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08
12
2009

Vieles spricht dafür, dass, wer sich regelmäßig bewegt, gelassener und ausgeglichener wird. Ein paar Wochen sollten Sie Ihrem Gehirn allerdings schon Zeit geben. Selten hat sich Schwitzen mehr gelohnt.

Dr. Hartmut WEWETZER vom Tagesspiegel fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin – Heute: Bewegung vertreibt die Angst – Läufer kennen keinen Stress

By GRR 0

Das Beste am Joggen ist das Danach. Wenn ich endlich am Ziel bin, aus der Puste, aber glücklich, es geschafft zu haben. Es kann schon sein, dass körpereigene Opiate, Endorphine genannt, mir diesen Augenblick versüßen. Ein anderer wichtiger „Glücksbringer“ ist der Botenstoff Serotonin. Auch er dürfte im Spiel sein, wenn wir Sport treiben und dabei die Stimmung steigt. Serotonin ist ein wichtiger Gegenspieler der Depression.

Natürlich könnte man nun auf die Idee kommen, einfach Serotonin in Pillenform zu schlucken und sich dafür den Waldlauf sparen. Aber so einfach ist es nicht. Ganz abgesehen davon, dass Bewegung nicht nur die Stimmung hebt, sondern auch den Geist in Schwung bringt und gut fürs Herz ist.

Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass der „positive“ Stress durch Sport uns gegen „negativen“ Stress, Gefühle der Hilflosigkeit und Angst, wappnen kann. Das kann dazu führen, dass paradoxerweise sogar weniger Serotonin im Gehirn ausgeschüttet wird. Vielleicht, weil weniger benötigt wird.

Zu den unumstößlichen Lehrsätzen, die ich noch im Studium gelernt habe, gehörte das Dogma, dass Nervenzellen sich nach der Geburt nicht mehr teilen. Heute weiß man, dass dem nicht so ist. Das Gehirn bildet durchaus neue Nervenzellen, zumindest in einigen Arealen. Und es gibt etliche Hinweise darauf, dass viel Bewegung das Gehirn anregt, neue Nervenzellen zu bilden.

Mit den Zellen im Gehirn ist es wie mit dem Serotonin: Mehr ist nicht unbedingt mehr. Aber es könnte durchaus sein, dass die neuen Hirnzellen auch gut für die Lebensqualität sind. So stellte man bei Ratten, die viel laufen durften und deshalb neue Gehirnzellen bildeten, fest, dass sie weniger „depressiv“ waren, sich weniger passiv und vorsichtig verhielten.

In die gleiche Richtung gehen Versuche von Forschern der Universität Princeton. Die Wissenschaftler testeten zwei Gruppen von Ratten, von denen die eine sich zuvor reichlich bewegen konnte. Dann mussten die Tiere aus beiden Gruppen durch kaltes Wasser schwimmen, wurden also gestresst. Nach diesem Test untersuchten die Wissenschaftler die Gehirne der Tiere. Sie fanden erwartungsgemäß heraus, dass der Stress Nervenzellen bei beiden Gruppen aktiviert hatte.

Ablesbar war das an bestimmten Genen, die „angeschaltet“ worden waren. Überraschend war aber, dass die „jungen“ Gehirnzellen der „Laufratten“, deren Wachstum vermutlich durch das Training stimuliert worden war, weniger aktiv waren. Die Zellen, „die aus dem Laufen geboren worden waren“, ließen sich durch das kalte Wasser nicht schrecken, erwiesen sich also als stressresistent.

Natürlich, Ratten sind keine Menschen. Aber die grundsätzlichen Strukturen und Prozesse im Gehirn sind die gleichen, Rückschlüsse also möglich.

Vieles spricht dafür, dass, wer sich regelmäßig bewegt, gelassener und ausgeglichener wird. Ein paar Wochen sollten Sie Ihrem Gehirn allerdings schon Zeit geben. Selten hat sich Schwitzen mehr gelohnt.

Dr. Hartmut Wewetzer leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegel. Sonntag, dem 29 November 2009

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