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26
06
2011

Nicht immer genügen Medikamente, und nicht jeder will sie ständig schlucken müssen.

Dr. Hartmut Wewetzer vom Tagespiegel fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin. Heute: Sodbrennen dauerhaft kuriert – Der ätzende Gerd

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Es kommt schon mal vor, dass einem etwas sauer aufstößt. Vor allem nach dem Essen kann es sein, dass säurehaltiger, bitter schmeckender Mageninhalt in die Speiseröhre gelangt. Das ist zwar lästig, aber im allgemeinen harmlos. Geschieht es öfter und stellen sich noch andere Symptome wie ein Brennen hinter dem Brustbein (Sodbrennen) oder Schmerzen im oberen Bauchbereich ein, dann ist es gut möglich, dass man es mit einer gastroösophagealen Refluxkrankheit zu tun hat, abgekürzt „Gerd“.

Mediziner können jeden Sachverhalt kompliziert ausdrücken. Auch wenn’s nur um Nahrungsbrei geht, der aus dem Magen (Gaster) in die Speiseröhre (Ösophagus) zurückschwappt.

Ursache von „Gerd“ ist ein undichtes Ventil – der Schließmuskel der Speiseröhre am Übergang zum Magen öffnet sich zum falschen Zeitpunkt oder schließt nicht mehr genügend. Das Ventil ist ausgeleiert.

Die gute Nachricht: Auch hartnäckige Attacken von Gerd lassen sich langfristig behandeln.
Das ergab eine europäische Untersuchung, die sich über fünf Jahre erstreckte und an der rund 400 Personen teilnahmen. Nach dieser Zeit waren noch neun von zehn Patienten weitgehend beschwerdefrei. Die Forscher um Lars Lundell vom Karolinska-Universitätshospital in Huddinge/Schweden verglichen zwei Verfahren, die Behandlung mit Tabletten und die Operation. Beide waren ähnlich erfolgreich.

Als Medikament setzten die Ärzte Esomeprazol (Präparatname „Nexium“) ein. Es gehört zu den Protonenpumpen-Hemmern. Diese Wirkstoffe blockieren die Magensäurebildung und haben sich sowohl bei Sodbrennen wie beim „Austrocknen“ von Magengeschwüren bewährt. Man kann sie über einen längeren Zeitraum nehmen, was erstaunlich ist, schließlich legen sie die Säureproduktion lahm. Das wiederum spricht dafür, dass die Magensäure weniger beim Verdauen hilft als vielmehr von der Natur dazu vorgesehen ist, Keime in der Nahrung abzutöten. Doch auch mit weniger Säure lässt es sich leben. Zumal die Speiseröhre vom ätzenden Rückfluss verschont wird.

Nicht immer genügen Medikamente, und nicht jeder will sie ständig schlucken müssen. Für manche Patienten ist daher die Antirückfluss-Operation eine Alternative. Entwickelt wurde sie von dem deutschen Chirurgen Rudolf Nissen, der bis 1933 an der Berliner Charité operierte und dann als Jude emigrieren musste. Bei dem Eingriff wird der obere Teil des Magens als lockere Manschette um die Speiseröhre geschlungen, ähnlich wie ein Brötchen um eine Hotdog-Wurst. So wird der schwächelnde Schließmuskel der Speiseröhre von außen verstärkt.

Die Operation erfolgt heute anders als zu Nissens Zeiten in schonender Schlüssellochtechnik. Wie die Studie ergab, konnte sie Sodbrennen und Säurerückfluss noch besser als die Medikamente zurückdrängen. Allerdings um einen Preis. Die Speiseröhre schließt nun so gut, dass das Schlucken erschwert sein kann und Luft aus dem Verdauungstrakt fast nur noch nach unten entweicht. Manche Patienten klagen daher über Blähungen. Verglichen mit Gerd wohl das kleinere Übel.

Dr. Hartmut Wewetzer leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegel.  Sonntag, dem 22. Mai 2011

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