In Rom trat zum ersten Mal eine gesamtdeutsche Mannschaft des DLV (Deutscher Leichtathletik-Verband) und des DVfL (Deutscher Verband für Leichathletik der DDR) an. Es gab im Vorfeld knallharte Ausscheidungen in Hannover und Erfurt.
Die historische Olympia-Laufserie (I): 800 Meter der Frauen – Erste Goldmedaille für Deutschland seit Beginn der Olympischen Spiele
Am Freitag, dem 8. August 2008 beginnen in Peking die XXIX. Olympischen Sommerspiele – am Freitag, dem 15. August wird die Leichtathletik im Olympiastadion gestartet. Bis dahin wird hier in loser Reihenfolge eine der elf Laufdisziplinen vorgestellt, natürlich mit besonderer Berücksichtigung der deutschen Teilnehmer.
In dieser Serie geht es jedoch um die Historie – um die medaillenreiche Vergangenheit der deutschen Leichtathletinnen und Leichathleten aus West (FRG) und Ost (GDR).Während die Vergangenheit der deutschen Leichtathletik bei Olympischen Spielen doch sehr erfolgreich war, ist nach der WM 2007 in Osaka nicht allzu viel in Peking zu erwarten. Umso mehr erscheint es angebracht sich der Erfolge und der großen Leistungen der Deutschen insgesamt zu erinnern und sich deren Namen zu erinnern sowie deren Einsatz zu würdigen.
Es geht heute los mit den 800 Metern der Frauen.
800 m – die Strecke der deutschen Frauen: Erste Goldmedaille für Deutschland seit Beginn der Olympischen Spiele
Die 800 m erscheinen rückblickend als eine der erfolgreichsten Disziplinen der deutschen Frauen bei Olympischen Spielen. Drei Goldmedaillen seit 1928 sind eine stolze Ausbeute.
Amsterdam 1928
„Der 2. August 1928 in Amsterdam ist ein historisches Datum für die deutsche Leichtathletik. An diesem Tag wurde endlich jener Bann gebrochen, gegen den die deutschen Männer vergeblich angekämpft hatten. Lina Radke-Batschauer (geb. am 8. Oktober 1903 in Karlsruhe) gewann im 800-m-Lauf die erste Goldmedaille für Deutschland seit Beginn der Olympischen Spiele“ schreibt Ekkehard zur Megede in seinem Buch „Die Geschichte der olympischen Leichathletik“, Band 1, 1896 – 1936.
Lina Radke-Batschauer war nicht die Favoritin für den Endlauf in Amsterdam, obwohl sie mit 2:23,7 Minuten am 7. August 1927 in Breslau einen neuen Weltrekord aufgestellt hatte. Etwas besser war die Zeit der Engländerin Edith Trickey, die über 880 Yards in 2:24,0 gelaufen war (1. August 1925 in London).
Im Endlauf zog Radke-Batschauer 300 m vor dem Ziel einen Spurt an, den sie durchhielt und der ihr die Goldmedaille brachte und zusätzlich noch einen sensationellen Weltrekord in 2:16,8. Auf dem 7. Platz kam als weitere deutsche Läuferin Marie Dollinger in 2:23,0 ins Ziel, die später noch eine Karriere als erfolgreiche Sprinterin hatte. Neunte wurde Elfriede Wever (ohne Zeit).
Im Jahr 1928 waren die 800 m für Frauen völlig neu, so dass Kritiker sofort einwandten, die Frauen würden sich völlig übernehmen, da sie nach dem Zielleinlauf völlig erschöpft ins Gras sanken. Die 800 m der Frauen wurden deswegen bis 1956 wieder aus dem olympischen Programm völlig gestrichen.
Erst 32 Jahren wieder 800 m der Frauen in Rom 1960
In Rom trat zum ersten Mal eine gesamtdeutsche Mannschaft des DLV (Deutscher Leichtathletik-Verband) und des DVfL (Deutscher Verband für Leichathletik der DDR) an. Es gab im Vorfeld knallharte Ausscheidungen in Hannover und Erfurt.
