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04
01
2009

Bewährte Rezepte, um den Verstand auf Trab zu halten, sind Bewegung, eine ausgewogene Ernährung und menschliche Kontakte.

Dr. Hartmut Wewetzer – Weltherrscher mit 70 – Dr. Hartmut Wewetzer vom Tagesspiegel fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin. Heute: Computerspiele schärfen das Denken von Senioren.

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Wenn Sie das nächste Mal einen Krieg anfangen, dann stellen Sie es geschickt an. Sie brauchen Panzer und Flugzeuge. Ihre Wirtschaft muss brummen und Ihre Diplomaten sollten Bündnisse geknüpft haben. So, jetzt können Sie zuschlagen. Nein, natürlich nicht in der Wirklichkeit. Sondern in dem Computerspiel „Rise of Nations“. Was auf den ersten Blick eher wie ein gemächliches Brettspiel aussieht, ist ein ziemlich hektisches Vergnügen.

Denn während Sie Ihre digitalen Armeen am PC verschieben, müssen Sie ständig im Blick haben, ob es Ihrem Reich gut geht und welche Eskapaden Ihre Computergegner anstellen. Und was hat das mit Medizin zu tun? Ganz einfach: Computer-Strategiespiele wie „Rise of Nations“ – ein vergleichbares deutsches Spiel ist etwa „Die Siedler“ – können älteren Menschen helfen, geistig jung zu bleiben.

Ja, Sie haben richtig gehört. Senioren, die auf dem Computer die Welt erobern, kommen im Alltag vermutlich besser zurecht. Die Gedächtnisleistung, das logische Denkvermögen und andere intellektuelle Fähigkeiten werden aufpoliert. Diese Behauptung stammt nicht etwa von Computerspiel-Herstellern, sondern von unabhängigen Forschern der Universität von Illinois in Urbana Champaign. Die Psychologen testeten 40 Menschen, Durchschnittsalter um die 70.

Die eine Hälfte „trainierte“ über vier bis fünf Wochen intensiv das Strategiespiel am Computer, die andere vertrieb sich anderweitig die Zeit. Die Spieler schnitten am Ende in vier Bereichen bei psychologischen Tests deutlich besser als die Nichtspieler ab: Beim Wechseln zwischen verschiedenen Aufgaben, dem Arbeitsgedächtnis, dem visuellen Kurzzeitgedächtnis und dem logischen Denken.

Normalerweise gilt beim mentalen Training die Faustregel: man verbessert genau die Fähigkeit, die man gerade übt. Mehr nicht. Wer Französisch lernt, lernt französisch, nicht englisch. Wer sein Leben lang Schach spielt, wird auch mit 70 noch einen 30-Jährigen vom Schachbrett fegen, beim Sudoku aber den Kürzeren ziehen. Doch die Studie der US-Forscher gibt Hinweise darauf, dass Spielen am Computer einen „Kollateralnutzen“ hat, dass das Strategie-Training dem Meistern des Alltags zugute kommt.

„Dieses Spiel stellt Ihr Management-Talent auf die Probe“, sagt Chandramallika Basak, eine an der Studie beteiligte Wissenschaftlerin. „Das ist wichtig für Ältere, weil viele von ihnen noch unabhängig sind und ihr Leben selbstständig planen.“

Nun, eine Studie macht noch keinen Sommer. Aber die Ergebnisse sind so interessant, dass sie überprüft werden sollten. Sie können bei der Entwicklung neuer Spiele für Ältere wichtig sein. Ob man dem geistigen Verfall, wie er im Alter immer häufiger wird, spielerisch vorbeugen kann, ist damit noch nicht gesagt.

Bewährte Rezepte, um den Verstand auf Trab zu halten, sind Bewegung, eine ausgewogene Ernährung und menschliche Kontakte. Und natürlich geistige Tätigkeit: lesen, eine Sprache lernen. Oder wie wäre es mit einem Strategiespiel? Zum Weltherrscher ist man nie zu alt.

Dr. Hartmut Wewetzer leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegel. Sonntag dem 28. Dezember 2008

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