Erinnerungen an 2008: Haile mit Manager Jos Hermens im Zelt der Medienzentrums vor dem Start. ©Helmut Winter
Dubai-Marathon 2012: NTSC und Martin Lel – Helmut Winter berichtet
NTSC ist den meisten Fernsehzuschauern als Abkürzung für National Television System Committee bekannt und bezeichnet den analogen TV-Standard in Nord- und Südamerika sowie Teilen Asiens. Bereits im Jahr 1953 definierte diese Norm eine Spezifikation für das Farbfernsehen, über die man sich aber wegen der Defizite bei einer gestörten Übertragung mit „Never The Same Color" lustig machte.
Im Zusammenhang mit dem Dubai-Marathon hat das Kürzel aber eine andere Bedeutung und beschreibt mit „Never The Same Course" den steten Wechsel der Strecken im Emirat in den letzten Jahren, in denen der Lauf in Dubai erhebliche Beachtung in der internationalen Marathonszene gefunden hat. Ein sehr sichtbares Zeichen für diesen Status ist die Zuerkennung des „Gold Labels" durch den internationalen Leichtathletikverband IAAF, der ansonsten in Sachen Marathon in letzter Zeit nicht gerade glücklich und mit Augenmaß agierte.
Es war insbesondere der Superstar der Szene, Haile Gebrselassie, der maßgeblich zu diesen Entwicklungen beigetragen hat und mit diesen Hilfe und noch mehr Geld sich das Emirat in der Weltspitze etabliert hat. Mit einem Zehnermittel von 2:06:52 liegt man aktuell unter den 10 schnellsten Strecken der Welt. Wobei es allerdings zu dem erhofften Weltrekord bisher nicht gereicht hat, auch in Dubai wachsen bestenfalls die Türme in den Himmel.
Und vor dem höchsten Gebäude der Erde, dem „Burj Khalifa", wird am Freitag (islamischer Feiertag), dem 27. Januar 2012 um 7 Uhr in der Frühe der Standard Chartered Dubai Marathon gestartet werden, also in genau einem Monat. Mit dem Start in dem neuen Stadtteil um den Wolkenkratzer kehrt man fast wieder an die Ursprünge zurück, als noch vor vier Jahren der Start im wunderschönen Zabeel-Park erfolgte. Haile war damals zum ersten Mal dabei und verfehlte mit 2:04:53 seinen damaligen Weltrekord von 2:04:26 knapper als es die Zeitdifferenz erscheinen lässt; das ist bis heute der gültige Streckenrekord.
Haile kam dann 2009 und 2010 noch einmal nach Dubai, wo man mittlerweile die Strecke umgedreht hatte und am südlichen Ende der Stadt in der Media City startete. Aber auch eine weitere Optimierung der Strecke war hinsichtlich noch schnellerer Zeiten nicht vom Erfolg gekrönt. Dabei bewegte man sich diesbezüglich immer mehr am Limit eines Marathonkurses, der vor allem auch durch die heftigen Bauarbeiten stete Veränderungen von Start und Ziel erfuhr. Ansonsten ging es bei Höhendifferenzen von unter 1 Meter auf der Jumeirah Road fast einen Halbmarathon lang kerzengerade Richtung altes Zentrum und nach einer Wende an der Nationalflagge wieder zurück.
Auf dieser nicht ganz zu Unrecht als „Retortenkurs" bezeichneten Strecke konnte man aber den Kursrekord nicht weiter steigern. 2009 verhinderte strömender Regen im zweiten Teil eine bessere Zeit als 2:05:29 und 2010 gewann Haile nochmals, war mit 2:06:09 aber nochmals langsamer. Und auch im letzten Jahr – da startete man erstmals auf einer Autobahnabfahrt – blieb man hinter den Erwartungen deutlich zurück, was auch daran lag, dass der Topstar Eliud Kiptanui unvermittelt den Lauf nach 31 km abbrach, weil er vertraglich anderweitig gebunden war (offiziell wusste davon aber niemand). Es gewann der weitgehend unbekannte David Barmasai in 2:07:18.