Der Weltrekord hatte sich von den 2:16,8 im Jahr 1928 von Radke-Batschauer gewaltig auf 2:04,3 von Ludmilla Lyssenko-Scherzowa (UdSSR – in Moskau am 3.07.1960) verbessert. Drei deutsche Läuferinnen waren am 7. September im Endlauf in Rom: Ursula Donath, Vera Kummerfeldt und Antje Gleichfeld.
Die Russin Scherzowa gewann und egalisierte ihren eigenen Weltrekord von 2:04,3 vor Brenda Jones (Australien) in 2:04,4 und die Bronzemedaille gewann überraschend Ursula Donath in 2:05,6, wobei ihr zu Hilfe kam, dass Dixie Willis (Australien) stürzte und Vera Kummerfeldt zu spät ihren Spurt ansetze. Vierte wurde Vera Kummerfeldt in 2:05,6 vor Antje Gleichfeld in 2:06,5 – ein großer Erfolg für den Mittelstreckenlauf der deutschen Frauen.
Wieder fünfter Platz für Antje Gleichfeld in Tokio 1964
Antje Gleichfeld, zweifache Mutter aus Hamburg, brachte das Kunststück fertig wieder in einem olympischen Endlauf zu stehen und wiederum Fünfte zu werden. Dabei verbesserte sie zweimal den deutschen Rekord von Waltraud Kaufmann auf zunächst 2:04,6 im Zwischenlauf und im Finale auf 2:03,9. Siegerin war Ann Packer (GBR) in 2:01,1 (neuer Weltrekord) vor Maryvonne Dupureur (FRA) 2:01,9 und Marise Chamberlain (NZL) in 2:02,8.
„Dies war der schönste Tag der Olympiasiegerin Hildegard Falck“
so überschrieb das Fachmagazin LEICHTATHLETIK v. 14. September 1972 den Sieg von Hildegard Falck, (geb 8.06.1949) im 800 m Endlauf in München 1972. Im Stadion in München war beste Stimmung, die Deutschen hatten Medaillen gewonnen, Klaus Wolfermann im Speerwerfen, Heide Rosendahl wurde Zweite im 200 m Lauf, Bernd Kannenberg hatte im 50 km Gehen die Nase vorn: Brachte der 800 m Lauf weiteres Gold ?
Zwei deutsche Läuferinnen standen im Endlauf: Hildegard Falck (VfL Wolfsburg) und Gunhild Hoffmeister (6.07.1944 in Forst/SC Cottbus, Trainer Werner Janke) – ausgeschieden waren in den Zwischenläufen Sylvia Schenk mit 2:01,5 und Gisela Ellen-berger mit 2:03,0.
Vor dem Endlauf am 3. September 1972 um 18.00 Uhr gab es Unruhe, weil man wegen der Ankunft der Geher den Start möglicherweise verschieben wollte, doch dann blieb es beim Zeitplan. Die 400 m wurden in 58,31 zurückgelegt, vorne liefen Zlateva, Nikolic und Silai, Falck hielt sich an Hoffmeister. Kurz vor der Zielgeraden lief Hildegard Falck auf Bahn 2 bis 3 und trat dann an, das brachte ihr die Führung mit vier bis 5 Metern Vorsprung, aber jetzt kam auch Niele Sabaite (UdSSR) mächtig auf. Auf den letzten zwanzig Metern konnte Falck noch einmal steigern und mit ei-nem Meter Vorsprung gewinnen.
LEICHTAHTLETIK schrieb: „Eine Olympiasiegerin, wie sie im Buche steht: läuferisch stark, auf Tempowechsel vorbereitet, kämpferisch hart, in taktischer Beziehung klug; die Goldmedaille fiel einer ihrer Würdigen zu."
