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12
01
2012

Frauenpower im Ausdauersport - Frauen auf dem Vormarsch - Marion Pyrlik in CONDITION ©Helmut Winter

Frauenpower im Ausdauersport – Frauen auf dem Vormarsch – Marion Pyrlik in CONDITION

By GRR 0

Marion Pyrlik, 43 Jahre, ist Sportlehrerin und seit nunmehr 20 Jahren aktive Triathletin. Einige Jahre lang hat sie Triathlon professionell betrieben, heute noch startet sie bei Weltmeisterschaften in der Altersklasse. Seit 2007 wohnt sie an der Gold Coast, dem Mekka der Triathleten, in Australien. Sie schreibt hier über das Thema Frauen im Ausdauersport.

Während im griechischen Altertum Frauen nicht einmal als Zuschauer bei Sportwettkämpfen erlaubt waren, es bis vor etwa 50 Jahren keinerlei offizielle Laufwettkämpfe für Frauen gab, und erst im Jahre 1984 Frauen erstmals zu einem Marathonlauf zugelassen wurden, holen sie jetzt mit doppelter Geschwindigkeit auf: Die Zahlen weiblicher Ausdauersportler und deren Leistungen – gemessen an ihren männlichen Konkurrenten – explodieren geradezu:

Im Laufen geht man heute davon aus, dass Frauen mittlerweile bis auf etwa 10 % an die Leistungsfähigkeit der Männer herangekommen sind. Diese Zahl kann aber nur als ungefährer Richtwert angesehen werden, da die Leistungsdifferenz auch von Streckenlänge und -schwierigkeit abhängt. Grundsätzlich gilt: Je länger und härter die Belastung ist, desto näher kommen die Frauen an die Leistungsfähigkeit der Männer heran.

 

Das zeigt: Frauen sind zäh.

 

Doch welche Unterschiede gibt es eigentlich zwischen Frauen und Männern im Ausdauersport? Müssen oder
wollen Frauen anders trainieren? Haben sie physiologische Nach- oder vielleicht Vorteile? Wie sieht es mit der
weiblichen Psyche aus? Haben Frauen andere Beweggründe für das Sporttreiben? Wie wirken sich Menstruation
und Schwangerschaft auf den Sport aus? Und was ist dran an dem Gerücht der Leistungssteigerung nach einer
Schwangerschaft? Alle diese Fragen sollen im folgenden Artikel erörtert werden.

 

Werden die Männer eines Tages eingeholt?

 

Die Laufzeiten von Frauen bewegen sich Jahr für Jahr näher an die Spitzenzeiten der Männer heran. Dass diese eines Tages sogar eingeholt werden, ist aber unwahrscheinlich, und dies liegt in der Physiologie der Frau begründet:

Die maximale Sauerstoffaufnahme pro Kilogramm Körpergewicht, eine entscheidende Größe im Ausdauersport,
ist nämlich bei Männern höher. Welche Unterschiede und Gleichheiten gibt es also zwischen Frauen und Männern, die sich auf die Ausdauerleistungsfähigkeit auswirken?

 

Krafttraining für Frauen tabu?

 

Dennoch machen viele Frauen einen großen Bogen um das Kraftstudio, was darin begründet liegt, dass sie befürchten, ihre weiblichen Formen zu verlieren. Das wäre aber gar nicht der Fall. Wenn auch Krafttraining bei Frauen und Männern die gleichen sportlichen Auswirkungen hat, optisch gesehen fällt das Ergebnis völlig anders aus. Frauen produzieren nämlich im Vergleich zu Männern nur etwa ein Drittel des männlichen Geschlechtshormons Testosteron. Dieses Hormon ist aber notwendig, um gigantische Muskelberge zu produzieren.

Daher sind nur ganz wenige Frauen aufgrund ihrer Genetik überhaupt in der Lage, sich eine riesige Muskelmasse wie ein Mann anzutrainieren.

Daher gilt: Leistungsorientierten Frauen ist ebenso wie Männern geraten, durch gezielten Muskelaufbau ihre
Leistung im Ausdauersport zu steigern. Ich möchte hier eine Lanze für das Training an freien Gewichten statt des Trainings an Kraftmaschinen brechen. Folgende Punkte sprechen für den Einsatz freier Gewichte (Lang- und Kurzhanteln):

• Es werden mehr Muskelgruppen beansprucht.
• Die Stoffwechselaktivität ist höher.
• Er kommt zu verbesserter intermuskulärer Koordination.
• Training an freien Gewichten hat einen hohen Alltagsnutzen.
• Es sind sehr feine Gewichtsabstufungen möglich.

