„Das Training eines Läufers kann nicht nur aus Laufen bestehen“ – weiß der Berliner Physiotherapeut Florian Müller und empfiehlt SPIRIDON-Lesern vier konkrete Übungen, die das Bindegewebe stärken und verjüngen. ©JoAnna Zybon
Faszien-Fitness – Jawohl, diese „Selfies“ sind echt nützlich! JoAnna Zybon
Nennen Sie es wie Sie wollen: Selbstmassage mit der Blackroll, „Self-Myofaszial-Release“ oder Bindegewebs-Training – Hauptsache, Sie machen es.
„Das Training eines Läufers kann nicht nur aus Laufen bestehen“ – weiß der Berliner Physiotherapeut Florian Müller und empfiehlt SPIRIDON-Lesern vier konkrete Übungen, die das Bindegewebe stärken und verjüngen.
Wenn beim nächsten Berlin-Marathon die Weltelite wieder nach Höchstleistungen streben wird, wird auch Florian Müller (33) sein Händchen im Spiel haben. Denn als Sportphysiotherapeut mit 5-jähriger Osteopathie-Ausbildung gehört Florian zum festen Kern des Physiotherapeuten-Teams, das im Rahmen des Berlin-Marathon die Spitzenläufer betreut.
Nach der Ankunft der Athleten hält sich immer ein Teammitglied im Athletenhotel bereit. „Da geht es nicht um große Verletzungen, aber um viele Kleinigkeiten, denn so kurz vor ihrem wichtigsten Rennen sind die Asse oft auch kurz vor dem Verletzungsrisiko.“
Florian gehört seit der Leichtathletik-WM 2009 zum Team, das auch beim Halbmarathon ehrenamtlich aktiv ist. Behandelt er die Stars im Vorfeld des Marathons anders als die Normalsterblichen in seiner Praxis?
In der Tat, es gibt einen Unterschied: Die Eliteläufer werden „schlechter“ behandelt, d.h. Florian schöpft nicht sein ganzes osteopathisches Können aus. Das darf er nicht, um die Rekordjagd nicht zu gefährden, denn eine Osteopathie-Behandlung wirkt bei vielen Sportlern wie eine harte Trainingseinheit, von der man sich ein paar Tage lang erholen muss. „Die Spitzenläufer reisen hier an um am Sonntag absolute Höchstleistungen zu bringen“ erläutert Florian. „Es geht nur um diesen Sonntag. Also wende ich keine Behandlungstechniken an, die ihnen zwar langfristig helfen, aber ihre Leistungsfähigkeit am Sonntag beeinträchtigen würden.“
Ein weiterer Einsatzort während der letzten drei Tage vor dem Marathon ist die Sport- und Gesundheitsmesse Berlin Vital. Hier haben auch Hobbyläufer die Gelegenheit sich ohne weitere Kosten physiotherapeutisch helfen zu lassen. Viele Läuferzipperlein gehen auf Konto der Faszien. Und mehr als die Hälfte aller Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen, mit denen Florian aufgesucht wird, werden an anderen Stellen im Körper verursacht als am Schmerzort.
„In den häufigsten Fällen taucht der Schmerz nicht dort auf, wo die Ursache zu finden ist. Ein typisches Beispiel sind Achillessehnenprobleme. Die Ursachen liegen oft ein paar Etagen höher, etwa beim Becken oder Zwerchfell. Oben sind Organe verschoben, funktioniert die Rotation nicht, doch die Rechnung wird unten bezahlt. Die Achillessehne hat dann einfach keinen guten Arbeitsplatz. Deshalb sind Rotations- und Schwungbewegungen wie in Übung Nr. 3 empfehlenswert. Sie lösen Blockaden in den Faszienzugbahnen und verschaffen auch der Achillessehne wieder gute Arbeitsbedingungen.“
Ein Bilderbuchbeispiel für dieses ganzheitliche Verständnis vom Körper ist das Model der hier vorgestellten Übungen: der Triathlet Volker (33). Volker war Patient in der Praxis „MÜLLERUNDKORF“. Er kam zu Florian mit Shin Splints. „Die Ursache seiner Beschwerden lag im Faszienpaket Dickdarm-Psoas-Niere“ berichtet Florian, der die Organe zurechtschob und Volker empfahl mehr zu trinken. „Wenn man innerliche Rosinen hat können die Faszien auch nicht richtig arbeiten.“
Volker hat keine Beschwerden mehr. Er hat gelernt, dass er sein Ausdauer-Trainingsprogramm ergänzen muss und vergnügt sich zu Hause mit seiner Faszienrolle. Sein nächstes Ziel ist das Erbringen der WM-Norm auf der Mitteldistanz.