Gold: Hildegard Falck 1:58,6 (OR) – 2. Niele Sabaite (UdSSR) 1:58, 7 und die Bronzemedaille ging an Gunhild Hoffmeister 1:59,2
Montreal 1976 mit Bronzemedaille durch Elfi Zinn
Im olympischen Endlauf in Montreal 1976 waren wieder einmal drei deutsche Frauen vertreten. Elfi Zinn, geb. Rost –(geb. 24.08.1953 in Rathebur – SC Neubrandenburg – Trainer Walter Gladrow) wurde Dritte in 1:55,60 (neuer DDR Rekord). Siegerin war Tatyana Kazankina (UdSSR) in 1:54,94 (WR) – Vierte: Anita Weiss in 1:55,74 – 7. Doris Gluth 1:58,99
Moskau 1980
4. Martina Kampfert 1:56,21, 5. Hildegard Ullrich 1:57,20
1. Nadiya Olizarenko (SOV)1:53,43 (WR) – 2. Olga Mineyava (SOV) 1:54,81 3.Tatyana Providokina (SOV) 1:55,46
Los Angeles 1984
7. Margrit Klinger 2:00,65
1. Doine Melinte (ROM) 1:57,60 – 2. Kim Gallagher (USA) 1:58,63 – 3. Fita Lovin (ROM) 1:58,83
Seoul 1988 Gold und Silber durch Wodars und Wachtel
„In 56,43 durchlief Christine Wachtel (geb. 6.01.1965 in Altentreptow / SC Neubrandenburg – Trainer Walter Gladrow) im olympischen 800-m-Finale die ersten 400 m, und damit hatte sie einigen der Endlaufteilnehmerinnen schon den Schneid abgekauft. Mit Sigrun Wodars (geb. 7.11.1965 in Neu-Kaliß / SC Neubrandenburg – Trainer Walter Gladrow) im Schlepp entwickelte sich das Rennen genau nach der Machart der beiden Neubrandenburgerinnen“ so schrieb LEICHTATHLETIK.
„Der Ausgang des olympischen Endlaufs auf Platz eins und zwei entspricht dem vorjährigen WM-Finale in Rom, wo auch Sigrun Wodars zuletzt die Stärkere war.“
Gold für Sigrun Wodars 1:56,10 – 2. Christine Wachtel 1:56,64 – 3. Kim Gallagher (USA) 1:56,91
Die Vergangenheit ist bei den deutschen Frauen im 800 m Lauf durchaus ein Aushängeschild gewesen – aber seit 1988 sind viele Jahre ohne weitere große Erfolge vergangen. Freuen wir uns über eine große läuferische Vergangenheit.
In Peking wird keine deutsche Läuferin über 800 m am Start sein!
Zur Erinnerung an die Spiele von Athen 2004 – die Ergebnisse der 800 m der Frauen:
1. Kelly Holmes (GBR) 1:56,38 – 2. Hasna Benhassi (MAR) 1:56,43 – 3. Jolanda Ceplak (SLO) 1:556,43 – 4. Maria Mutola (MOZ) 1:56,51 – 5. Tatjana Andrianova (RUS) 1:56,88 – 6. Jearl Miles-Clark (USA) 1:57,27 – 7. Maria Cioncan (ROM) 1:59,62 – 8. Zulia Calatayud (CUB) 2:00,95 –
Claudia Gesell (GER) 4. VL 2:03,87
Der Bericht über den 800 m Endlauf von Athen 2004:
24 Stunden nach dem Marathon-Aus von Paula Radcliffe erfuhren die britischen Leichtathletik-Fans eine unerwartete Genugtuung: Kelly Holmes gewann sensationell die Goldmedaille über 800 Meter. Mit 34 Jahren gelang ihr der größte Triumph ihrer Karriere. In 1:56,38 Minuten gewann Kelly Holmes mit fünf Hundertstelsekunden vor der Marokkanerin Hasna Benhassi die Goldmedaille.
