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07
01
2010

„Auch wenn das noch kein großer Durchbruch ist, so gibt es doch Patienten, die eindeutig profitieren“, sagt der Krebsspezialist Wolf-Dieter Ludwig vom Helios-Klinikum Berlin-Buch

Dr. Hartmut WEWETZER – Erst Gentest, dann Therapie – Dr. Hartmut Wewetzer vom Tagesspiegel fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin Heute: Ein neuer Ansatz gegen Lungenkrebs.

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Es sind oft nur kleine Fortschritte, die im Kampf gegen Krebs erreicht werden. Kleine Fortschritte, die vielleicht zu großen werden. Ein Beispiel dafür sind neuartige Medikamente gegen Lungenkrebs. Sie können den Tumor um Monate zurückdrängen.

Das klingt nach wenig. Was für gesunde Menschen eine vergleichsweise kurze Spanne ist, kann aber für Schwerkranke eine kostbare und wichtige Zeit bedeuten. Und die Forschung entwickelt sich rasch weiter. Sie basiert auf der Erkenntnis, dass krebsartiges, zerstörerisches Wachstum von Zellen durch genetische Veränderungen, Mutationen, entsteht. Wenn es gelingt, ein genetisches Täterprofil der Krebszelle zu erstellen, dann kann man gezielt behandeln, die Schwachstelle des Tumors treffen.

Eben das haben japanische Ärzte getan, die Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom behandelten. Das ist die mit 85 Prozent häufigste Form des Lungenkrebses. Vor der Therapie prüften die Mediziner, ob in den Tumorzellen das EGFR-Gen verändert war. EGFR ist ein Eiweiß, das Tumoren wuchern lässt. Etwa jeder fünfte bis zehnte Patient mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom hat eine solche Mutation und damit zumindest etwas Glück im Unglück.

Denn das wildgewordene EGFR-Molekül lässt sich mit den Wirkstoffen Gefitinib (vermarktet als „Iressa“) und Erlotinib („Tarceva“) für eine gewisse Zeit blockieren. Zudem können die Mittel in Tablettenform geschluckt werden und sind meist besser verträglich als eine herkömmliche „Chemo“. Auch der Theaterregisseur Christoph Schlingensief wurde mit einem solchen Wirkstoff recht erfolgreich behandelt.

Die japanischen Mediziner verglichen Gefitinib mit etablierter Chemotherapie bei Patienten mit einer EGFR-Mutation. Im Mittel konnte das Wachstum des Tumors unter Gefitinib neun Monate und damit ein Vierteljahr länger hinausgezögert werden. Ob das Medikament auch das Überleben verlängert, ist noch unklar, schreibt Tetsuya Mitsudomi von der West Japan Oncology Group im Fachblatt „Lancet Oncology“. Klar ist schon jetzt, dass Gefitinib eine echte Alternative zur üblichen Behandlung darstellt.

„Auch wenn das noch kein großer Durchbruch ist, so gibt es doch Patienten, die eindeutig profitieren“, sagt der Krebsspezialist Wolf-Dieter Ludwig vom Helios-Klinikum Berlin-Buch. „Aber weitere Studien sind dringend erforderlich.“ Allerdings kostet ein Jahr Behandlung mit Gefitinib etwa 40 000 Euro.

Irgendwann wird der Tumor resistent und wuchert weiter. Das liegt oft daran, dass das EGFR-Gen erneut mutiert und sich so aus der Umklammerung durch das Medikament löst. Forscher des Dana-Farber-Krebsinstituts in Boston haben nun darauf reagiert. Sie entwickelten einen vielversprechenden Wirkstoff (Kürzel: WZ4002) gegen resistentes EGFR. Er soll, wie sie im Fachblatt „Nature“ schreiben, bis zu 100 Mal stärker wirken und zudem das EGFR-Eiweiß in gesunden Zellen schonen.

Aus dem kleinen kann ein großer Fortschritt werden.

Dr. Hartmut Wewetzer leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegels.

Der Tagesspiegel vom 27. Dezember 2009
 

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