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2022

Frank Shorter kehrte 50 Jahre nach seinem olympischen Marathon-Triumph ins Münchner Olympiastadion zurück. - Foto: Norbert Wilhelmi / München Marathon

Frank Shorter: Der Marathon-Olympiasieger und das Münchner Déjà vu-Erlebnis 50 Jahre später 2022

By GRR 0

50 Jahre nach seinem Marathon-Olympiasieg in München 1972 kehrte Frank Shorter an den Ort seines größten Triumphes zurück: Der 74-jährige US-Amerikaner weilte am vergangenen Wochenende als Ehrengast des München-Marathons zusammen mit seiner Frau in der Stadt.

Frank Shorter, der 1947 auch in München geboren wurde, wo sein Vater als US-Soldat nach dem Zweiten Weltkrieg stationiert war, war ein bemerkenswert offener, dankbarer und sympathischer Ehrengast. Am Sonntag gab er zunächst den Startschuss für den Marathon und lief anschließend selbst beim parallel veranstalteten 10-km-Rennen, um so 50 Jahre nach seinem Marathon-Triumph bei den Spielen noch einmal in das Olympiastadion einzulaufen.

„Es waren tolle Tage für mich. Ich war zwar in der Zwischenzeit seit 1972 einmal in München, aber dieses Mal hatte ich die Gelegenheit, zum ersten Mal seit den Spielen im Stadion wieder über die Ziellinie zu laufen“, sagte Frank Shorter, der in der ersten Hälfte der 70er Jahre zu den besten Marathonläufern der Welt gehörte. Viermal in Folge gewann er von 1971 bis 1974 den Fukuoka-Marathon. Das Rennen in Japan galt damals als hochklassigster Marathon der Welt.

1972 lief Frank Shorter dort mit 2:10:30 Stunden seinen persönlichen Rekord, der auch eine Jahresweltbestzeit war. Zuvor hatte er am 10. September in München seine Karriere mit dem Marathon-Olympiasieg gekrönt. Mit einer damals hochkarätigen Zeit von 2:12:20 Stunden gewann Frank Shorter mit über zwei Minuten Vorsprung vor dem Belgier Karel Lismont (2:14:32). Eine Woche zuvor hatte er bei den Spielen zudem über 10.000 m Platz fünf in 27:51,32 Minuten belegt.

Vier Jahre später gewann Frank Shorter bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal in 2:10:46 die Silbermedaille im Marathon. Damals lief im Trikot der DDR Waldemar Cierpinski zu seinem ersten Olympiasieg.

An die Spiele in München hat Frank Shorter viele detaillierte Erinnerungen – auch an den Tiefpunkt der Spiele, das Attentat auf die israelischen Athleten sowie deren Geiselnahme. Als das Drama am frühen Morgen am 5. September begann, schlief Frank Shorter kurioserweise auf dem Balkon seines Zimmers. „Mein Zimmerpartner war Dave Wottle, der über 800 Meter die Goldmedaille gewonnen hatte. Wir hatten damals verschiedene Zugangsausweise zum Olympischen Dorf gefälscht, so dass Dave seine Frau mit in unser Zimmer brachte. Deswegen nahm ich meine Matratze und schlief auf dem Balkon“, erzählte Frank Shorter während einer Pressekonferenz in München im Rahmen des Marathons.

„Ich hörte nachts die Schüsse. Und am nächsten Morgen sah man keinen Menschen mehr unten herumlaufen. Es war alles leer. Aber wir sahen von unserem Balkon einen bewaffneten Geiselnehmer gegenüber. Wir waren etwas naiv dort auf dem Balkon. Dann schauten wir die Nachrichten im Fernsehen und Steve Prefontaine, der eine deutsche Mutter hatte, übersetzte uns was passiert war“, erinnerte sich Frank Shorter. Prefontaine wurde damals Olympia-Vierter über 5.000 m. Er starb bei einem Autounfall drei Jahre später.

