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29
07
2021

Ruth Chepngetich ist eine Topfavoritin beim olympischen Marathon.- Foto: Colombo / Standard Chartered Dubai Marathon

Die Läufe bei Olympia Tokio 2020: Weltrekordlerin Kosgei gegen Weltmeisterin Chepngetich, Melat Kejeta mit guten Platzierungschancen – Vorschau auf die Lauf-Wettbewerbe bei den Olympischen Spielen (Teil 5): Marathon der Frauen

By GRR 0

Teil 5 der Vorschau auf die Lauf-Wettbewerbe bei den Olympischen Spielen beschäftigt sich mit dem Marathon der Frauen. Hier sind die Kenianerinnen Brigid Kosgei und Ruth Chepngetich die großen Favoritinnen.

Eine sehr gute Platzierung ist Melat Kejeta zuzutrauen, sofern sie mit der Hitze klarkommt.

Die Zeitangabe bezieht sich auf die deutsche Zeit (MESZ).

Marathon

Finale: 7. August, 0.00 Uhr

Olympiasiegerin 2016: Jemima Sumgong Jelagat (Kenia)

Weltmeisterin 2019: Ruth Chepngetich (Kenia)

Weltrekord: 2:14:04 Brigid Kosgei (Kenia/2019)

Deutscher Rekord: 2:19:19 Irina Mikitenko (TV Wattenscheid/2008)

Jahresweltbestzeit: 2:19:35 Hiwot Gebrekidan (Äthiopien)

Unter normalen Umständen müsste die neue Olympiasiegerin entweder Brigid Kosgei oder Ruth Chepngetich heißen. Die beiden Kenianerinnen sind die großen Favoritinnen. Aber in einem olympischen Marathon kann viel passieren. Es hat in der Geschichte der Spiele schon viele dramatische Rennen über die 42,195 km gegeben. Oftmals spielte dabei auch das Klima eine Rolle. Und dies wird sicher auch in Sapporo, wo die Marathonläufe stattfinden, so sein. Die Rennen wurden nach Nord-Japan verlegt, um der extremen Hitze und hohen Luftfeuchtigkeit in Tokio aus dem Weg zu gehen.

Doch derzeit ist es in Sapporo fast genauso heiß wie in der japanischen Hauptstadt. Die Läuferinnen müssen sich auf ein Hitzerennen einstellen. Nur wer mit den feucht-heißen Bedingungen klarkommt, kann ein gutes olympisches Rennen laufen.

Mit Brigid Kosgei (Bestzeit: 2:14:04) und Ruth Chepngetich (2:17:08) treffen in Sapporo die Weltrekordlerin und die Weltmeisterin aufeinander. Kosgei gewann zuletzt jeweils zweimal bei den Top-Marathonrennen in London und Chicago. Ihr Weltrekord ist zwar satte 3:04 Minuten schneller als die Bestzeit von Chepngetich (2:17:08), doch die Weltmeisterin hat beim erstaunlichen Lauf zur Goldmedaille im brütend heißen Doha 2019 extreme Hitze-Tauglichkeit bewiesen. Zudem lief Ruth Chepngetich im April einen Halbmarathon-Weltrekord (64:02 Minuten).

Die dritte kenianische Läuferin beim Olympia-Marathon ist Peres Jepchirchir. Sie ist die aktuelle Halbmarathon-Weltmeisterin und steigerte ihre Marathon-Bestzeit im vergangenen Dezember in Valencia auf die Weltklassezeit von 2:17:16 Stunden. Auch Peres Jepchirchir gehört zu den Medaillenkandidatinnen.

Die aus Kenia stammende Lonah Salpeter (Israel/Bestzeit: 2:17:45) und die äthiopischen Läuferinnen Roza Dereje (2:18:30), Birhane Dibaba (2:18:35) und Tigist Girma (2:19:56) sind vielleicht nicht ganz so stark einzuschätzen wie das kenianische Trio. Doch es wird eben viel davon abhängen, welche Läuferinnen in der Hitze gut rennen können. Hier könnten die Japanerinnen einen echtem Heimvorteil haben: Mao Ichiyama ist mit einer persönlichen Bestzeit von 2:21:11 Stunden die schnellste von ihnen.

Zu rund einem Dutzend Athletinnen, die zumindest in den Kampf um die vorderen Plätze eingreifen können, zählt auch Melat Kejeta (Laufteam Kassel). Ihr zweiter Platz bei der Halbmarathon-WM 2020 hat gezeigt, dass sie im Marathon noch erhebliches Potenzial hat. Über die „halbe Distanz“ brach sie bei der WM mit 65:18 Minuten den deutschen Rekord und erreichte eine absolute Weltklassezeit. Unter normalen Umständen müsste sie in einem schnellen City-Marathon mit Tempomachern und kühlen Temperaturen Zeiten von klar unter 2:20 Stunden erreichen können. Das gilt für Sapporo natürlich nicht. Olympische Rennen sind meist von Taktik geprägt, und zumindest in der ersten Hälfte ist das Tempo oft verhalten.

