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28
08
2010

Das Meiste können sie nach Ansicht von Purucker selbst zu Hause tun. Natürlich sollte man richtig und gründlich putzen, zwischen den Mahlzeiten nicht zu oft Süßes essen

Dr. Adelheid Müller-Lissner – Zahnhygiene Bürsten für den guten Biss – Gesunde Zähne sind zu 80 Prozent das Ergebnis der eigenen Hygiene am Waschbecken zu Hause. Lohnt es sich trotzdem, Geld für eine professionelle Reinigung auszugeben? Dr. Adelheid Müller-Lissner im Tagesspiegel

By GRR 0

Jeder will seine eigenen Zähne möglichst bis ins hohe Alter behalten. Dafür greifen immer mehr Menschen in die Tasche. Bei gesundheitsbewussten Zeitgenossen gehört es heute schon zum Standardprogramm, zweimal jährlich zum Zahnarzt zu gehen und sich dort von einer Prophylaxeassistentin die Zähne gründlich reinigen zu lassen.

Zwar ist es ärgerlich, dass die gesetzlichen Krankenkassen für die Kosten – sie können bis zu 150 Euro betragen – bei Erwachsenen nicht aufkommen. Aber trotzdem ergab schon 2003 eine Emnid-Befragung, dass 55 Prozent der erwachsenen Deutschen mindestens einmal eine professionelle Zahnreinigung (PZR) mitgemacht haben.

Kern der Behandlung ist die Entfernung von weichen Belägen und von Zahnstein auf den Oberflächen und in den Zwischenräumen zwischen den Zähnen. Dafür wird ein ganzes Arsenal von Hilfsmitteln eingesetzt: Bürstchen, Zahnseide, Sandpapierstreifen, bei Bedarf auch Ultraschallinstrumente und Pulverstrahlsysteme, Polierinstrumente, Spezialpasten und fluoridhaltige Lacke. Nach Ansicht von Oberarzt Peter Purucker aus der Abteilung für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie der Charité-Zahnklinik sollte aber unbedingt die vorsichtige Behandlung mit Handinstrumenten im Vordergrund stehen.

„Andere Geräte sollte man nur einsetzen, wenn viel fest anhaftender Zahnstein entfernt werden muss. Wenn nach der Behandlung der ganze Mund weh tut, ist das ein schlechtes Zeichen“, sagt er und kritisiert, dass bei der professionellen Zahnreinigung bisweilen zu heftig mit groben Pasten und falsch eingesetzten Geräten hantiert wird.

Unser größter Feind: Bakterien

Richtig angewendet, kann eine PZR aber durchaus sinnvoll sein. „Unser größter Feind sind die Bakterien, die muss man in Schach halten“, sagt Purucker. Denn bakterielle Zahnbeläge verursachen einerseits Karies – eine Zahnfäule, von der zuerst Zahnschmelz und Zahnbein befallen sind – und andererseits Parodontitis, eine Entzündung des Zahnhalteapparats, zu dem Zahnfleisch, Kieferknochen, Zahnhals und Wurzel gehören. Die Bazillen dauerhaft klein zu kriegen, ist eine Sisyphusarbeit, denn innerhalb von Stunden besiedeln die Mikroben frisch gereinigte Zahnoberflächen.

Schon nach etwa zwölf Stunden haben sie einen geschlossenen „Bakterienrasen“ gebildet. Aus diesem hat sich wieder einige Stunden später ein Zahnbelag (Plaque) entwickelt. Der wiederum ist in der Lage, Karies zu verursachen. Grundlage für Wachstum und Stoffwechselleistungen der Plaque ist der Zucker in der menschlichen Nahrung. Der ist umso schädlicher, je länger er auf die Zähne einwirken kann. „Karies kann man durch gute Mundhygiene, Einsatz von Fluoridlacken und Versiegelung enger Spalten (sogenannter Fissuren) auf den Kauflächen ganz gut in den Griff bekommen“, sagt Purucker. Doch Karies stellt nur für jüngere Zähne die Hauptgefahr dar. Ab 40 gehen die meisten Zähne nicht durch Karies, sondern durch Parodontitis verloren.

