
Michael Reinsch - Foto: Horst Milde
Europa-Spiele in Minsk Von Diktator zu Diktator – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Sind Europa-Spiele ein kleines Olympia? Nein. Sie sind ein hässlicher Abklatsch. Vor gut einem Jahr hatten sie ihre Premiere im Baku von Ilham Alijew. Der aserbaidschanische Potentat machte mehr Schlagzeilen als die Athleten.
2019 sollen die besten Sportlerinnen und Sportler Europas im Minsk des Aleksandr Lukaschenka zum fröhlichen Wettstreit antreten – im Reich des Diktators, den die Briten wegen seiner dreisten Wahlfälschung und seiner brutalen Unterdrückung der Opposition nicht zu den Olympischen Spielen 2012 einreisen ließen.
Dabei wollte er als Sportfunktionär nach London reisen. Lukaschenka hat sich in seiner Machtfülle zum Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees von Weißrussland gemacht und in dieser Woche auch noch zum Retter der Europa-Spiele aufgeschwungen. Er ist eingesprungen mit der Austragung dieser Veranstaltung, die niemand braucht und niemand will – außer die Nationalen Olympischen Komitees von Europa.
Allein Dänemark und Norwegen stimmten am Freitag gegen die Vergabe der Spiele nach Minsk, Michael Vesper enthielt sich, gemeinsam mit vier Kollegen, für Deutschland. Damit waren 43 Stimmen pro Minsk beisammen. Die Olympier Europas fühlten sich unter Druck. Schon vor der Premiere gaben die Niederlande die European Games zurück. Sie wurden bestätigt. Familie Alijew machte Baku 2016 zur Bühne ihrer Macht und ihres Ölreichtums.
Die Europa-Spiele sind das Lebenswerk von Patrick Hickey.
Die Spiele erwiesen sich als Mogelpackung.
Der olympische Kern aus Schwimmen und Leichtathletik fehlt. Russland wäre eingesprungen, gilt aber selbst für das Internationale Olympische Komitee (IOC) als nicht tragbar, seit herausgekommen ist, dass sein Geheimdienst bei den Winterspielen von Sotschi die Doping-Proben des russischen Teams austauschte. Nun also hilft Lukaschenka, obwohl sich Weißrussland das Spektakel nicht leisten kann; das Regime wird von Russland ausgehalten.
Doch der Despot ist den Olympiern und insbesondere Patrick Hickey, dem Schöpfer der Europa-Spiele, etwas schuldig.
2008 zeichnete der Ire Hickey ihn zur Überraschung des Sports und zum Entsetzen der demokratischen Welt mit einem Sonderpreis für hervorragende Verdienste um die olympische Bewegung aus. Nun, da Hickey Brasilien bis zu seinem Prozess wegen des Schwarzhandels mit VIP-Tickets bei den Olympischen Spielen von Rio de Janeiro nicht verlassen darf, zahlt sich die Zuwendung aus. Lukaschenka rettet, was das Lebenswerk Hickeys werden soll.
Und die Vertreter Olympias schicken die Jugend Europas brav von Diktator zu Diktator.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 24. Oktober 2016