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28
07
2009

Leichtathleten testeten in Kienbaum die neue Anlage und zeigten sich begeistert. In Deutschland gibt es knapp 70 Kältekammern, die bislang nur in der Rheumamedizin und Schmerztherapie ihre Anwendung fanden. Kienbaum hat jetzt die erste Anlage erhalten, die ausschließlich dem Sport zu gute kommt.

Erste Kältekammer für deutsche Athleten – Hansjürgen Wille berichtet vom Bundesleistungszentrum Kienbaum östlich von Berlin

By GRR 0

Leichtathleten testeten in Kienbaum die neue Anlage und zeigten sich begeistert. In Deutschland gibt es knapp 70 Kältekammern, die bislang nur in der Rheumamedizin und Schmerztherapie ihre Anwendung fanden. Kienbaum hat jetzt die erste Anlage erhalten, die ausschließlich dem Sport zu gute kommt.
 
Die Drei, die aus der Kälte kamen. Das ist kein neuer Filmtitel. Diese Aussage bezieht sich auf eine Szene, die eine Hundertschaft von neugierigen Journalisten, Fotoreportern und Kameraleuten des Fernsehens hautnah bei der Eröffnung der Kältekammer im Bundesleistungszentrum Kienbaum östlich von Berlin miterlebten. Das Hürdensprinter-Trio Matthias Bühler, Alexander John und Jens Werrmann testete bei der Premiere als erste die Anlage und zeigte sich nach dem einminütigen Aufenthalt bei minus 110 Grad erfreut über das, was es gerade am eigenen Körper erfahren hatte.

„Man fühlt sich unheimlich frisch“, schilderte der Deutsche Meister Bühler von der LG Offenburg seine Eindrücke, nachdem er, in Badekleidung und festem Schuhwerk, sich von den leichten Handschuhen, dem Mundschutz und weißen Stirnband getrennt hatte. Eine reine Vorsichtsmaßnahme, die aber nicht unbedingt zwingend sei, wie die Verantwortlichen glaubhaft versicherten. „Für mich bedeutete das ein ganz neues Erlebnis und eine interessante Erfahrung. Durch die sehr trockene Luft empfindet man die Kälte als gar nicht so extrem. Als Regeneration nach einer Trainingsbelastung kann ich mir jedenfalls eine positive Wirkung gut vorstellen.“

Was der angehende Sportsoldat spontan von sich gab, das ist wissenschaftlich durch rund 300 Publikationen untermauert und wird in anderen Ländern längst mit Erfolg angewandt. Prof. Dr. Winfried Joch, lange Zeit Lehrwart des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, hat sich an der Universität Münster intensiv mit dem Thema der Kälteapplikation beschäftigt. „Die Effekte sind unbestritten und haben nicht das Geringste mit Doping zu tun.

Gerade bei Intervall-Belastungen von Ausdauerathleten setzt eine schnelle Erholung des Körpers ein. Die Australier haben bereits Mitte der neunziger Jahre zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Atlanta und bei sich zu Hause in Sydney diese Methode in ihrem Trainingsprozess angewendet und sie für eine Leistungsoptimierung nutzbar gemacht.“

In Deutschland gibt es knapp 70 dieser Kältekammern, die bislang aber nur in der Rheumamedizin und Schmerztherapie ihre Anwendung fanden. Kienbaum hat jetzt die erste Anlage erhalten, die ausschließlich dem Sport zu gute kommt, wobei es sich um drei unterschiedliche Kabinen handelt, in denen Temperaturen von minus zehn, 60 und 110 Grad herrschen. Torsten Burmester, Stellvertretender Abteilungsleiter Sport im Innenministerium, zeigte sich hocherfreut, dass innerhalb von nur vier Monaten dieses Projekt realisiert werden konnte, und meinte, dass die Kosten von 320.000 Euro eine gute Investition in die Zukunft seien.

