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15
02
2011

Außerdem gibt es da noch etwas, das nicht immer so leicht zu erklären ist. Wer nicht nur schnell laufen sondern auch gewinnen will, muss manchmal noch ,zaubern’ können, vor allem in der Endphase eines Wettkampfes.

Dieter Hogen: „Auch Supertalente müssen super trainieren“ – Wer gewinnen will, muss manchmal noch ,zaubern’ können, vor allem in der Endphase eines Wettkampfes! Teil I.

By GRR 0

Dieter Hogen, der frühere Trainer von Uta Pippig und heutige Coach einer Reihe von kenianischen Topläufern, hat aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung heraus den folgenden Beitrag zum Thema Talente-Erkennung verfasst.

Hier lesen Sie den ersten von zwei Teilen:

In der Vergangenheit, aber mitunter auch heute noch, wird oft die Frage diskutiert: „Was ist wichtiger, um in die Weltspitze vorzudringen: Talent oder harte Arbeit?“ Manche fragen sogar, wie viel Prozent macht Talent aus und wie viel Prozent Training?
 
Für meine Begriffe inszeniert jeder, der es sich zum Ziel setzt exakte Zahlen zu finden, für sich selbst einen riskanten Drahtseilakt mit sehr ungewissem Ausgang. Vielleicht sollte man überhaupt nicht versuchen, diese beiden Erfolgsvoraussetzungen auf derartige Weise in Relation zu setzen. Es ist durchaus möglich eine zufrieden stellende Antwort zu geben, ohne mit fragwürdigen Prozenten jonglieren zu müssen.

Natürlich sind beide Dinge, Talent und Training, untrennbar miteinander verbunden. Es beginnt schon damit, dass man erstens Talente nur erkennt, wenn sie sich auch betätigen und zweitens Entwicklungen bis hin zur Weltspitze selbst für hoch veranlagte Athleten nur durch kluge, jahrelange harte Arbeit möglich sind.

Wenn ich darüber nachdenke, fallen mir auch oft Beispiele aus anderen Bereichen des Lebens ein, zum Beispiel der Musik. Viele der großen Meister sind bereits als Kinder aufgefallen. Sie haben sich als 5-Jährige ans Klavier gesetzt und waren in der Lage in nur kurzer Zeit etwas nachzuspielen ohne jemals eine Note gesehen zu haben; niemand hatte sie darauf getrimmt. Ihre Veranlagung ließ sie die Musik besser hören, fühlen, tief empfinden und die Finger folgten.

Im Sport ist es nicht anders. Talente zeichnen sich durch überragende genetische Voraussetzungen aus und lernen schnell. Beim Laufen müssen von der physischen Seite her Herz und Lunge bestens funktionieren, die Sauerstoffaufnahme, der anschließende Transport und die Verwertung in der Muskelzelle zur Energiegewinnung. Die Menge der Enzyme und Mitochondrien – deren Produktion und Leistungsfähigkeit sind von enormer Bedeutung –, die Hormonproduktion, Eiweiß-Synthesen und vieles mehr das man in der Fachliteratur nachlesen kann. Bestimmte psychische- und Charaktereigenschaften sind nicht minder bedeutend.

Alles ist in einem vorgegebenen Rahmen entwickelbar, für jeden, aber Talente haben eine bessere Ausgangsposition und können sich außerdem mit entsprechender Arbeit an den für Menschen möglichen oberen Bereich dieses Rahmens hin entwickeln.

Selbstverständlich gibt es innerhalb einer bestimmten Gruppe unterschiedlich talentierte Athleten. Jeder hat Schwächen und Stärken. Diejenigen, die eine fast makellose Weste haben, bezeichnen wir oft als Supertalente. Wie uns aber die Erfahrung lehrt, erreichen auch sie erst Leistungen im Bereich der bestehenden Weltrekorde, wenn sie auch super trainieren, da macht weder Usain Bolt noch Haile Gebrselassie eine Ausnahme.

Außerdem gibt es da noch etwas, das nicht immer so leicht zu erklären ist. Wer nicht nur schnell laufen sondern auch gewinnen will, muss manchmal noch ,zaubern’ können, vor allem in der Endphase eines Wettkampfes. Vielen kommen hier sicher die Begriffe Wettkampftyp und ,Killerinstinkt’ in den Sinn. Wer will da immer sagen, wo genau das herkommt oder welche Prozente in Bezug zu was da eine Rolle spielen.

Wer kein Ausnahmetalent ist, das heißt von seiner genetischen Struktur hochgradig veranlagt, nicht gleichzeitig durch entsprechendes Training an seine Leistungsgrenzen geht, nicht seinen Charakter entsprechend den Anforderungen seiner Sportart beziehungsweise Disziplin geformt hat und nicht über die spezifischen psychischen Merkmale verfügt, die Training und Wettkampf  auf  höchstem Niveau möglich machen, wird keine Ausnahmeleistungen mehr erreichen. Für mich wäre dies eine völlig ausreichende Antwort auf die oben diskutierte Frage, da ich nicht glaube, dass mit den heutigen Methoden der Wissenschaft genaue prozentuale Verhältnisse errechenbar sind

Je weiter man allerdings in der Geschichte des Sports zurückgeht, umso mehr bestand die Möglichkeit, mangelndes Talent durch härtere oder auch klügere Arbeit auszugleichen und dadurch trotzdem in die Spitzenbereiche vorzudringen – dem würde ich zustimmen.  Ich würde dann aber auch gern hinzufügen, dass nach meiner Auffassung viele der Top-Athleten der Vergangenheit auch heute ganz vorne wären. Unter den damaligen sozialen und materiellen Bedingungen, dem Stand der Trainingswissenschaft, Ernährung oder der Materialentwicklung hatten sie sich durchgesetzt und waren die Besten, genauso wie sie mit Hilfe der heutigen Bedingungen auf höherem Niveau ebenso die Besten wären. Unsere Gene sind immer noch die gleichen.

Mit kluger Aufbauarbeit als Voraussetzung halte ich es im Ausdauerbereich durchaus für möglich, hohe Leistungen über einen Zeitraum von mindestens 15 Jahren zu erzielen.

race-news-service.com/Dieter Hogen


Weitere Trainings Informationen bei GRR von Dieter Hogen:

 

White Men can’t run – Weiße können nicht laufen? Dieter Hogen über das Training in Kenia und zur Situation der Laufszene in Kenia und Deutschland – Teil I

 

White men can’t run? – Teil II – Trainer Dieter Hogen glaubt, dass auch heute noch deutsche Lauftalente die Weltspitze erreichen können.

 

White men can’t run? / Teil III – Trainer Dieter Hogen glaubt, dass auch heute noch deutsche Lauftalente die Weltspitze erreichen können.

 

White men can’t run? / Teil IV – Trainer Dieter Hogen glaubt, dass auch heute noch deutsche Lauftalente die Weltspitze erreichen können.

 

Mehr News/Informationen über/mit Dieter Hogen auf der GRR-Trainings-News: GRR-Training-News Site

author: GRR

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