Obwohl sie in ihrer Karriere erst einen einzigen Marathon gelaufen ist – in Berlin hatte Melat Kejeta 2019 mit 2:23:57 Stunden überrascht -, setzt sich die 28-jährige, aus Äthiopien stammende Läuferin hohe Ziele: „Mein größtes Ziel ist es, eine Medaille für Deutschland nach Hause zu bringen. Aber ich würde mich auch sehr freuen, wenn ich unter die Top 10 komme.“ Eine solche Platzierung hat in einem olympischen Marathon in diesem Jahrtausend noch keine deutsche Läuferin erreicht. Melat Kejeta hat sich in den letzten Wochen im Höhentraining in Kenia auf die Olympischen Spielen vorbereitet. „Ich denke, meine Form ist sehr gut. Das Training ist hier hart, aber meine Erholung vom Training ist sehr gut.“

Melat Kejata – Berlin-Marathon 2019 – – Foto: Norbert Wilhelmi

Das entscheidende wird auch bei den deutschen Läuferinnen sein, wie sie mit den Wetterbedingungen klarkommen. „Hier haben die Asiatinnen sicherlich einen Vorteil“, sagt Katharina Steinruck (Eintracht Frankfurt). Die 31-Jährige, die vor vier Jahren Olympia in Rio unglücklich verpasste, ist die einzige erfahrene Marathonläuferin unter den drei deutschen Starterinnen in Sapporo. Allerdings ist sie auch keine Hitzeläuferin. Mit hohen Temperaturen kam Katharina Steinruck in der Vergangenheit nicht so gut zurecht. „Aber in den letzten zwei, drei Jahren bin ich hitzeresistenter geworden“, sagt Katharina Steinruck, die im April den Enschede-Marathon mit einer persönlichen Bestzeit von 2:25:59 Stunden gewonnen hatte.

Katharina Steinruck – Foto: www.photorun.net – 2017 Frankfurt Marathon – Frankfurt, Germany October 29, 2017
Photo: Victah Sailer@PhotoRun – Victah1111@aol.com

Nach einem Höhentraining in Livigno hat sich Katharina Steinruck seit Anfang Juli zu Hause auf den Olympia-Marathon vorbereitet. „Dabei habe ich auch bewusst in der Wärme trainiert. Das Training lief insgesamt prima, ich bin sehr zufrieden damit und die Form ist richtig gut“, sagt die Tochter der Marathon-Bundestrainerin Katrin Dörre-Heinig, die 1988 in Seoul Olympia-Dritte im Marathon war. „Jetzt müssen wir vor Ort sehen, wie die Bedingungen wirklich sind und was möglich ist. Ich gebe immer mein Bestes“, sagt Katharina Steinruck, die ausgerechnet hat, dass sie mit ihrer Bestzeit in der Marathon-Startliste Platz 23 einnimmt. „Aber das hat keinerlei Aussagekraft. In einem olympischen Marathon kann so viel passieren. Die Topfavoritin kann einbrechen und eine Newcomerin könnte plötzlich vorne mitlaufen.“

Deborah Schöneborn  (LG Nord Berlin), die sich im Dezember 2020 in Valencia auf 2:26:55 Stunden steigerte und damit etwas überraschend das Olympia-Ticket sicherte, wird in Sapporo erst ihren dritten Marathon laufen. 2019 war sie in Köln bei ihrem Debüt nach 2:31:18 im Ziel. „Die Grundvoraussetzungen sind jetzt ganz andere. Vor dem Köln-Marathon war ich noch Vollzeit-Studentin, vor Valencia konnte ich nur in Deutschland trainieren, also oft in der Kälte“, erzählt Deborah Schöneborn. „Jetzt war ich zum ersten Mal in einem langen, fast sechswöchigen Höhentrainingslager mit dem Deutschen Leichtathletik-Verband in St. Moritz. Ich werde sehr fit an der Startlinie in Sapporo stehen.“

Deborah Schöneborn, hier nach ihrem erfolgreichen Marathon-Debüt in Köln vor einem Jahr – Foto: Köln-Marathon

Die Hitze und die Luftfeuchtigkeit sind natürlich auch für Deborah Schöneborn Unwägbarkeiten. „Ich bin noch nie in der Hitze einen so langen Wettkampf gelaufen“, sagt die Berlinerin, die während des Höhentrainings immerhin ein paar Mal nach Italien gefahren ist, um dort bei Temperaturen von rund 30 Grad zu laufen.

Bei Deborah Schöneborn ist es wohl am schwierigsten, abzuschätzen, was in Sapporo möglich sein könnte. „Ich stehe auf Platz 38 in Meldeliste und will in die erste Hälfte der Ergebnisliste kommen. Jeder Platz der besser ist, wäre prima“, sagt die 27-Jährige, die bei ihrer Olympia-Premiere die richtige Herangehensweise wählt: „Ich möchte einen guten Wettkampf laufen und werde mich im ersten Teil des Rennens zurück halten.“

Vor fünf Jahren, bei den Olympischen Spielen in Rio, belegten die deutschen Marathonläuferinnen die Ränge 44 (Anja Scherl), 81 und 82 (Anna und Lisa Hahner). In Sapporo sollte die Bilanz wesentlich besser ausfallen.

Favoritinnen und ausgewählte Starterinnen mit Bestzeiten

Brigid Kosgei              KEN                            2:14:04 (WR)

Ruth Chepngetich      KEN                            2:17:08

Peres Jepchirchir       KEN                            2:17:16

Lonah Salpeter           ISR                             2:17:45

Roza Dereje               ETH                            2:18:30

Birhane Dibaba          ETH                            2:18:35

Helalia Johannes        NAM                           2:19:52

Tigist Girma                ETH                            2:19:56

Mao Ichiyama             JPN                             2:21:11

Eunice Chumba          BRN                            2:23:10

Juliet Chekwei            UGA                            2:23:13

Honami Maeda           JPN                             2:23:30

Ayuko Suzuki             JPN                             2:28:32

Melat Kejeta               Laufteam Kassel        2:23:57

Katharina Steinruck   Eintracht Frankfurt      2:25:59

Deborah Schöneborn LG Nord Berlin           2:26:55

Fabienne Schlumpf    SUI / TG Hütten          2:26:14

Martina Strähl            SUI / LV Langenthal   2:28:07

race-news-service.com

 

author: GRR