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2009

Um der Bildung von Gerinnseln vorzubeugen, wird das Blut mit Cumarin-Präparaten „verdünnt“, in Deutschland nehmen Hunderttausende von Patienten das Cumarin-Präparat „Marcumar“.

Dr. Hartmut WEWETZER vom Tagesspiegel – Hilfe beim Stolperherz – Unser Gesundheitsexperte fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin. Heute: Neue Mittel verbessern die Blutverdünnung.

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Vorhofflimmern ist ein mit dem Älterwerden häufiger werdendes Gesundheitsproblem. In Deutschland leiden eine Million Menschen unter Vorhofflimmern, von den heute 40-Jährigen wird jeder Vierte irgendwann mit einem „Stolperherz“ zu tun haben. Aber es gibt auch erfreuliche Entwicklungen: neue Medikamente verbessern die Therapie.

Beim Vorhofflimmern „schlagen“ die Herzvorhöfe nicht mehr im Einklang mit den Herzkammern. Sie „flimmern“ nur noch. Das bringt das Herz aus dem Takt und lässt es stolpern, schwächt es empfindlich und erhöht das Risiko für Blutgerinnsel vor allem im linken Herzvorhof. Gerinnsel bilden sich, weil kein regelrechter Blutfluss zu den Herzkammern mehr stattfindet.

Die Blutklümpchen, Thromben genannt, entstehen in „ruhigen Seitenarmen“ der Vorhöfe, in denen das Blut gewissermaßen steht. Löst sich dann ein Thrombus, kann er über eine Schlagader ins Gehirn sausen und hier ein Gefäß verstopfen. Jeder siebte Schlaganfall geht auf Vorhofflimmern zurück.

Um der Bildung von Gerinnseln vorzubeugen, wird das Blut mit Cumarin-Präparaten „verdünnt“, in Deutschland nehmen Hunderttausende von Patienten das Cumarin-Präparat „Marcumar“. Cumarine hemmen die Blutgerinnung und damit das Entstehen von Gerinnseln, indem sie Vitamin K blockieren. Streng genommen wird das Blut also nicht „flüssiger“, sondern gerinnt schwerer.

Damit lassen sich zwei von drei Schlaganfällen bei Vorhofflimmern verhüten. Aber „Marcumar“ und verwandte Wirkstoffe erhöhen ihrerseits das Risiko für Blutungen nicht unwesentlich – gefürchtet sind diese vor allem im Gehirn. Außerdem wirken sie nur langsam und die Behandlung muss ständig überwacht werden.

Doch die Tage der Cumarine sind gezählt. Neue Wirkstoffe wirken rascher, gezielter und nebenwirkungsärmer. Zu verdanken ist das modernem Arzneidesign, mit dem Wirkstoffe bis ins molekulare Detail an ihre Aufgaben angepasst werden. Primus unter den neuartigen Gerinnungshemmern ist der Wirkstoff Dabigatran („Pradaxa“). Er blockiert das gerinnungsfördernde Eiweiß Thrombin.

In einer großen Studie wurde Dabigatran in zwei verschiedenen Dosierungen mit dem herkömmlichen Cumarin-Wirkstoff Warfarin verglichen. Das neue Mittel führte seltener zu Hirnblutungen, erwies sich als mindestens ebenso wirksam und in einigen Bereichen sogar als überlegen. Von einem „echten Durchbruch für eine langfristige Behandlung“ spricht der Herzspezialist Harald Darius vom Berliner Vivantes-Klinikum Neukölln, der an den Tests beteiligt war.

Das neue Mittel, entwickelt von Boehringer Ingelheim, könnte bereits im zweiten Vierteljahr 2010 für die Schlaganfallvorbeugung zugelassen werden, sagt Darius. Auch die Konkurrenz schläft nicht. So hat der Hersteller Bayer Schering mit Rivaroxaban („Xarelto“) ebenfalls ein Anti-Thrombose-Mittel im Rennen, für das abschließende Studien jedoch noch ausstehen. Dafür gab es in dieser Woche bereits den Deutschen Zukunftspreis aus der Hand des Bundespräsidenten für die Wuppertaler Entwickler.

Dr. Hartmut Wewetzer leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegels.  Sonntag, dem 6. Dezember 2009
 

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