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02
2009

Es könne nicht angehen, dass die vereinbarten Medaillenziele und Medaillenzahlen öffentlich zusammengerechnet werden. „Das wäre keine gute Voraussetzung für London 2012“, behauptete Vesper

Die Zielvereinbarungen des DOSB – Geheimsache Olympia – Michael Reinsch, Berlin, Frankfurter Allgemeine Zeitung

By GRR 0

12. Februar 2009 Der Sport hat mehr Geheimnisse als man glaubt. Zwar geht es immer um Leistungssteigerung, wenn Vertreter des Sports die Lippen zusammenpressen, aber nicht immer um Manipulationen. Am Mittwoch versuchte sich der Sportausschuss des Deutschen Bundestages daran, eines der bestgehüteten Geheimnisse des deutschen Sports zu lüften. Er scheiterte.

Die Zielvereinbarungen, in denen der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) mit den Fachverbänden vereinbart, wer in Vancouver 2010 und in London 2012 wie viele Medaillen gewinnen soll, bleiben Verschlusssache. Auf „personenbezogene Daten, die nicht veröffentlich werden dürfen und sollen“, berief sich DOSB-Generaldirektor Michael Vesper, als er den Abgeordnete mit Musterverträgen und anonymisierten Beispielen kam.
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Vespers Geheimdiplomatie bringt Danckert auf – „Die Zahl der Medaillen wäre doch ganz interessant”: Peter Danckert (SPD) schimpfte im Ausschuss

Es könne nicht angehen, dass die vereinbarten Medaillenziele und Medaillenzahlen öffentlich zusammengerechnet werden. „Das wäre keine gute Voraussetzung für London 2012“, behauptete Vesper. „Die Zahl der Medaillen wäre doch ganz interessant“, erwiderte der Ausschuss-Vorsitzende Peter Danckert (siehe auch: „Bundesministerium für Sport“: Peter Danckerts Bewerbung). Ihn hatte Vesper nicht nur mit seiner Defensive im Ausschuss, sondern auch mit einer geheimdiplomatischen Offensive aufgebracht, Anrufen nämlich bei den sportpolitischen Sprechern der großen Koalition, Dagmar Freitag (SPD) und Klaus Riegert (CDU). Der Ausschuss sei als Ganzes zu behandeln, schimpfte Danckert. Vesper solle nicht versuchen, ihn „hintenrum zu unterlaufen.“

Doch die Funktionäre blieben hart. Sprechen wollten sie gern, Fragen beantworten immer, doch die Geheimdokumente vorlegen – nie und nimmer. „Eine Frage der internen Organisation des Sports“ nannte Andreas Trautvetter, Präsident des Deutschen Bob- und Schlittenverbandes und ehemaliger Finanz- und Innenminister von Thüringen, die Zielvereinbarungen. „Ich hätte etwas dagegen, die Verträge der 33 olympischen Sportarten würden zusammengelegt und es würde ein Buch daraus gemacht und das würde auf dem Markt ausgetragen“, sagte er. Immerhin deutete die Erklärung der Geheimniskrämerei an: „Es würde gefragt, warum haben die solche Zielvorgaben und wir solche?“ Kosten- und Personalstrukturen seien aber nicht vergleichbar.

Das Prinzip des Aufteilen und Herrschens soll unberührt bleiben

Vom Ehrgeiz der Ziele hängen die Zuweisungen ab, die der DOSB aus den Fördermitteln des Innenministeriums vornimmt. Schon seit eh und je achtet der Dachverband streng darauf, dass nicht dem einen Verband bekannt wird, wie viel Geld der andere erhält. Dieses Prinzip des Aufteilens und Herrschens soll unberührt bleiben. „Und Sportausschuss und Haushaltsausschuss nicken das nur noch ab?“ fragte Danckert sarkastisch. „Wir werden nur auf einen gemeinsamen Nenner kommen, wenn Transparenz gegeben ist“, warnte er. „Jeder Versuch, etwas unter den Teppich zu kehren, wird schief gehen.“

Sein Kollege Winfried Herrmann von den Grünen ergänzte: „Wer überwiegend von öffentlichen Geldern lebt, muss auch mit öffentlicher Kontrolle leben.“ Ihm gehe es nicht nur darum, nachvollziehen und vertreten zu können, wer wie viel Geld bekommt, sondern auch um die damit verbundenen Vorstellungen. „Welche Strategie verfolgt der Sport?“, fragte er und warnte davor, Medaillenchancen in Sportarten mit geringer Verbreitung wichtiger zu nehmen als die gesellschaftliche Relevanz einer Sportart.

Die Stelle für das Zielvereinbarungs-Monitoring soll bald besetzt werden

„Zielvereinbarungen werden nicht in Hinterzimmern ausgehandelt“, sah sich schließlich Vesper genötigt auszuführen. „Sie, Herr Vorsitzender, rücken sie gern ins Zwielicht“. Die Vereinbarungen schafften aber endlich Transparenz. Jeder Euro unterliege der öffentlichen Kontrolle. „Die Mutter aller Zielvereinbarungen“, verriet er, sei die zwischen DOSB und Bundesinnenminister. Darin sei festgehalten, dass Deutschland in Vancouver, nach Goldmedaillen gerechnet, wieder die Nummer eins werden wolle – oder solle? – und in London unter die Top fünf kommen.

Geheimdiplomatische Offensive: DOSB-Generaldirektor Michael Vesper

In den meisten Verbänden sei das Aushandeln dieser Zielvereinbarung Chefsache, aus dem Innenministerium ist auch stets jemand dabei, allerdings nur, wie das Ministerium wortreich klarstellte, um zuwendungsrechtliche Fehler zu vermeiden. Beim DOSB, verriet dessen Leistungssportdirektor Bernhard Schwank, sei eine Stelle für das Monitoring der Zielvereinbarungen mit ihren Details und Meilenstein-Zwischengesprächen geschaffen worden und werde bald besetzt. In den Verbänden sei Transparenz eingekehrt, beteuerte Thomas Weickert, Präsident des Deutsche Tischtennis-Bundes. „Früher war nicht nachvollziehbar, wofür wir wie viel Geld bekommen.“ Jetzt sei das Handeln zielgerichteter.

Zu überlegen: die parlamentsfreundliche Arbeitsform der Mittelverteilung

Auch Staatssekretär Christoph Bergner aus dem Innenministerium lobte dieses zukunftsweisendes Steuerungsmodell. Man werde sich wohl, räumte er ein, eine parlamentsfreundliche Arbeitsform der Mittelverteilung überlegen müssen. Es gelte aber, die Zuwendungs- und Vertragsgestaltung im Lichte der Unabhängigkeit der Verbände zu sehen. Am Ende war es dann auch bei Danckert vorbei mit der Transparenz.

Der CDU-Abgeordnete Riegert sprach ihn auf ein Interview an, in dem er von flächendeckendem Doping im olympischen Sport gesprochen hatte und forderte ihn auf, Daten, Fakten und Namen zu nennen. Danckert erwiderte: „Ich werde darüber sprechen. Aber nicht jetzt und nicht hier und schon gar nicht unter dem Punkt Verschiedenes.“

Michael Reinsch, Berlin, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Donnerstag, dem 12. Februar 2009

author: GRR

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