Schwellenländer wie Brasilien übernehmen zunehmend geopolitische Verantwortung, nicht nur im Sport. In der Weltwirtschaft entwickelt sich die G 8 zur G 20. Nun erweitert sich auch die Welt der Olympischen Spiele – das finde ich positiv.
Die Zeit für Südamerika war gekommen“ – IOC-Vizepräsident Thomas Bach über Rios Olympia-Sieg und Münchens Chancen auf die Winterspiele – Robert Ide im Tagesspiegel
Herr Bach, Rio de Janeiro hat überraschend den Zuschlag für die Olympischen Spiele 2016 erhalten. War das eine Abstrafung für die USA?
Nein, es war eine Entscheidung zugunsten von Rio. Und es war eine Entscheidung für die Universalität der olympischen Bewegung. Erstmals finden die Spiele in Südamerika statt, die Zeit dafür war einfach gekommen. Aber das heißt doch nicht, dass Chicago abgestraft werden sollte. Jeder Entscheider hatte einen Stimmknopf, auf dem er für eine Stadt votieren konnte – nicht gegen eine.
Aber dass Chicago trotz persönlicher Unterstützung durch US-Präsident Barack Obama schon in der ersten Runde ausgeschieden ist, war eine Überraschung.
Sicherlich, aber es ist auch ein Zeichen weit über Chicago hinaus. Schwellenländer wie Brasilien übernehmen zunehmend geopolitische Verantwortung, nicht nur im Sport. In der Weltwirtschaft entwickelt sich die G 8 zur G 20. Nun erweitert sich auch die Welt der Olympischen Spiele – das finde ich positiv.
Allerdings fehlt auf Ihrer Landkarte noch ein afrikanisches Land. Der Fußball ist da schon weiter und trägt die Weltmeisterschaft schon im kommenden Jahr in Südafrika aus. Wie lange wird es noch dauern, bis Olympia nachzieht?
Das kann man nicht vergleichen. Die Olympischen Spiele verlangen noch einmal eine ganz andere Komplexität in der Organisation. Man hat ja gesehen, dass Rio de Janeiro mehrere Anläufe gebraucht hat, um mit einer auch technisch guten Bewerbung überzeugen zu können. Und was Afrika betrifft: Diese Zeit wird sicherlich auch einmal kommen.
Herr Bach, Sie sind ja auch Chef des deutschen Sports. Sind Sie erleichtert, dass mit der Entscheidung für Rio die Chancen von München auf die Winterspiele 2018 nicht gerade geschmälert wurden?
Ich denke, die Münchner Bewerber sollten nicht auf andere schielen – und schon gar nicht auf Austragungsorte von Sommerspielen. An Rios Erfolg hat man doch gesehen, wie wichtig es ist, die eigenen Stärken herauszustellen.
Hat Rios Sieg nicht auch gezeigt, dass es mehrere Anläufe braucht?
Nein, das ist nicht zwangsläufig. Zumal man anerkennen muss: Olympische Winterspiele können nicht in allen Regionen der Welt stattfinden, Sommerspiele theoretisch schon.
Das Gespräch führte Robert Ide. Der Tagespiegel, Sonntag, dem 4. Oktober 2009
Thomas Bach, 55,
ist Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes, der für Winterspiele 2018