Auch unter anderem Blickwinkel haben sich Olympisches Ideal und Wirklichkeit auseinander gelebt. Längst haben Kommerz und Doping die olympische Bühne erobert und lassen klassische ethische Prinzipien nur mehr antik aussehen.
DOSB – Der KOMMENTAR – Andreas Müller in der DOSB Presse – Es brennt
Fast zeitgleich mit der spektakulären Entzündung der Olympischen Flamme im Nationalstadion von Peking sind kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Georgien und Russland ausgebrochen, die sich leicht zum Flächenbrand ausweiten können. Der blutige Konflikt in und um Südossetien wirft auch einen Schatten auf die Olympische Bewegung. Galt ursprünglich zur Zeit der Spiele die Friedenspflicht als heilig, so zeigt sich anno 2008 im Jahr der 29. Sommerspiele der Neuzeit leider: Anspruch und Wirklichkeit sind nicht einmal mehr in Bezug auf das höchste Gut deckungsgleich.
Auch unter anderem Blickwinkel haben sich Olympisches Ideal und Wirklichkeit auseinander gelebt. Längst haben Kommerz und Doping die olympische Bühne erobert und lassen klassische ethische Prinzipien nur mehr antik aussehen. Statt lupenreiner Amateure im Coubertinschen Sinn schritten beim Einmarsch der Athleten aus 204 Nationen zum Beispiel den Schweizern, sogar dem Team von Gastgeber China und der deutschen Delegation Millionen schwere Profis wie selbstverständlich Fahnen schwenkend voran. Bis der erste Fall von Betrug und Manipulation die Runde macht, schien nur eine Frage von Tagen. Radfahrerin Maria Isabel Moreno gebührt diese traurige Ehre. Die Spanierin wurde bei einer Kontrolle am 31. Juli in der chinesischen Hauptstadt positiv getestet und hat Peking bereits verlassen.
Kommerz und Doping verhöhnen den Olympischen Geist. Im Unterschied zu den unlauteren Mitteln als elementarer Bedrohung verhält es sich beim Pekuniären weitaus diffiziler. Der immer stärker anschwellende Geldfluss von Sponsoren und aus dem Verkauf der Fernsehechte gefährdet die Glaubwürdigkeit des olympischen Wertesystems. Andererseits braucht es Geld, um das „Universalgenie Olympia" am Leben zu erhalten.
Als wären es der ethischen Abweichungen, Zerrbilder und Zerreißproben nicht schon genug, hat das IOC mit der Vergabe der Spiele an Peking für eine zusätzliche Dimension im Spannungsfeld zwischen Pathos und Praxis gesorgt. Es ist nicht neu, dass die moralischen Qualitäten der „Weltregierung de Sports", von Athleten und ganzen Sportarten sowie des gesamten olympischen Mechanismus im kritischen Fokus stehen. Nie zuvor jedoch rückte die Frage nach der Integrität des Ausrichters dermaßen in den Vordergrund. Das IOC hat diesen Maßstab geradezu provoziert. Im Grunde genommen erklärt er sich auf ganz natürliche Weise.
Schließlich finden weder Olympische Spiele noch Welt- und Europa-Meisterschaften oder andere sportliche Ereignisse im luftleeren Raum statt.
DOSB – Andreas Müller