 

Also, Frauen: Ran an die Gewichte!

 

Gelten für Frauen andere Trainingsbereiche als für Männer?

Diese Frage muss mit einem klaren Jein beantwortet werden. Faustregeln stoßen beim Errechnen von Pulsfrequenzen für die Trainingsintensitäten sowieso schnell an die Grenzen. Eigentlich sollte eine ernsthafte Sportlerin sich immer einem individuellen Laktattest unterziehen, um ihre Trainingsbereiche zu ermitteln.

Grundsätzlich kann aber gesagt werden, dass Frauen eine höhere maximale Herzfrequenz haben und die Pulsfrequenz für niedrige Trainingsintensitäten bis zu 10 Schläge höher sein kann als der Referenzwert der Männer. Dennoch sind und bleiben Pulswerte ein sehr individuelles Maß.

Und wie sieht es eigentlich mit der Leistungsmotivation einer Frau aus? Was treibt die Frau zu Höchstleistungen an?

Hier sind, zumindest im Hobbysportbereich, schon klarere Unterschiede zu verzeichnen. Es scheint, als würden
Frauen vornehmlich aus sozialen Beweggründen Sport treiben. Da tritt an die Stelle des lauschigen Kaffeeklatsches eben gern mal ein gemütliches Läufchen mit der besten Freundin. Demnach ist auch die Gefahr einer Überforderung bei Frauen nicht so präsent, wie bei Männern.

Für Männer steht im Allgemeinen der Konkurrenzgedanke im Mittelpunkt. Während sich Frauen eher an ihrer
eigenen Leistungsfähigkeit messen, geht es den Herren der Schöpfung immer darum, einen potenziellen Gegner zu besiegen
. Dies wird auch in Trainingslagern immer wieder deutlich: Wenn morgens eine Frauengruppe und eine Männergruppe zum gemeinsamen Radtraining aufbricht, kann man davon ausgehen, dass die Frauen auch gemeinsam ankommen.

Die Männergruppe wird dagegen spätestens nach der Hälfte der Strecke zersprengt und man sieht sie Stunden später einzeln und völlig kaputt im Hotel eintrudeln. Nach wenigen Tagen tritt dann das Unvermeidliche ein:

Die ersten übermütigen Herren der Schöpfung sehen sich gezwungen, in die nächstniedrigere Gruppe zu wechseln. Frauen müssen dagegen nicht selten vom Trainer dazu aufgefordert werden, in einer stärkeren Gruppe zu laufen bzw. zu fahren.

Gleichzeitig muss gesagt werden, dass im Spitzensport die mentalen Unterschiede zwischen Mann und Frau kleiner werden. Hier zeigen Frauen die gleichen Werte von Siegeswillen, Selbstvertrauen und Durchhaltevermögen auf.

 

Problem: Essstörungen

 

Ein Problem aber scheint, wenn auch neuerdings mehr und mehr Männer betroffen sind, noch immer vorzugsweise Frauen zu betreffen: Essstörungen im Sport. Krankhaftes Essverhalten ist allgemein unter Frauen verbreiteter als unter Männern und Leistungssportlerinnen sind wiederum gefährdeter als die übrige weibliche Bevölkerung. Häufig kann auch bei einer Unterversorgung noch relativ lange ein gutes Leistungsvermögen aufrechterhalten werden, was die Betroffenen dann dazu antreibt, die Kalorienzahl weiter zu reduzieren.

Wenn aber erstmal die Leistung nachweislich nachlässt, ist es häufig zu spät, um ohne professionelle Hilfe aus dem psychischen Teufelskreis auszubrechen. Trainer und Angehörige sollten daher frühzeitig das Gespräch mit dem Athleten suchen, um das Ruder herumzureißen, solange das noch ohne Schäden möglich ist.

Essstörungen nämlich, die über längere Zeit unbehandelt bleiben, führen zu Zyklusstörungen und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, an Osteoporose zu erkranken.

 

Der Kalorienbedarf der Sportlerin

 

Natürlich benötigen Frauen auf Grund ihres niedrigeren Körpergewichts und Grundumsatzes eine geringere Gesamtkalorienmenge als Männer. Neuere Studien zeigen außerdem, dass Frauen während einer Ausdauerbelastung proportional mehr Fette und weniger Kohlenhydrate und Proteine verbrauchen als Männer.

