Angesichts der großen Probleme des Sports dieser Welt, die sich gerade auch im Wettkampfsport der Erwachsenen zeigen, angesichts von Betrug, Gewalt, Korruption und Manipulation, ist es dringender denn je, dass für die zukünftigen Generationen des Sports neue Leitbilder und nachahmenswerte Beispiele geschaffen werden an denen man sich dort zu orientieren hat wo der tägliche Sport stattfindet.
Die Olympischen Jugendspiele 2010 in Singapur sind eine große Chance – Prof. Dr. Helmut Digel
Im August dieses Jahres soll in Singapur olympische Geschichte geschrieben werden. Nachdem Pierre de Coubertin 1896 die Olympischen Spiele neu begründete und seit diesem Zeitpunkt 29 Olympische Sommerspiele und 21 Olympische Winterspiele äußerst erfolgreich durchgeführt werden konnten, werden nun die ersten Olympischen Jugendspiele das besondere Vermächtnis von Jacques Rogge, dem derzeit amtierenden Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), sein.
Neun Tage lang treffen sich in Singapur Jugendliche verschiedenster Altersgruppen und messen sich in den sportlichen Wettkämpfen der olympischen Sommersport-arten. Zwei Jahre später werden die ersten Olympischen Winterspiele in Innsbruck stattfinden.
Geht es nach dem Willen des Begründers der Olympischen Jugendspiele, so sollen diese Spiele einen ganz besonderen Charakter haben. Im Sinne Pierre de Coubertins soll die olympische Erziehung das Zentrum dieser Spiele bilden. Die Spiele sollen von einer Kultur des Fair play geprägt sein. Das Ereignis soll Modellcharakter haben. Der olympische Sport möchte sich als offen für die Jugendlichen der Welt darstellen. Er möchte ein Zeichen setzen, das für alle Kinder und Jugendlichen der Welt sich als attraktiv und bedeutsam erweisen kann.
Eine Weltgesellschaft, die sich durch eine fortschreitende Globalisierung auszeichnet, kann auf viele positive Errungenschaften verweisen. Davon haben vor allem auch die Kinder und Jugendlichen profitiert. Globaler Konsum, eine globale Medienkultur, global wirksame Unterhaltungsprogramme haben die Lebensstile der Jugendlichen in aller Welt immer intensiver beeinflusst. Den positiven Seiten stehen dabei auch erhebliche Gefahren gegenüber. Notwendiger Konsum kann überflüssiger Konsum werden, notwendige Informationen können durch einen Informationsüberfluss abgelöst werden.
Die neue Internetwelt kann die Jugendlichen an sich binden, sie kann aber auch Suchtgefahren in sich bergen. Immer mehr wird die unzureichende Fitness von Kindern und Jugendlichen beklagt. Adipositas wird zur Weltkrankheit von Kindern und Jugendlichen. Leistungsbereitschaft, Disziplin und soziales Engagement scheinen dabei jene Tugenden zu sein, die in der Gefahr sich befinden, dass sie angesichts der Globalisierungswirkungen auf der Strecke bleiben.
All diesen Tendenzen soll ein Sport entgegen gestellt werden, der eine bessere Welt möglich macht, in dem Kinder und Jugendliche Wichtiges erfahren können, in dem sie sich erproben können für ihre zukünftige Rolle als Erwachsene. Dabei soll dies ein Sport sein, der sich durch Wetteifer und Leistungsbereitschaft auszeichnet, in dem aber das Prinzip des Fair play das unbestrittene Leitbild darstellt.
Der Begründer der Jugendspiele weiß, dass sich solche Vorstellungen in der heutigen Zeit dem Vorwurf des unrealistischen Idealismus zu stellen hat. Er weiß, dass bei den ersten Spielen manches von dem, was er sich vorgenommen hat, nicht erreicht werden kann. Während der Spiele wird es sich zeigen, dass auch der Hochleistungssport der Jugendlichen keine heile Welt ist. Doch selbst wenn es bei den Spielen Dopingverstöße geben würde, mit denen man rechnen muss, so ist die prinzipielle Idee des Begründers dieser Spiele dadurch nicht in Frage zu stellen.
