Olympia - Symbolbield Foto: ©Horst Milde
Flüchtlinge bei Olympia Täter und Opfer im Zeichen der Ringe – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Trauerflor ist verboten, Regenbogenfähnchen sind es erst recht. Bei Olympischen Spielen darf es, so sind die Regeln, keine politischen Demonstrationen geben. Das musste etwa die Mannschaft der Ukraine erfahren, als sie bei den Winterspielen von Sotschi 2014 demonstrativ um die Todesopfer des Majdan trauern wollte.
Das erlebte jeder, der sich dort mit den Farben des Regenbogens zu den in Russland unterdrückten Rechten Homosexueller bekannte. Dabei sind Olympische Spiele spätestens seit Berlin 1936 auch Vorführungen politischer Macht. Zuletzt bewies das Wladimir Putin, indem er 50 Milliarden Dollar für Winterspiele am Strand von Sotschi springen ließ.
Nun bedient sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) des Instrumentariums, das sonst den Gastgebern überlassen ist. Wie Peking 2012 den Fackellauf durch Tibet führte, um seine Ansprüche auf das Reich im Himalaja aufzuzeigen, wird das IOC das olympische Feuer auf dessen Weg nach Rio de Janeiro einen Flüchtling durch ein Flüchtlingslager in Griechenland tragen lassen. Das versprach IOC-Präsident Thomas Bach, als er in dieser Woche ein solches Camp besuchte.
Auf Dimension der Krise aufmerksam machen
Zwei Millionen Dollar hat seine Organisation für Sportanlagen dort gespendet wie zum Beweis, dass Spiel und Sport Menschenrecht sind. Es gelte, sagte Bach, die Welt auf die Dimension der Flüchtlingskrise aufmerksam zu machen. Sechzig Millionen Menschen sind heimatlos in ihren Ländern oder aus ihnen vertrieben. Erstmals bei den Sommerspielen von Rio sollen Flüchtlinge als solche teilnehmen, Teil der Jugend der Welt, eigenständig unter Nationalmannschaften.
Die Olympischen Komitees in aller Welt sind aufgerufen, Flüchtlinge zu finden und zu fördern, auf dass sie unter der Flagge mit den olympischen Ringen einmarschieren und, im Fall des Falles, mit den Klängen der olympischen Hymne geehrt werden.
Dies bedeutet, obwohl es genau das sagt, mehr als: „Ihr schafft das.“
Es verspricht Aufnahme, Fairness, Solidarität. Und macht vorstellbar, dass ein Flüchtling aus Syrien im Wettbewerb auf einen Athleten trifft, der das Regime von Baschar al Assad vertritt, dessen Krieg mehr als 220.000 Menschen getötet und mehr als zwölf Millionen vertrieben hat.
Zu den Spielen 2012 in London wurde dem General, der dem Nationalen Olympischen Komitee von Syrien vorsitzt, im Gegensatz zu seinen zehn Sportlern die Einreise verweigert.
In Rio wird die Frage eminent politisch. Olympia heißt Opfer willkommen. Gut so.
Wie aber verfährt es mit Tätern?
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Sonnabend, dem 30. Januar 2016