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05
11
2011

Dr. Hartmut Wewetzer vom Tagesspiegel fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin. Heute: Mobiltelefone im Großversuch. Handys und Hirntumoren ©privat

Dr. Hartmut Wewetzer vom Tagesspiegel fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin. Heute: Mobiltelefone im Großversuch. Handys und Hirntumoren

By GRR 0

Dänemark ist ein kleines Land. Umso gigantischer ist die Studie, die hier seit etlichen Jahren zum Thema Mobiltelefonnutzung und Hirntumoren läuft. Im Zentrum stehen 360 000 Dänen, die zwischen 1982 und 1995 einen Handyvertrag unterschrieben haben. Von 1990 bis 2007 verfolgte man ihr Schicksal, dabei kamen 3,8 Millionen „Personenjahre“ zusammen.

Die Forscher unter Leitung von Joachim Schüz von der Internationalen Agentur für Krebsforschung verglichen, ob die Mobiltelefonierer häufiger Hirntumoren bekamen als der Rest der erwachsenen Bevölkerung. Nein, lautet das Ergebnis, veröffentlicht im „British Medical Journal“. Die Studie ist die größte ihrer Art und dürfte viele Millionen Menschen beruhigen, die sich wegen möglicher Mobiltelefon-Risiken sorgen.

Das Resultat blieb das gleiche, selbst wenn man nur die Gruppe anschaute, die zehn Jahre und länger ein Handy benutzte, wenn man die Hirntumoren in Gliome (von Stützgewebe herrührend) und Meningeome (aus der Hirnhaut entstanden) unterschied und getrennt auswertete oder wenn man sich auf jene Tumoren konzentrierte, die anatomisch dem Handy am nächsten waren: Kein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko. Natürlich, auch diese Riesenstudie ist nicht perfekt.

So benutzt nicht jeder Besitzer eines Handyvertrags sein Telefon tatsächlich, und manch einer, der keinen Vertrag hat, telefoniert trotzdem mobil. Aber solche Verzerrungen schmälern das Ergebnis kaum. Es bestätigt den Trend anderer Untersuchungen mit Mobilfunknutzern ebenso wie Experimente mit Zellen oder Tieren, die Handystrahlung ausgesetzt wurden. Ein krebserzeugender Effekt war nicht nachweisbar, wäre auch nicht zu erwarten.

Denn die Energie, die so ein Telefon per Antenne aussendet, ist millionenfach geringer als etwa Röntgenstrahlung, die Krebs erzeugen kann. Schließlich zeigen auch die Hirntumor-Statistiken seit Einführung der Mobiltelefone keine wesentlichen Veränderungen.

Begonnen hatte die Forschung zu Risiken der elektromagnetischen Strahlung nicht etwa, weil man einen tatsächlichen Grund zur Sorge hatte. Sondern einfach, weil man fürchtete, vielleicht doch etwas zu übersehen.
Heute liegen die beruhigenden Ergebnisse vor, und die Umweltmediziner Anders Ahlborn und Maria Feychting vom Stockholmer Karolinska-Institut stellen in einem Kommentar zu der Studie die Frage, wie viel Forschung zu dem Thema wir noch brauchen.

Es ist sinnvoll, eine Untersuchung wie die dänische weiterzuführen. Aber wie viel will man ansonsten weiterforschen? Wären die Millionen Euro nicht in der Untersuchung realer Krebsrisiken besser investiert? Wahr ist auch, dass man eine absolute Gewissheit nie bekommen wird. Es ist unmöglich, zu beweisen, dass ein Risiko nicht existiert.

Ungefährlich sind Handys deshalb nicht. Das Risiko von Unfällen durch telefonierende Autofahrer ist nicht gering. Dabei ist es egal, ob man das Telefon ans Ohr hält oder eine Freisprechanlage hat. Oder wie sehr das Telefon „strahlt“.

Dr. Hartmut Wewetzer leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegel,  Sonntag, dem 30. Oktober 2011

author: GRR

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