Mit der Professionellen Zahnreinigung wird den Ablagerungen, die Karies und Parodontitis verursachen, der Kampf angesagt. Meist übernehmen Zahnmedizinische Prophylaxeassistentinnen in der Praxis eines Zahnarztes die Behandlung. „Oberstes Gebot ist es für uns, den Zahn zu schätzen, zu schützen und zu bewahren und auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten einzugehen“, so Zahnärztin Ilona Kronfeld. Sie ist am Berliner Philipp-Pfaff-Institut für die Weiterbildung von zahnärztlichen Fachangstellten zuständig. Eine schwedische Langzeitstudie, die über mehr als 30 Jahre lief, hat gezeigt, dass konsequente PZR hilft, Zähne zu erhalten. Die Teilnehmer wurden dort sogar alle drei Monate zur großen Reinigung gebeten, nötigenfalls einschließlich der Ablagerungen, die sich unter dem Zahnfleisch in Taschen gebildet haben.

Spezielle Betreuung bei erhöhtem Risiko für Paradontitis

Zu den Aufgaben der Prophylaxeassistentinnen gehört es allerdings nicht, auch diese Zahnfleischtaschen zu reinigen. Das ist eine Spezialbehandlung, die Menschen mit Parodontitis aber dringend brauchen. Dentalhygienikerinnen, die das können und dürfen, müssen zusätzlich noch eine einjährige Fortbildung aufstocken, die ebenfalls im Philipp-Pfaff-Institut angeboten wird. Sie sind in Deutschland noch Mangelware.

Ein Parodontaler Screening Index (PSI), dessen Erhebung allen Erwachsenen beim Zahnarztbesuch alle zwei Jahre zusteht, klärt, ob sich schon tiefere, behandlungsbedürftige Zahnfleischtaschen gebildet haben. Nach Puruckers Erfahrung wird das allerdings nicht in allen Praxen regelmäßig untersucht. „Viele entdecken eine Parodontitis erst, wenn sich ein Zahn lockert.“

Menschen, die erblich bedingt ein erhöhtes Risiko für Parodontitis haben oder bei denen der PSI besorgniserregend ausfällt, brauchen spezielle Betreuung. Sie sollten auf jeden Fall regelmäßig eine PZR machen lassen. Dabei werden auch bakterielle Beläge unter dem Zahnfleischrand, sogenannte Konkremente, entfernt. An die kommt der Betroffene beim besten Willen selbst nicht heran.

Was aber ist mit den anderen? Mit denjenigen, die lange kein Loch im Zahn hatten und auch nicht unter Parodontitis leiden? Das Meiste können sie nach Ansicht von Purucker selbst zu Hause tun. Natürlich sollte man richtig und gründlich putzen, zwischen den Mahlzeiten nicht zu oft Süßes essen und die Zähne – vor allem, wenn man zu Karies neigt – zweimal in der Woche mit fluoridhaltigem Gelee verwöhnen. Darüber hinaus hängt ihr Erhaltung im wahrsten Sinne des Wortes am seidenen Faden: „Es hilft enorm, wenn man ein erotisches Verhältnis zur Zahnseide aufbaut“, rät Purucker.

Denn die ist für Feinheiten zuständig, für die Ablagerungen in den Zwischenräumen. Wer geschickt genug sei, könne zwischen zwei PZR auch festeren Belägen selbst mit Instrumenten zu Leibe rücken. Solche Scaler, die Zahnärzte zur Zahnsteinentfernung benutzen, entdecken dentalhygienisch interessierte Laien manchmal sogar beim Bummel über den Flohmarkt. „80 Prozent des Langzeiterfolgs gehen auf das Konto der eigenen Mundhygiene“, resümiert Purucker.

Im Umkehrschluss heißt das: Für immerhin 20 Prozent des Erfolgs ist die Zahnarztpraxis zuständig. Prophylaxe kann keine Wunder bewirken. Aber sie kann unterstützen und Anregungen zur Selbstpflege liefern. „Außerdem muss selbst der der Super-Zahnputz-Profi immer wieder neu motiviert werden“, meint Zahnärztin Kronfeld.

Die Abstände zwischen zwei Prophylaxen sollten ihrer Ansicht nach aber nicht dogmatisch für alle festgelegt, sondern individuell gewählt werden.

Dr. Adelheid Müller-Lissner im Tagesspiegel, Monatag, dem 23. August 2010

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