Dr. Dr. Lutz Aderhold - Foto: privat
Die Zeckenzeit beginnt und damit die Gefahr für eine Lyme-Borreliose oder Frühsommer-Meningo-enzephalitis (FSME) – Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
In großen Teilen Europas (inklusive Deutschland) sind die Lyme-Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) die häufigsten Infektionskrankheiten, die durch Zecken übertragen werden.
Schätzungsweise 60.000 bis 200.000 Menschen erkranken in Deutschland jedes Jahr an Borreliose und etwa 400 an FSME (Spitzenwert 2022: 565 Fälle). Milde Winter sorgen zudem dafür, dass die Zecken schon recht früh aktiv werden. Die Mehrzahl der Infektionen wird im Rahmen verschiedener Freizeitaktivitäten erworben, so z. B. auch beim Laufsport.
In Europa finden wir die verbreitete Zeckenart Ixodes ricinus, auch „Gemeiner Holzbock“ genannt. Das erwachsene weibliche Exemplar kann bis zum 200-fachen seines Gewichts an Blut aufnehmen. Die Zecken sind zwischen Frühling und Herbst aktiv. Sie sind überall dort im Grünen zu finden, wo Läufer auch unterwegs sind: in Wäldern, Parks, auf Wiesen, selbst in Grünanlagen großer Städte.
Die Zecke sitzt auf den Spitzen von Pflanzen und wird im Vorübergehen abgestreift oder lässt sich z. B. von einem Strauch auf den Menschen fallen. Sie sucht sich dann eine geeignete Stelle (dünne Hautpartie), um Blut zu saugen. Durch die betäubende Wirkung des Zeckenspeichels ist der Stich nicht schmerzhaft und bleibt daher oft unbemerkt. Bevorzugte Stellen beim Menschen sind die behaarte Kopfhaut, Ohren, Hals, Arm- und Kniebeugen, Leistengegend sowie Hände und Füße. Mit dem Zeckenspeichel werden Krankheitserreger übertragen. Dabei handelt es sich in Deutschland hauptsächlich um das Bakterium burgdorferi und das FSME-Virus. Ungefähr 20–30 % der geschlechtsreifen Zecken sind mit Borrelia burgdorferi infiziert, das FSME-Virus kommt nur in Teilen Deutschlands vor.
Lyme-Borreliose
Den Namen erhielt die Lyme-Borreliose von dem amerikanischen Ort Old Lyme, wo 1975 erstmals der Zusammenhang zwischen Arthritis und Zeckenstichen hergestellt werden konnte. Die Erkrankung zeigt vielgestaltige Symptome und verläuft in drei Stadien (Satz 2010). Bis zu vier Wochen nach der Infektion kommt es häufig zu einer ringförmigen Rötung um die Einstichstelle, die sich ausbreitet und im Zentrum wieder verblasst (Wanderröte oder Erythema migrans).
Die Rötung verursacht weder Schmerzen noch Juckreiz. Begleitend können Allgemeinsymptome wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Konjunktivitis oder Lymphknotenschwellungen auftreten. Auch eine Eiweißausscheidung im Urin und erhöhte Leberwerte (Transaminasen) sind möglich (Stadium I). Stellt man eine solche Wanderröte fest, sollte sofort ein Arzt aufgesucht werden.
Nach Wochen bis Monaten kann die Infektion in das Stadium II übergehen. Die Erreger breiten sich über die Blut- und Lymphbahnen aus und befallen Organe, den Bewegungsapparat und das zentrale Nervensystem. Es kommt zu Schmerzen und Lähmungserscheinungen. Typisch sind Lähmungen der Gesichtsmuskulatur (Fazialisparese). Es können aber auch Augenentzündungen (Iritis), Gehirn-, Hirnhaut- und Herzmuskelentzündungen (Scheffold et al. 2015) auftreten. Monate bis Jahre nach der Infektion kommt es im Stadium III zu chronischer Arthritis, besonders der Kniegelenke (Lyme-Arthritis). Hinzu tritt eine chronische Entzündung der Haut (Acrodermatitis chronica atrophicans). Auch Entzündungen des Gehirns und Rückenmarks mit Lähmungen, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen können sich entwickeln.
Aderhold L, Weigelt S. Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. München: Elsevier 2018.
Therapie
Wenn nach der Vorgeschichte und dem klinischen Bild eine Borreliose wahrscheinlich ist, muss die Therapie sofort beginnen. Serologische Testverfahren erlauben den Nachweis erhöhter IgM- und/oder IgG-Antikörper in den ersten Wochen nach der Infektion bei 50 % und nach mehr als vier Wochen bei 80 % der Patienten. Die labordiagnostische Lücke in der Frühphase darf nicht zu therapeutischer Untätigkeit verleiten, denn eine negative Serologie schließt eine Frühinfektion nicht aus. Die Behandlung erfolgt mit Antibiotika, die je nach Stadium oral oder durch Infusion verabreicht werden. Je länger die Infektion zurückliegt, desto häufiger kommt es zu einem Versagen der antibiotischen Therapie. Vermutlich sind die Borrelien im kollagenen Gewebe für Antibiotika schlecht erreichbar. Achten Sie deshalb nach einem Zeckenstich auf das Auftreten einer Wanderröte.
