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31
12
2007

Überhaupt: Hürdensprint ist Leichtathletik, und Leichtathletik immer noch die Seele der Olympischen Spiele.

Ein Held für die ganze Welt – Der chinesische Hürdensprinter Liu Xiang soll der Star der Spiele werden – Friedhard Teuffel im Tagesspiegel

By GRR 0

Berlin – Gesucht wird: die Heldin oder der Held der Olympischen Spiele 2008 in Peking. Sie oder er sollte die Goldmedaille in einer attraktiven Disziplin gewinnen, möglichst nach emotional mitreißendem Wettkampf. Mitzubringen sind außerdem Persönlichkeitsmerkmale, welche die Fernsehzuschauer auf der ganzen Welt ansprechen, in Amerika genauso wie in Europa und Asien.

Vergeben wird diese Rolle erst am Ende der Spiele, also spätestens am 24. August, aber es gibt in dieser Ausschreibung schon jetzt einen Favoriten: Liu Xiang, 24 Jahre alt, Chinese, Hürdensprinter.

Es spricht einiges dafür, dass Liu Xiang das werden könnte, was die Australierin Cathy Freeman bei den Spielen 2000 in Sydney wurde und der Sprinter Kostas Kenteris vier Jahre später in Athen werden sollte, ehe er mit einem inszenierten Unfall den Dopingkontrolleuren entkommen wollte. Das fängt mit Liu Xiangs sportlicher Leistung an: 2004 wurde er in Athen Olympiasieger, seit 2006 hält er in 12,88 Sekunden alleine den Weltrekord über 110 Meter Hürden, und bei den Weltmeisterschaften im August 2007 in Osaka gewann er ebenfalls Gold.

Es geht bei seiner Disziplin weiter: Der Hürdensprint ist ein spektakuläres Rennen, und so leichtfüßig wie Liu Xiang läuft, wirken die Hürden nicht als Hindernis, sondern als choreographisches Element. Chinesische Zeitungen vergleichen Lius Sprint auch gerne mit dem Fliegen.

Überhaupt: Hürdensprint ist Leichtathletik, und Leichtathletik immer noch die Seele der Olympischen Spiele. Im Tischtennis etwa erwarten alle von den Chinesen Siege, und der andere chinesische Sportheld Yao Ming hat nicht genügend gleichwertig begabte Mitspieler, um mit der chinesischen Basketballmannschaft nach ganz vorne, zu einer Goldmedaille, zu kommen. Liu Xiang, der wie Yao Ming aus Schanghai stammt, war auch der erste Chinese, der in der Leichtathletik Olympiagold gewann und damit für sein Land einen Bann brach: Wenn wir es in der Leichtathletik schaffen, dann können wir es überall schaffen. Dafür lieben die Chinesen ihren 1,89 Meter großen Landsmann. Seine Siege haben jedenfalls auch anderen chinesischen Sportlern Selbstbewusstsein gegeben, aber vor allem ihm selbst: „Ich glaube, dass ich der einzige auf der Welt bin, der Liu Xiang schlagen kann.“

Liu Xiang verhält sich ohnehin wie ein Chinese, der es in der Welt zu etwas gebracht hat. Er hat seine Wurzeln nicht verloren, ist sogar Mitglied in der Kommunistischen Partei Chinas und war Delegierter beim letzten Parteikongress. Er kann aber auch die Erwartungen der Weltöffentlichkeit erfüllen. Wie etwa nach seinem WM-Sieg in Osaka. Da gab er eine internationale Vorstellung und eine chinesische. Die internationale: Er flirtete am Start mit dem Publikum, sprang nach dem Zieleinlauf ungestüm wie ein Pony über die Bahn und feierte sich ein wenig selbst. Die chinesische: Er ging nach seinem ersten Jubelsturm auf jeden seiner Finalgegner zu und reichte ihm die Hand. Nicht auf die Gratulation der anderen warten, sondern seinen Respekt und Dank für ein großes Rennen ausdrücken, das ist wohl chinesische Höflichkeit.

Das kommt selbst bei der Konkurrenz gut an. Der deutsche Hürdensprinter Thomas Blaschek sagt: „Er hat Anstand. Auch wenn er Weltrekord gelaufen ist, hampelt er nicht rum wie die Amerikaner und Jamaikaner mit ihrer Arroganz.“ Es fehlt also eigentlich nur noch, im olympischen Finale als Erster die Ziellinie zu passieren, und natürlich keinen Zweifel daran zu lassen, dass er diesen Sieg mit sauberen Mitteln erreicht hat.

Gut möglich also, dass die Olympischen Spiele von Peking am 21. August um 21.35 Uhr im Nationalstadion ihren Höhepunkt mit Heldenehrung erleben.

Friedhard Teuffel

Der Tagesspiegel,

Montag, dem 31. Dezember 2007

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