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25
04
2011

Die genetische Veranlagung spielt eine wichtige, aber nicht die allein entscheidende Rolle. U

Dr. Hartmut Wewetzer vom Tagesspiegel fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin: Heute: Den Vorsichtigen gehört die Zukunft – Gesundheit – Lang leben die Gründlichen – Leben – wild und gefährlich?

By GRR 0

Lebe wild und gefährlich, lautete eine Losung der 68er-Generation. Ist das der richtige Rat für ein glückliches, womöglich sogar langes Leben? Die Antwort gibt eine Studie, deren Teilnehmer Menschen der Vor-vor-68er-Generation waren. 1921, vor 90 Jahren also, wählte der amerikanische Psychologe Lewis Terman von der Stanford-Universität 1500 begabte Kinder im Alter von elf Jahren aus, die in Kalifornien zur Schule gingen.

Ihr weiterer Lebenslauf wurde fortan wissenschaftlich begleitet. Nach Termans Tod 1956 übernahmen andere Forscher die Untersuchung und das Studium der „Termiten“, wie sich die Teilnehmer selbst augenzwinkernd nannten.

In der Studie war es möglich, die Persönlichkeit der Teilnehmer und ihren Lebensstil mit der Länge ihres Lebens zu verbinden. Inzwischen sind fast alle „Termiten“ gestorben, immerhin wurden sie um das Jahr 1910 geboren. In ihrem Buch „The Longevity Project“ haben die Psychologen Howard Friedman und Leslie Martin nun Bilanz gezogen.

Die genetische Veranlagung spielt eine wichtige, aber nicht die allein entscheidende Rolle. U
nd einfache Rezepte für ein langes Leben gibt es kaum, lautet eine weitere Lektion. Abgesehen von Selbstverständlichem wie der Tatsache, dass man nicht rauchen sollte. Empfehlungen wie „Entspannen Sie sich“, „Essen Sie Gemüse“, „Nehmen Sie ab“, „Joggen Sie“ oder „Heiraten Sie“ sehen die Wissenschaftler skeptisch. Vermutlich, weil solche Ratschläge an den meisten Menschen abprallen, ihrer Persönlichkeit nicht gemäß sind.

Zu den überraschenden Befunden der Studie gehört, dass Überstunden für ein ehrgeiziges Ziel besser für Gesundheit und langes Leben sind, als sich treiben zu lassen und keine Ambitionen zu haben. Und erstaunlicherweise sind fröhliche, optimistische Kinder oft nicht jene, die auch ein langes Leben vor sich haben. „Diese Kinder nehmen als Erwachsene mehr Risiken auf sich“, erklärt Leslie Martin. „Sie erwarten, dass sich stets nur gute Dinge zutragen und rechnen nicht mit dem Schlechten. Daher neigen Sie dazu, zuviel zu trinken, sie rauchen häufiger und haben riskante Hobbys.“

Die wichtigste Lektion: „Ein gewisser Grad an Besorgtheit ist gut“, sagt Martin. Es waren die bedachtsamen, beharrlichen, umsichtigen Kinder, die später ein langes, gesundes Leben lebten. Gewissenhaftigkeit und Ausdauer beim Verfolgen von Zielen weisen den Weg in eine glückliche Zukunft. Planvolles, überlegtes Vorgehen lässt Menschen ihre Gesundheit besser schützen, Risiken wie Rauchen, zu viel Alkohol oder Drogen wird ausgewichen. Und die Gründlichen sind öfter glücklich verheiratet, haben bessere Freundschaften und Arbeitsplätze.

Lebe wild und gefährlich, diese Weisheit wird man wohl wie so manch andere der 68er als jugendliche Torheit ad acta legen können. Aber selbst für angegraute Revolutionäre gibt es weiterhin Hoffnung. Wer sich in mittleren oder späteren Jahren für den Weg der Gewissenhaftigkeit entscheidet, der hat noch fast alle Chancen.

Wer sagt denn, dass man gleich zum Spießer werden muss?

Dr. Hartmut Wewetzer leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegel.  Sonntag, dem 10. April 2011

author: GRR

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