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14
06
2008

Jeder Mensch, der erhöhten Blutdruck hat, muss wieder arbeiten gehen und Höchstleistungen bringen, sobald die Medikamente anschlagen. Nicht anders ist das bei mir.

Franka Dietzsch über ihren Bluthochdruck und die Folgen – „So schnell wirft mich nichts um“ – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Franka Dietzsch, dreimal Weltmeisterin im Diskuswerfen, hat zum Beginn der Saison alle Starts abgesagt. Weil sie mit ihrem Bluthochdruck bei Belastung ihr Leben riskiere, haben die Ärzte der Vierzigjährigen sogar das Training verboten.

Sie waren am Mittwoch beim Arzt. Wie geht es Ihnen?

Die Pillen schlagen gut an. Der Blutdruck ist nur noch leicht erhöht. Organisch ist alles in Ordnung, das wurde durchgecheckt. Jetzt können wir das Training peu à peu steigern. Jeder Mensch, der erhöhten Blutdruck hat, muss wieder arbeiten gehen und Höchstleistungen bringen, sobald die Medikamente anschlagen. Nicht anders ist das bei mir.

Ist Bluthochdruck nicht eher Symptom als Krankheit?

Nein, ich habe nichts anderes als diese Hypertonie. Na ja, meine Schilddrüsenwerte waren auch nicht ganz in Ordnung. Aber wen interessiert das?

Wenn die Weltmeisterin und Goldmedaillen-Favoritin wegen lebensgefährlichen Bluthochdrucks auszufallen droht, ist das von nationalem Interesse.

Ich falle nicht aus. Ich brauchte nur ein paar Tage, um die Diagnose zu verdauen. Im April und Mai hatte ich kaum eine Nacht durchgeschlafen, und nun sagten mir die Ärzte, was ich habe und was hätte passieren können. Ich habe den Eindruck, dass ich wochenlang auf Hochtouren gelaufen war. Dann hat sich mein Körper die Erholung genommen, die ihm gefehlt hat. Am Wochenende habe ich frei gemacht. Seitdem trainieren wir normal.

Der Leichtathletik-Verband verlangt von Ihnen keine Normerfüllung . . .

Gerade habe ich mit Bundestrainer Jürgen Mallow gesprochen; er hat mir grünes Licht gegeben. Ich kann ganz gelassen sein. Wenn sich alles normal entwickelt, bin ich in Peking dabei. Ich fahre sowieso nur, wenn ich eine reelle Medaillenchance habe. Wenn ich mich mit 61 Metern herumquälen muss, bleibe ich zu Hause; das tue ich mir nicht an. Ich habe einen höheren Anspruch, als nur dabei zu sein und Fünfte zu werden.

Brauchen Sie Wettkämpfe?

Auf alle Fälle. Im Training merke ich, was los ist. Aber ich muss mich den Gegnerinnen stellen. Ich bin ganz zuversichtlich. So schnell wirft mich nichts um. Wir haben jetzt noch neun Wochen Zeit, mehr brauche ich auch nicht, um nach der Winterpause in Form zu kommen. Ich werde halt ein, zwei Wettkämpfe aus dem Training heraus bestreiten. Die müssen dann aber auch gut werden!

Waren Sie übertrainiert?

Nein, nein, überhaupt nicht. Im April im Trainingslager in Portugal war ich so gut drauf, dass ich jede Wette eingegangen wäre, dass ich im Sommer siebzig Meter werfe. Ich habe aus dem Stand fast so weit geworfen wie jetzt aus der Drehung. Das war nicht nur ein Gefühl.

Ist dann etwas passiert?

Drei, vier Tage, nachdem wir zurück waren in Neubrandenburg, habe ich gemerkt, dass irgendetwas nicht stimmt. Die Beine liefen nicht, ich war überhaupt nicht fit. Plötzlich musste ich mich beim Einlaufen quälen. Von da an ging's bergab. Wir dachten, das liegt an der Umstellung vom Strand und vom schönen Wetter auf unser Klima.

Sie haben noch einen Wettkampf in Versmold bestritten. . .

Da hatte ich zugesagt. Wir hatten erwartet, dass ich im Wettkampf anders motiviert bin als im Training. Wir wussten ja von gar nichts: nichts von Bluthochdruck, nichts von der Schilddrüse.

Man stellt sich vor, dass deutsche Top-Athleten regelmäßig medizinisch untersucht werden – wie kann es zu so einer Überraschung kommen?

Das war ein glücklicher Umstand. Trainer Kollark hatte sein Blutdruckmessgerät mit im Trainingszentrum Kienbaum. Ich habe mir das eines Abends mal angelegt. Der Blutdruck war richtig hoch! Da sind wir hellhörig geworden. Als Petra Lammert am nächsten Tag wegen ihrer Ellbogenverletzung ins Unfallkrankenhaus Berlin musste, bin ich mitgefahren.

Nun nehmen Sie Tabletten. Haben die Nebenwirkungen?

Ich bemerke keine außer einer latenten Müdigkeit. Was ich früher überhaupt nicht konnte, kann ich jetzt: Gut schlafen.

Die Fragen stellte Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Freitag, dem 13. Juni 2008

author: GRR

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