Vorbeugung
Die prophylaktische Behandlung mit Antibiotika nach einem Zeckenstich wird nicht empfohlen. Eine Impfung gegen die in Deutschland auftretenden Erreger der Lyme-Borreliose ist noch nicht möglich. Im klinischen Teststadium befindet sich derzeit ein Gel mit Azithromycin (Antibiotikum), das nach einem Zeckenstich aufgetragen wird.
FSME
Im Gegensatz zur verbreiteten Lyme-Borreliose besteht die Gefahr einer FSME-Infektion durch einen Zeckenstich nur in bestimmten Gebieten. Das Risiko für durch Zecken übertragene Hirnhautentzündungen ist deutschlandweit weiter gestiegen. Betroffen sind vor allem Baden-Württemberg und Bayern. Die Verbreitung schreitet im Osten nach Österreich und Tschechien, im Westen ins Elsass und in die Schweiz sowie im Norden nach Thüringen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Niedersachsen und Hessen fort. Aktuell sind 180 Kreise als FSME-Risikogebiete ausgewiesen. Auch in den Endemie-Gebieten sind in der Regel nur 3–5 % der Zecken mit dem FSME-Virus infiziert.
7–14 Tage nach dem Zeckenstich kommt es bei einer Infektion zu Anzeichen wie bei einer „Sommergrippe“ mit
- Fieber,
- Abgeschlagenheit,
- Kopfschmerzen und
- Magen-Darm-Beschwerden.
Die Symptome bestehen 2–4 Tage. Es schließt sich ein beschwerdefreies Intervall von ca. acht Tagen an. Danach folgt bei etwa 10 % der Erkrankten die zweite Phase mit Hirnhaut- und/oder Gehirnentzündung. Bleibende Schäden wie z. B. Lähmungen bleiben in 10 % der Fälle zurück.
Therapie
Eine direkte Behandlung gegen das FSME-Virus gibt es nicht, es können nur die Symptome der Erkrankung gemildert werden (Satz 2006). Die Mehrzahl (99 %) der 2023 übermittelten FSME-Erkrankten war gar nicht oder unzureichend geimpft, d.h. die Grundimmunisierung war unvollständig oder Auffrischimpfungen fehlten. Mit einer Schutzimpfung, bei der drei Impfdosen innerhalb von 12 Monaten verabreicht werden, erreicht man eine ca. 5-jährige Immunität. Geimpft werden sollte, wer in einem Endemie-Gebiet lebt oder dort Urlaub macht und zeckenexponiert ist, also auch der Läufer, der sich viel in Wald und Flur aufhält.
Selbst mit einem Schnellimpfschema am 1., 7. und 21. Tag können innerhalb von drei Wochen ausreichende Antikörpertiter erreicht werden. Eine Auffrischungsimpfung ist dann bereits nach 12–18 Monaten erforderlich. Bis zu vier Tage nach einem Zeckenstich besteht auch die Möglichkeit einer passiven Immunisierung durch Gabe von Immunglobulinen.
Vorbeugung
Neben der Impfung können die folgenden Verhaltensregeln einer Infektion durch Zeckenbiss entgegenwirken:
- Bleiben Sie im Wald auf den Wegen und laufen Sie nicht durch Gras und Unterholz.
- Tragen Sie geschlossene Kleidung (als Läufer im Hochsommer ist dies jedoch kaum möglich).
- Reiben Sie sich mit bestimmten Gliedertieren und Insekten abwehrenden Mitteln (kein absoluter Schutz) ein.
- Suchen Sie nach der Aktivität im Freien den Körper nach Zecken ab.
- Ist es trotzdem zu einem Zeckenstich gekommen, sollten Sie die Zecke mit einer Pinzette, einer speziellen Zeckenkarte oder mit den Fingernägeln aus der Haut ziehen. Achten Sie darauf, dass dabei kein Druck auf die Zecke ausgeübt wird.
Hierdurch soll ein Eindringen von Viren oder Borrelien in die Wunde vermieden werden. Wenden Sie Öl, Alkohol, Nagellack oder Klebstoff nicht an, da damit unter Umständen die Übertragung von Erregern gefördert wird. Desinfizieren Sie die Einstichstelle und kontrollieren Sie die Haut in den nächsten vier Wochen auf eine entstehende Wanderröte.
Aufgrund der immer weiter fortschreitenden Verbreitung von Zecken, die mit Borrelien und dem FSME-Erreger infiziert sind, muss bei Sportlern, die sich viel in der Natur aufhalten, an die Möglichkeit einer Infektion gedacht werden, wenn
- grippeähnliche Symptome,
- Muskel- und Gelenkschmerzen oder -schwellungen,
- Nervenlähmungen,
- Herzprobleme,
- Abgeschlagenheit,
- Leistungsschwäche,
- Kopfschmerzen u. a. auftreten.
Weitere Informationen finden Sie unter www.zecken.de und www.rki.de sowie www.borreliose-infektionskrankheiten.de
Dr. Dr. med. Lutz Aderhold
Die Literatur und weitere Hinweise finden Sie in:
Aderhold L, Weigelt S. Laufen! Vom Einsteiger bis zum Ultraläufer. München: Elsevier 2018.