Angesichts der großen Probleme des Sports dieser Welt, die sich gerade auch im Wettkampfsport der Erwachsenen zeigen, angesichts von Betrug, Gewalt, Korruption und Manipulation, ist es dringender denn je, dass für die zukünftigen Generationen des Sports neue Leitbilder und nachahmenswerte Beispiele geschaffen werden an denen man sich dort zu orientieren hat wo der tägliche Sport stattfindet.
Die Spiele von Singapur werden kleiner als die großen Spiele sein. Sie werden auch beschei-dener sein und schon heute kann man verärgerte Reaktionen beobachten. Es wird nicht den Luxus der großen Spiele geben. Auch die Funktionäre haben mit Bussen zu fahren. Auf ihre liebgewonnenen Limousinen haben sie zu verzichten. Die Unterbringung ist weniger spektakulär als dies bei Olympischen Spielen der Fall ist. Nur wenige Funktionäre werden eine Akkreditierung erhalten, und auch die Presse hat sich zu bescheiden. Das Fernsehbild wird nur sehr begrenzt zugänglich sein.
Dies alles ist gewollt, denn es geht nicht um neue Marketing- und Fernseheinnahmen und um Gewinnmaximierung. Es geht viel mehr um das Ereignis selbst, um die Möglichkeit, Kindern und Jugendlichen bedeutsame Erfahrungen zu eröffnen, die für deren Sozialisation und zukünftigen Perspektiven in der Welt des Sports wichtig sein können.
Deshalb werden auch weniger Betreuer als üblich zugelassen. Die internationalen Verbände sind nur mit wenigen Repräsentanten anwesend und Empfänge und ergänzende Veranstaltungen sind auf ein Minimum reduziert. Dafür haben die Jugendlichen die Möglichkeit untereinander zu debattieren, neue Körper- und Bewegungserfahrungen zu machen, und sich in innovativen Wettkämpfen zu messen. Sie können sich auf einen engagierten Anti-Dopingkampf verpflichten lassen. Sie erfahren die Vielfältigkeit von Kulturen und es eröffnet sich für sie die Möglichkeit von anderen zu lernen.
Von manchem wichtigen Sportfunktionär wird der Begründer der Olympischen Jugendspiele belächelt. Das alles ist ja nicht richtiger Hochleistungssport und vielleicht ist auch manche Idee tatsächlich naiv. Gewiss wird man nach den Wettkämpfen auf Seiten der Sieger vom Olympiasieger sprechen, auch dann, wenn man im offiziellen Sprachgebrauch diesen Begriff bei den Olympischen Spielen nicht verwenden möchte. Vermutlich wird es klammheimlich eine Nationenwertung geben, auch wenn dies in der Charta des IOC nicht vorgesehen ist.
Auch die Huldigung von jungen Helden wird zu beobachten sein, auch dann, wenn Jugendliche mit dieser Rolle überfordert sind. Gewiss wird man sich ganz anderer Medien zu bedienen haben, wenn man Kinder und Jugendliche in ihrer Persönlichkeit beeinflussen möchte, wenn man sie erziehen und bilden möchte. Großveranstaltungen taugen nur wenig, um sie Erziehungsidealen zu unterwerfen. Daran sollten deshalb die Spiele von Singapur auch gar nicht gemessen werden.
Wenn die Spiele aber neue Diskussionen eröffnen, wenn sie auf wichtige Herausforderungen hinweisen, wenn sie im wahrsten Sinne des Wortes eine Zeigefunktion in Bezug auf den Weg des Olympismus haben, den dieser zukünftig zu gehen hat, dann hätte sich die Innovation schon heute gelohnt und man darf sich auf die Neuauflagen freuen.
Prof. Dr. Helmut Digel
Quelle: DOSB