Berglauf-Ass Helmut Schiessl schießt quer und kündigt(e) Zusammenarbeit mit dem DLV auf - Berglauf-Chef Münzel hofft auf eine Rückkehr bereits 2007
Freigeist, Provokateur und leistungsstarker Profi-Bergläufer
Der Karren ist reichlich verfahren, aber – sollte letztlich alles auf einem Missverständnis basieren? Mitnichten. Helmut Schiessl, ein „Allgäuer Sturkopf“, wie eine Regionalzeitung über die Querelen eines der weltbesten Bergläufer mit dem Deutschen Leichtathletik-Verband titelte, gibt zwar zu, dass er sich irgendwie verrannt hat in die Idee, wie einst sein kämpferischen Idols Ernesto „Che“ Guevara in die Freiheitsbestrebungen des kubanischen Volkes. Der Idee, losgelöst von Verbandszwängen seinem geliebten Berglauf zu frönen. „Helmut kann letztlich tun und lassen, was er will. Der DLV zwingt niemand, im Nationaltrikot bei Welt- und Europameisterschaften zu laufen.
Wenn Helmut andere Pläne hat, dann kann er diese durchaus verwirklichen. Sein Ausscheren schwächt zwar unser Team, aber vielleicht ist es auch eine Chance für junge Läufer, sich international zu profilieren“, schätzt der für Berglaufen zuständige DLV-Referent, Wolfgang Münzel, die Situation ein.
Was ist geschehen?
Was ist geschehen? Helmut Schiessl, vor Wochenfrist am Tegelberg in Schongau zum vierten Male in Folge deutscher Berglaufmeister geworden, hat einen Brass auf den Leichtathletik-Fachverband. In einem geharnischten Schreiben hatte er dem DLV mangelndes Interesse am Berglauf attestiert.
Die Liste seiner (internationalen) Erfolge liest sich indes eindrucksvoll: Vierter der World-Trophy 2004, Vize-Europameister 2005, WMRA-Long Distance-Challenge-Sieger 2005, Fünfter der (beraufbergabführenden) World-Trophy 2005. Trotz der WMRA-Weltmeisterschaft auf der Langdistanz vermisste er die Anerkennung seitens des DLV, sprich Gleichstellung mit den (zugegebener Maßen wenigen) Medaillensiegern.
Als besonderen Affront sah Schiessl die Zuzahlung für die Anreise zur World Trophy nach Neuseeland im Oktober 2005. Zwar gesteht Berglaufchef Münzel ein, dass die finanzielle Ausstattung für die Berglauf-Nationalmannschaft keineswegs ausreicht, um stets alle Unkosten für die Anreise zu den Welt- und Europameisterschaften und den Trainingsmaßnahmen abzudecken, doch auch hier sieht er den Berglauf angesichts des engen Haushalts gut aufgestellt. „Durch die Zuschüsse durch den eigens gegründeten Verein Pro Berglauf sind wir in der Lage, deutlich mehr für unsere Athleten zu tun als es der eigentlich für unsere Disziplin vorgesehene Etat in Grunde hergibt“.
Berglauf
Der im DLV im Allgemeinen Leichtathletik und Breitensport zugeordnete Berglauf ist unter anderen Gesichtspunkten zu bewerten als es die „olympische Leichtathletik“ der Läufer, Springer und Werfer ist, für die Gelder aus dem Sportetat des Bundesinnenministerium zur Verfügung stehen. Schließlich geht es beim Weltchampionat der Bergläufer auch lediglich um die „World Trophy“ des Berglauf-Wetltverbandes WMRA und nicht um Weltmeisterschaften unter der Regie der Leichtathletik-Weltverbandes IAAF.
Bei den seit 2002 zur Austragung kommenden Europameisterschaften ist die Sachlage anders, hier hat der Europäische Leichtathletik-Verband EAA den Berglauf gleichgestellt mit der Stadion-Leichtathletik oder dem Marathonlauf.
Anti-Doping-Richtlinien
Unabhängig von der Zuordnung des Berglaufes innerhalb der DLV-Struktur gilt die Notwendigkeit für alle international eingesetzten Athleten, sich den Anti-Doping-Richtlinien des Verbandes zu unterwerfen. Die Mitgliedschaft im sogenannten ST-Kader (Sonderkader Trainingskontrollen) sieht u. a. die Vorlage von Wettkampfplanungen und Rahmentrainingsplänen sowie die Meldepflicht bei Abwesenheit von mehr als 72 Stunden vor. Schiessl führt hier die Eigenart der Disziplin an, die eine andere Behandlung erforderlich macht. Schließlich habe er kein Mobiltelefon und reise mit Wohnmobil in den Sommermonaten kreuz und quer durch die Alpen, dem Kerngebiet des internationalen Berglaufes.
Als „Berglaufprofi-Tourist“ ist der gelernte Zimmermann aus Buchenberg auf Einkünfte bei Rennen wie im Steiermärkschen Hochschwalbtrail, Valposchiavo oder nun im norwegischen Stryn angewiesen, ein „Traum“, den er sich gerne auf dem Höhepunkt seiner Karriere erfüllen möchte. Deswegen könne er auf Einsätze für „Ruhm und Ehre“, wie er es formulierte, ohne weiteres verzichten.
Nicht aber seine Sponsoren, die ihm in der Zwischenzeit eine Rückkehr in den Schoss der Berglauf-Familie und damit des DLV nahe legten. „Mein Ziel war es, mit meinem Handeln im Verband etwas zu bewegen“, versucht sich Helmut Schiessl zu rechtfertigen.
Und zeigt Einsicht, denn für den ST-Kader 2007 möchte sich der „Provokateur“ Schiessl wieder anmelden.
Wilfried Raatz