Barmasai ist als Titelverteidiger auch 2012 dabei, hat aber auf der neuen Strecke, die immer noch einen fast 30 km gradlinigen Abschnitt mit Wende auf der Jumeirah Road umfasst, mit Martin Lel einen Konkurrenten bekommen, der ihm die Wiederholung des Vorjahrserfolgs sehr schwer machen dürfte. Lel ist mit zwei Siegen beim New York City Marathon (2003 und 2007) sowie drei Erfolgen beim London-Marathon (2005, 2007, 2008) sicherlich einer der besten Marathonläufer der Szene. Leider plagten den 33jährigen Kenianer immer wieder langwierige Verletzungen, die ein absolutes Topergebnis verhinderten, so dass seine Bestmarke mit 2:05:15 beim Sieg in London 2008 datiert.
Dass er deutlich schneller laufen kann, steht außer Frage, und nach Aussagen von Peter Connerton, der Race Director von Dubai, ist Lel aktuell frei von Verletzungen und in sehr guter Form. Selbst ohne den Vollbesitz seiner Fitness konnte er als „Ersatz" für Sammy Wanjiru beim London-Marathon 2011 Patrick Makau beim Spurt um Platz 2 besiegen, und der lief immerhin ein halbes Jahr später mit 2:03:38 in Berlin den soeben anerkannten Weltrekord über die Marathondistanz.
Damit wird Lel die Rolle zukommen, die Haile seinerzeit in Dubai zugedacht war. Und dass sein Auftreten in Dubai durchaus Sinn macht, zeigt schon der Kampf um einen Platz im kenianischen Olympiateam für London 2012. Lel wird sicher unter 2:04 laufen müssen, um hier noch Ambitionen anmelden zu können. Dubai bietet dazu ein Potential von Umfeld und Strecke, das noch nicht ausgereizt scheint und auf das der kenianische Topläufer setzt. Wer ihn bei der Tempojagd Ende Januar begleiten wird, ist aktuell noch nicht bekannt.
Sicher ist aber, dass Dubai-Promotor Haile Gebrselassie nicht wie zunächst erwartet hier einen letzten Angriff auf die Qualifikation für den Olympia-Marathon unternimmt, sondern fast exakt einen Monat später am 26.2.2012 beim Tokyo-Marathon startet. Schon jetzt künden sich also auch für das Marathonjahr 2012 faszinierende Ereignisse an, auf man sich schon heute freuen darf. Die Marathonsaison 2012 könnte den einmaligen Entwicklungen in der Marathonszene des Jahres 2011 kaum nachstehen.
Bei den Frauen geht gleichfalls die Titelverteidigerin Aselefech Medessa aus Äthiopien an den Start, die sich im letzten Jahr auf sehr gute 2:22:45 steigern konnte.
Die Sieger des Dubai-Marathons
2000 Wilson Kibet KEN 2:12:21
2001 Wilson Kibet KEN 2:13:36
2002 Wilson Kibet KEN 2:13:04
2003 Joseph Kahugu KEN 2:09:33
2004 Gashaw Asfaw ETH 2:12:49
2005 Dejene Guta ETH 2:10:49
2006 Joseph Ngeny KEN 2:13:02
2007 William Rotich KEN 2:09:53
2008 Haile Gebrselassie ETH 2:04:53
2009 Haile Gebrselassie ETH 2:05:29
2010 Haile Gebrselassie ETH 2:06:09
2011 David Barmasai KEN 2:07:18
Die Top 10 der Männer beim Dubai-Marathon
1 |
02:04:53 |
Haile Gebrselassie |
ETH |
18.01.2008 |
2 |
02:05:29 |
Haile Gebrselassie |
ETH |
16.01.2009 |
3 |
02:06:09 |
Haile Gebrselassie |
ETH |
22.01.2010 |
4 |
02:06:33 |
Chala Dechase |
KEN |
22.01.2010 |
5 |
02:06:46 |
Eshetu Wendimu |
ETH |
22.01.2010 |
6 |
02:07:16 |
Isaac Macharia |
KEN |
18.01.2008 |
7 |
02:07:18 |
David Barmasai |
KEN |
21.01.2011 |
8 |
02:07:54 |
Deressa Chimsa |
ETH |
16.01.2009 |
9 |
02:08:01 |
Sammy Kori |
KEN |
18.01.2008 |
10 |
02:08:17 |
Evans Cheruiyot |
KEN |
21.01.2011 |
Helmut Winter