweder in strukturschwachen oder ländlichen Räumen engagiert sind, die Innovationen umsetzen wollen, um den Rückstand aufzuholen, oder die zur Verbreitung sozialer Innovationen beitragen wollen. Die junge, vom ehemaligen Vorsitzenden der Deutschen Sportjugend Jan Holze geführte Organisation schüttet, zusätzlich zu ihrem Etat in gleicher Höhe, noch in diesem Jahr 30 Millionen Euro aus.

Bei Fördersummen bis 5000 Euro wird eine Eigenbeteiligung von zehn Prozent erwartet, bis 10.000 Euro von zwanzig und bis 15.000 von dreißig Prozent. Obergrenze für die Förderung sind 150.000 Euro. „Mit den jetzt aufgelegten Programmen kommen wir den uns gegenüber immer wieder geäußerten Bedarfen entgegen“, sagt Holze: „Ich bin überzeugt, dass wir mit unseren Angeboten zur Stärkung von ehrenamtlichen Strukturen auch im Sport einen wichtigen Beitrag leisten werden.“ Laut Freiwilligensurvey der Bundesregierung machen Sport und Bewegung mit 13,5 Prozent den größten Anteil am freiwilligem Engagement aus; Kultur und Musik sind mit 8,6 Prozent unter vierzehn Bereichen der nächst große.

Über das Programm „Aufholen“ hinaus bietet die DSEE Beratung in Rechtsfragen und für die Beantragung von Fördermitteln. Etatmäßig stellt sie für Vereine und andere gemeinwohlorientierte und gemeinnützige Organisationen in strukturschwachen und ländlichen Räumen ein Mikro-Förderprogramm mit bis zu 2500 Euro Förderung zur Verfügung. Im Programm „100×Digital“ zur digitalen Transformation werden bis zu 20.000 Euro ausgeschüttet; bundesweit ausstrahlende Projekte können mit bis zu 100.000 Euro gefördert werden. Weitere Förderprogramme sind „Engagiertes Land“ für Netzwerke in strukturschwachen ländlichen Räumen sowie „Bildungs-Turbo“ mit bis zu 75.000 Euro zur Stärkung von Fort- und Weiterbildung zivilgesellschaftlicher Akteure, für das die Antragsfrist an diesem Sonntag ausläuft. Im vergangenen Jahr gab es für das erste Förderprogramm der Stiftung mehr als 12.500 Anträge.

„Zurück in die aktive Bewegung“

Die Deutsche Sportjugend kann in diesem und im nächsten Jahr je drei Millionen Euro zusätzlich zur regulären Förderung erhalten; dies ist ein überdurchschnittlich großer Anteil am Aufholpaket. Das Antragsverfahren läuft seit Anfang des Monats. „Beabsichtigt ist grundsätzlich, mit den zusätzlichen Mitteln die Strukturen des Kinder- und Jugendsports zu stärken, damit niedrigschwellige Angebote für Bewegung, Spiel und Sport für Kinder und Jugendliche in Deutschland ermöglicht werden“, sagt Christina Gassner, Geschäftsführerin der DSJ: „Ziel ist es, möglichst viele Kinder und Jugendliche zu erreichen und sie für den Kinder- und Jugendsport (zurück) zu gewinnen.“

Den Ländern stellt der Bund mittels einer Änderung des Finanzausgleichs 70 Millionen Euro zur Verfügung. Damit sollen zusätzliche Kinder- und Jugendfreizeiten, außerschulische Jugendarbeit und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe realisiert werden. Zusammen mit Programmen in Millionenhöhe, welche die Länder auflegen, stehen so zusätzliche Mittel für den Sport und die sportliche Sozialarbeit zur Verfügung, für Bewegungsprogramme, für internationalen Jugendaustausch und fürs Nachholen des ausgefallenen Schwimmunterrichts zur Verfügung.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat unterdessen die Kampagne „Comeback“ gestartet. 21 illustrierte Slogans wie „Voller Freude Maske tragen“ mit einem Kind in Fechtkleidung oder „In die Kurve legen statt auf die Couch“ mit einem jugendlichen Biker stehen Vereinen und Verbänden zum Download zur Verfügung. Sie sollen helfen, die eine Million Mitglieder zurückzugewinnen, die laut Verband in der Pandemie abhandengekommen sind.

„Sehnsüchtig“ hätten die 27 Millionen Mitglieder des DOSB und viele Sporttreibende auf die jetzige Entwicklung gewartet, lässt sich DOSB-Präsident Alfons Hörmann auf der Website des Verbandes zitieren: „zurück in die aktive Bewegung und die sozialen Kontakte.“

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Freitag, dem 9. Juli 2021

Michael Reinsch

Korrespondent für Sport in Berlin.

 

author: GRR