Bei einem „Carboloading“ können sie auch weniger Kohlenhydrate in der Muskulatur speichern. Allerdings profitieren sie von den während der Belastung zugeführten Kohlenhydraten mehr als ihre männlichen Kontrahenten und können auf Grund ihrer besser funktionierenden Fettverbrennung länger davon zehren.

 

Spezielle Ernährungsempfehlungen für Frauen

 

Der Nährstoffbedarf der Sportlerin unterscheidet sich nicht grundsätzlich vom männlichen Sportler. Einzig ein
erhöhter Eisenbedarf sei da zu nennen. Sporttreibende Frauen haben nämlich unter anderem auf Grund monatlichen Blutverlusts einen häufig zu niedrigen Eisenspiegel.

Eisen ist für die Bildung von Hämoglobin (dem Stoff, der in roten Blutkörperchen für den Sauerstofftransport verantwortlich ist) und Myoglobin (Muskeleiweiß, das beim Freiwerden von Energie im arbeitenden Muskel beteiligt ist), unentbehrlich. Wer unter Eisenmangel leidet, erholt sich langsamer, leidet unter Müdigkeitsbeschwerden und muss im Ernstfall sogar einen drastischen Leistungsabfall hinnehmen.

Daher sollten sich Frauen, insbesondere wenn sie unter relativ starker Monatsblutung leiden, eisenreich
ernähren. Zu besonders eisenhaltigen Lebensmitteln gehören rotes Fleisch, grünes Gemüse und Vollkornprodukte.

Wer die Aufnahme von Eisen mit der Nahrung optimieren möchte, der sollte auf gleichzeitiges Trinken von
schwarzem Tee, Kaffee und Milch zum Essen verzichten, da diese Getränke die Eisenaufnahme herabsetzen. Manche Frauen müssen sogar in periodischen Abständen Eisenpräparate einnehmen. Dies ist aber nur nach einem im Blut nachgewiesenen Eisenmangel anzuraten, denn zu viel Eisen im Körper ist auch wieder nicht gut. Um den Eisenwert zuverlässig zu bestimmen, sollten die Werte Ferritin und Transferrin aufgeschlüsselt ermittelt werden.
 

Der kleine, feine Unterschied zwischen Frau und Mann:

 

• Das Herz des männlichen Sportlers kann ein größeres
Blutvolumen pro Herzschlag pumpen, was seine maximale
Sauerstoffaufnahme begünstigt.

• Der Gehalt an Hämoglobin (das ist der Stoff, der in den
roten Blutkörperchen für den Transport des Sauerstoffs
zu den Muskeln verantwortlich ist) ist beim männlichen
Sportler höher.

• Frauen haben einen etwa 10 % höheren Fettanteil
als Männer, was beim Sport zusätzlicher Ballast ist.
Schließlich ist Körperfett passives Gewicht, das transportiert
werden muss.

• Der Anteil der Muskulatur ist bei Frauen geringer. Dadurch
sind Frauen weniger stark, dafür aber in der Regel
beweglicher als Männer.

• Wenn Frauen sich maximal anaerob belasten, braucht
ihr Organismus eine höhere Adrenalinausschüttung als
der Organismus eines Mannes.

• Herz und Lunge sind bei Frauen in der Regel kleiner.
Das Herz-Kreislauf-System muss allerdings auch weniger
Muskelmasse mit Sauerstoff versorgen. Durch
das kleinere Herzvolumen muss die Pumpe schneller
schlagen, weshalb die Pulsfrequenz bei Frauen meist
höher ist.

• Auf der Gegenseite kann der weibliche Sportler sparsamer
mit dem Energie- und Flüssigkeitshaushalt umgehen.
Darum sind Frauen bei längeren Ausdauerleistungen
unter Extrembedingungen ihren männlichen
Kontrahenten gegenüber im Vorteil.

• Muskelfaserzusammensetzung und Trainierbarkeit der
Muskulatur ist bei Frauen und Männern aber völlig gleich.
Ebenso wie manche Männer über mehr schnelle und andere
über einen höheren Anteil langsamer Muskelfasern
verfügen, ist das auch bei Frauen individuell verschieden.
Aus diesem Grund sollte auch das Krafttraining, wenn es
denn vom Sportler im Zuge der Leistungssteigerung eingesetzt
wird, bei Frauen und Männern gleich sein.

Marion Pyrlik in CONDITION 10/2011

 

author: GRR

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