„Unser erster Gedanke war: wir wollen nach Hause. Aber dann sind wir über den Zaun des abgeriegelten Olympischen Dorfes geklettert, um trainieren zu können und haben noch einmal überlegt. Ich habe mir gesagt, ich werde starten und werde während des Rennens nicht an das Massaker und die Terroristen denken. Denn wenn ich es anders mache, haben die Terroristen gewonnen. Ich habe das wirklich praktisch bis zu meiner Abreise aus München ausgeblendet.“

Am 10. September löste sich Frank Shorter bereits bei Kilometer 15 aus der Führungsgruppe und gab die Spitze in der Folge nicht mehr ab. „Ich hatte das damals so geplant. Ich hatte mich mit sehr viel Intervalltraining auf den olympischen Marathon vorbereitet und hatte immer wieder mit Steve Prefontaine trainiert. Es war mein Plan, mich mit einer Tempoverschärfung möglichst so weit abzusetzen, dass ich für meine Konkurrenten auf dem sehr eckigen und kurvenreichen Kurs nicht mehr zu sehen war. Das funktionierte und dank eines Zurufes eines Trainers aus den USA wusste ich im Englischen Garten, dass ich 1:15 Minuten Vorsprung hatte.

Ich rechnete mir aus, dass ich gewinnen würde, wenn ich nur ein Tempo von 5:00 Minuten pro Meile in der Schlusspassage laufen würde“, erzählte Frank Shorter, der sich damals selbst trainierte und in der Olympia-Vorbereitung auch Höhentrainingslager absolviert hatte. Dass ein Jugendlicher mit einer gefälschten Startnummer auf die Strecke gelangte, ein Stück vor ihm ins Stadion lief und zunächst bejubelt und dann, als der Schwindel aufflog und Frank Shorter die Arena erreichte, ausgepfiffen wurde, störte den Amerikaner nicht so sehr. „Ich wusste, dass keiner vor mir sein konnte, als ich den Jubel hörte. Es ging mir selbst damals nicht darum, im Stadion umjubelt zu werden sondern es ging mir um den Sieg.“

Neben Thomas Hicks (1904) und John Hayes (1908) sowie der ersten olympischen Marathon-Siegerin Joan Benoit (1984) ist Frank Shorter der einzige US-Amerikaner, der bei einem olympischen Marathon triumphiert hat – und er ist der einzige US-Läufer, der zwei olympische Medaillen über die 42,195 km gewinnen konnte.

Mit seinem Olympiasieg von München wird Frank Shorter auch ein Anteil am US-Running-Boom der 70er Jahre zugeschrieben. Dieser Laufboom erreichte dann einige Jahre später Europa, wo sich in der Folge auch große City-Marathonrennen entwickelten. Frank Shorter blieb auch nach seiner Karriere immer ein ganz großer Name des Laufsports. „Wir haben damals die Einführung von Preisgeldern bei Straßenläufen mit initiiert und vorangetrieben“, erzählte Frank Shorter, der auch eine Firma für Laufsport-Bekleidung gründete, die später von Levi Strauss übernommen wurde.

Frank Shorter engagierte sich zudem stark im Anti-Doping-Kampf und war einer der Initiatoren für ein Verbands-unabhängiges Kontrollsystem. Im Jahr 2000 wurde er zum Vorsitzenden der neu gegründeten US-Anti-Doping-Agentur USADA gewählt. „Während ich damals in der Mittagspause unseres Meetings zum Joggen ging, wählten mich die andere in meiner Abwesenheit zum Vorsitzenden“, erzählte Frank Shorter, der diesen Posten dann drei Jahre lang ausübte.

Der Zufall wollte es am vergangenen Sonntag, dass Frank Shorter am Ende seines 10-km-Laufes den in das Stadion führenden Tunnel unmittelbar vor dem führenden Marathonläufer erreichte. „Philimon Kipchumba überholte mich dann rund zehn Meter vor der Laufbahn und so war es genau wie 1972. Kurz bevor ich in die Arena lief, gab es Applaus für einen anderen Läufer!“

Frank Shorter, der am 31. Oktober seinen 75. Geburtstag feiert, genoss ein halbes Jahrhundert später sein ganz spezielles Münchner Déjà vu-Erlebnis.

race-news-service.com

 

 

 

 

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