Selbstverständlich sind die folgenden Übungen nur eine kleine Inspiration. „Es gibt auch nicht die eine Übung für alle“, sagt Florian Müller.
Von der Ferse bis zum Po
Begeben Sie sich auf den Boden: Position wie abgebildert. Die Schaumrolle kommt unter die rechte Ferse, der Po in die Luft. Die Hände stützen den Körper von hinten. Das linke Bein wird aufgestellt und stabiliert die folgende Bewegung: Rollen Sie langsam und bewusst die ganze Beinrückseite aus: Ferse, Wade, Knie- und Oberschenkelrückseite bis zum Po. Spüren Sie Schmerzpunkte oder verhärtete Stellen? Gut, denn das ist der Sinn der Übung. Die Problempunkte sollen nun sachte und spielerisch durch Hin- und Herrollen therapiert werden. Achtung: therapiert, nicht malträtiert! Spielen Sie mit Druck- und Winkelveränderungen, aber gehen Sie nicht über die Schmerzgrenze hinaus. Atmen nicht vergessen! Beinwechsel nach 1 bis 2 min.
Variante: Die Selbstmassage wird intensiver, wenn Sie das linke Bein als Gewicht über das rechte legen.
Entzücken für den Rücken
Setzen Sie sich auf den Boden und stützen den Körper seitlich mit den Armen ab. Dann heben Sie das Becken an, schieben die Faszienrolle unter ihre Lendenwirbel und positionieren die Beine so, dass die Knie etwa im 90-Grad-Winkel gebeugt und die Füße aufgestellt sind. Die Zehen sind angespannt. Nun stellen Sie sich vor, Ihr Rücken sei ein Pizzateig, den sie ausstreichen wollen. Mit zeitlupenhaften, schmelzenden und kleinwinkligen Bewegungen verschieben Sie Ihre Position auf dem „Nudelholz“. Schmerzpunkte entlasten Sie durch Druckverringerung und besonders schmelzende Massagen. Auf keinen fall darf ein scharfer Schmerz entstehen!
Teil 1: Kreisschwünge
Stabiler Stand mit leicht gebeugten Knien. Nehmen Sie eine kleine gefüllte Wasserflasche oder eine Hantel (500 bis 1.500 g) in beide Hände und schwingen sie diese vor dem Körper locker von links nach rechts und wieder zurück, so weit wie Sie zu beiden Seiten kommen. Der Blick folgt immer der Flasche. 1 min Rotieren reicht aus.
Teil 2: Diagonalschwünge
So aufgewärmt schwingen Sie nun einarmig zur einen Seite diagonal nach oben und hinten und drehen den Oberkörper mit. In der Armstreckung oben kurz inne halten und mit kurzem Impuls vom Rumpf zurückschwingen. Diese Schwünge aktivieren insbesondere die spiralartige Faszienzugbahn. Seitenwechsel nach 5 bis 10 Wiederholungen.
Geschmeidig wie ein Elefant
Aus dem Stand heraus beugen Sie sich tief nach unten und vorne, so dass Sie mit beiden Händen auf dem Boden aufkommen. Dabei sind die Knie nicht durchgedrückt, sondern leicht gebeugt. Die Ellbogen sollten leicht gebeugt nach innen gedreht sein, das verleiht dem Körper Spannung. In dieser Spannung „stapfen“ Sie mit den Händen langsam nach vorne, bis der maximale Abstand zwischen Armen und Beinen erreicht ist. Die Füße folgen, aber in Zeitlupe! Richtungs- und Winkelveränderungen sind erwünscht.. Diese Fortbewegung soll nicht etwa plump aussehen, sondern federnd und geschmeidig.
Variante: Die Übung wird leichter wenn man auf das „Stapfen“ durch den Raum verzichtet. Stattdessen: Beugen Sie abwechselnd die Beine, während die Hände fest auf dem Boden haften.
Auf federnde Bewegungen kommt es an!
JoAnna Zybon in Laufmagazin SPIRIDON – September 9/2015
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