Die Idee zum Bau einer Kältekammer war schon vor zwei Jahren geboren worden, als der Sport-ausschuss-Vorsitzende im Deutschen Bundestag, Dr. Peter Danckert, bei einem Sommerfest in Kienbaum den DLV-Sportdirektor Jürgen Mallow fragte, was ihm denn nun noch fehle. Allerdings dauerte es eine gewisse Zeit, bis alle von der Wichtigkeit und Richtigkeit des Projekts überzeugt waren. Als dann der DOSB aber Grünes Licht gab und das BMI die Mittel aus dem Konjunkturprogramm II zur Verfügung stellte, ging alles relativ schnell, zumal sich die Sportdirektoren der in Kienbaum trainierenden Fachverbände Ende März einstimmig für den Bau aussprachen, die von dem Neu-Ulmer Unternehmen Zimmer bewerkstelligt wurde.

Joch, der mit der Dortmunder Sportwissenschaftlerin und Spezialistin Dr. Sandra Ücker, die vor kurzem beim DOSB in Frankfurt/Main anheuerte, eng zusammen gearbeitet hatte, unternahm den Versuch, auch einem Laien zu erklären, weshalb die Kälte so positive Wirkungen auf mehreren Gebieten haben kann. „Im Sport ist normalerweise alles auf Wärme fixiert. Das beginnt mit dem Aufwärmen und hört auf bei Trainingslagern in südlichen Gefilden. Zu viel Wärme aber kann auch schädlich sein.

Primär kommt es darauf an, unsere Normaltemperatur von 37 Grad zu halten, sprich sie zu regulieren. Wird der Bereich verlassen, muss er leistungsmindernde Effekte in Kauf nehmen. Das heißt nichts anderes, als dass Energie aufgewendet werden muss, um den Körper herunterzukühlen, Energie, die anderswo besser eingesetzt werden kann.“ Eine kurzfristige, hoch dosierte Kälteapplikation, die sich vor allem auf die Haut konzentriert, kann also viel auf physiologischem Terrain und bei der Blutmengenverteilung bewirken.

Der emeritierte Medizin-Professor und Buchautor Dr. Winfried Papenfuß („Die Kraft aus der Kälte“), Chefarzt der Inselklinik in Heringsdorf, hat sich ebenfalls seit langem dem Thema gewidmet. Er ging bei der Vorstellung der Kammer sogar noch einen Schritt weiter und meinte: „Bei dieser Anwendung kann die körperliche Schmerzleitung blockiert, die Beweglichkeit erkrankter oder verletzter Gelenke verbessert sowie verkrampfte Muskeln gelockert werden, wobei das gesamte Immunsystem davon profitiert.“

Fest steht und wissenschaftlich bewiesen ist, dass ein kurzfristiger Aufenthalt bis zu höchstens drei Minuten eine Verengung der Gefäße unter der Haut bewirkt und das Blut in das Körper-innere drängt, wo regulierende, heilende und leistungssteigernde Vorgänge ausgelöst werden, ohne dass die Muskeln darunter leiden. Fachleute gehen von einer Leistungssteigerung von einem bis zwei Prozent, manche sogar von noch mehr aus. Professor Joch gab ein Beispiel zum Besten, das die Wirksamkeit des Kältezuflusses zumindest in diesem Fall bestätigt.

Zwei gleichstarke Radsportgruppen wurden vor einem zwölf Kilometer langen Prolog unterschiedlich vorbereitet, die eine beließ es bei dem üblichen Warmfahren, die andere wurde mit der Zufuhr von gekühlter Luft („precooling“) behandelt – und die hatte am Ziel bei einem Tempo von 50 km/h einen Vorsprung von 160 Metern.

Dass der Leverkusener Trainer Leszek Klima mit seinen Schützlingen gern in seine alte polnische Heimat nach Spala fuhr, kam auch nicht von ungefähr, denn dort gibt es auch diese „Kühlschrank“-Möglichkeit schon seit längerem. Um aber genaue und weitreichende Schlüsse aus der Anwendung in Kienbaum zu ziehen, wird der DOSB durch Sandra Ücker und dem Olympiastützpunkt Berlin intensiv beobachten vornehmen, welchen Vorteil Deutschlands erste Sport-Kältekammer mit sich bringt.

Hansjürgen Wille in der DOSB Presse

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