Bronze ging an Jolanda Ceplak (Slowenien) in 1:56,43 Minuten. Maria Mutola (Mozambique) verpasste als Vierte in 1:56,51 eine Medaille. Die Titelverteidigerin hätte als erste 800-m-Läuferin in der Geschichte der Olympischen Spiele eine zweite Goldmedaille über 800 Meter gewinnen können.
An fünfter Stelle hatte sich nach dem Start Maria Mutola einsortiert. Direkt hinter ihr lief Jolanda Ceplak, gefolgt von Kelly Holmes. Eingangs der letzten Runde schob sich Maria Mutola dann langsam nach vorne und 200 Meter vor dem Ziel war sie an dritter Position, immer noch mit Kelly Holmes im Schlepptau. Als es auf die Zielgerade ging, hatte die Titelverteidigerin die Führung übernommen, doch Kelly Holmes kam langsam immer näher und zog im Spurt an der großen Favoritin, die zeitweise auch ihre Trainingspartnerin ist, vorbei. Benhassi und Ceplak kamen noch stark von hinten, doch sie kamen etwas zu spät für die Goldmedaille.
„Ich bin wie um mein Leben gerannt auf der Zielgeraden“, erklärte die Kelly Holmes, die beste britische Mittelstreckenläuferin aller Zeiten. „Ich hatte viele Tiefpunkte im Laufe meiner Karriere, aber dieses Rennen hier gleicht alles aus, was vorher schief lief.“ Bei Olympia hatte Kelly Holmes zuvor immer Pech: Im Vorfeld von Atlanta litt sie an einem Ermüdungsbruch und wurde Vierte, vor Sydney hatte sie eine Muskelverletzung zurückgeworfen. Dort gewann sie immerhin Bronze. „Es war daher in diesem Jahr mein erstes Ziel, gesund zu bleiben“, erklärte Kelly Holmes, die mit Margo Jennings den gleichen Trainer hat wie Maria Mutola.
Horst Milde
800 Metres – Alle Medaillengewinnerinnen, lt. IAAF
1928 Lina Radke GER 2:16.8 Kinuye Hitomi JPN 2:17.6 Inga Gentzel SWE 2:18.8
1932 to 1956: Not contested
1960 Lyudmila Shevtsova URS 2:04.50 Brenda Jones AUS 2:04.58 Ursula Donath GDR 2:05.73
1964 Ann Packer GBR 2:01.1 Maryvonne DupureurFRA 2:01.9 Marise Chamberlain NZL 2:02.8
1968 Madeline Manning USA 2:00.92 Ilona Silai ROU 2:02.58 Maria Gommers NED 2:02.63
1972 Hildegard Falck FRG 1:58.55 Niole Sabaité URS 1:58.65 Gunhild Hoffmeister GDR 1:59.19
1976 Tatyana Kazankina URS 1:54.94 Nikolina Shtereva BUL 1:55.42 Elfi Zinn GDR 1:55.60
1980 Nadyezhda Olizarenko URS 1:53.43 Olga Mineyeva URS 1:54.81 Tatyana Providokhina URS 1:55.46
1984 Doina Melinte ROU 1:57.60 Kim Gallagher USA 1:58.63 Fita Lovin ROU 1:58.83
1988 Sigrun Wodars GDR 1:56.10 Christine Wachtel GDR 1:56.64 Kim Gallagher USA 1:56.91
1992 Ellen van Langen NED 1:55.54 Liliya Nurutdinova EUN 1:55.99 Ana Quirot CUB 1:56.80
1996 Svetlana MasterkovaRUS 1:57.73 Ana Quirot CUB 1:58.11 Maria Mutola MOZ 1:58.71
2000 Maria Mutola MOZ 1:56.15 Stephanie Graf AUT 1:56.64 Kelly Holmes GBR 1:56.80
2004 Kelly Holmes GBR 1:56.38 Hasna Benhassi MAR 1:56.43 Jolanda Ceplak SLO 1:56.43