Gelingt dem Norweger Andreas Thorkildsen die Titelverteidigung oder hat doch Weltmeister Tero Pitkämäki aus Finnland dieses Mal die Nase vorn?
Die große Olympia-Vorschau – Männer (2) – Springer, Werfer und Zehnkämpfer. Die XXIX. Olympischen Sommerspiele Peking 2008
Die Olympischen Spiele in Peking (China) rücken unaufhaltsam näher. Am Freitag (15. August) fallen die ersten Startschüsse und auch Entscheidungen. leichtathletik.de blickt mit einer umfassenden Vorschau auf alle Disziplinen voraus, im zweiten Teil beschäftigen wir uns mit den Springern, Werfern und Zehnkämpfern.
Hochsprung
Der Schwede Stefan Holm gehört in seiner voraussichtlich letzten Saison wieder einmal zu den Top-Favoriten und könnte als erster Schwede seit dem Geher Johan Mikaelsson 1952 die Titelverteidigung schaffen. Der 1,80-Meter-Mann gewann sieben seiner neun Freiluft-Wettkämpfe und flog siebenmal über mindestens 2,30 Meter. Mit 2,37 Metern liegt er auf Rang zwei der Weltjahresbestenliste hinter dem Russen Andrey Silnov. Der Europameister wurde, nachdem er in London (Großbritannien) 2,38 Meter übersprungen hatte, nachträglich für die Olympischen Spiele nominiert. Immer für eine Medaille gut ist sein Teamkollege Yaroslav Rybakov, der schon dreimal WM-Zweiter war.
Sieben weitere Athleten sind in diesem Jahr schon höher als 2,30 Meter gesprungen, so dass der Wettkampf wieder einmal viel Spannung verspricht. Für den Dresdener Raul Spank geht es darum, in die Nähe seiner Bestleistung von 2,30 Metern zu kommen, dann sollte auch das Erreichen des Finales kein Problem sein.
Olympiasieger 2004: Stefan Holm (Schweden; 2,36 m)
DLV-Starter: Raul Spank (Dresdener SC)
Stabhochsprung
Drei Springer sind in diesem Jahr bereits über sechs Meter gesprungen, so dass der Olympiasieg durchaus auch mit einer Höhe jenseits der begehrten Marke weggehen könnte. Der US-Amerikaner Brad Walker führt mit 6,04 Metern die Weltjahresbestenliste an und ist noch ein zweites Mal über 6,00 Meter gesprungen. Der Weltmeister hat damit beste Chancen, die Nachfolge seines Landsmanns Tim Mack anzutreten. Ansprüche auf die Medaillen haben auch der Russe Evgeniy Lukyanenko (6,01 m) und der Australier Steven Hooker (6,00 m) nach ihren Vorleistungen angemeldet.
Wie immer wird aber vor allem die Tagesform entscheiden. Das Finale ist für das deutsche Trio Danny Ecker (TSV Bayer 04 Leverkusen), Tim Lobinger (LG Stadtwerke München) – vorausgesetzt die beiden haben ihre Verletzungsprobleme überwunden – und Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken) auf jeden Fall möglich. Im Finale können sie um die vorderen Platzierungen mitspringen, eine Medaille wird allerdings extrem schwierig.
Olympiasieger: Timothy Mack (USA; 5,95 m)
DLV-Starter: Danny Ecker (TSV Bayer 04 Leverkusen), Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken), Tim Lobinger (LG Stadtwerke München)
Weitsprung
Irving Saladino führt die Weltjahresbestenliste mit 8,73 Metern an und hat in diesem Jahr vier seiner fünf Freiluftwettkämpfe gewonnen – jeweils mit mindestens 8,30 Metern. Der Weltmeister könnte in Peking Geschichte schreiben, denn bisher hat Panama bei Olympischen Spielen lediglich zwei Bronzemedaillen in Leichtathletik-Wettbewerben gewonnen. Auch der Kubaner Ibrahim Camejo, der sich in diesem Jahr auf hervorragende 8,46 Meter steigerte, und der griechische Europacup-Sieger Louis Tsatoumas (8,44 m) haben sich in diesem Jahr bereits stark präsentiert. Gut für eine Medaille sind immer auch die US-Amerikaner, bei denen Titelverteidiger Dwight Philips nach seinem vierten Platz bei den Trials nur Ersatz für Trevell Quinley, Brian Johnson und Miguel Pate ist.
Ein Fragezeichen steht noch hinter dem Start des italienischen WM-Zweiten Andrew Howe, der sich beim Europacup verletzt hatte. Für den Leverkusener Sebastian Bayer geht es darum, möglichst seine Saisonbestleistung von 8,15 Metern zu bestätigen, dann ist auch der Einzug in das Finale möglich.
Olympiasieger 2004: Dwight Philips (USA; 8,59 m)
DLV-Starter: Sebastian Bayer (TSV Bayer 04 Leverkusen)
Dreisprung
Das Feld an der Spitze ist eng und verspricht ganz viel Spannung. Den Führenden der Weltjahresbestenliste, Phillips Idowu (Großbritannien; 17,58 m), trennen nur zwölf Zentimeter vom Zehnten Kenta Bell (USA). Auch wenn er in diesem Sommer nur einmal verloren hat, gehört Weltmeister Nelson Evora (Portugal; 17,24 m) nicht zu den Top Ten. Im ganzen Jahr noch ohne Niederlage, wird Hallen-Weltmeister Phillips Idowu mit ganz breiter Brust einmarschieren. Er muss aber mit den hohen Erwartungen aus der Heimat klarkommen und sich vor allem mit den Konkurrenten aus Kuba, Russland und den USA auseinandersetzen.
Auch der Wahl-Leverkusener Randy Lewis (Grenada), der sich auf 17,49 Meter verbessert hat, darf sich Hoffnungen machen. Athen-Olympiasieger Christian Olsson (Schweden) war der Fahnenträger des schwedischen Teams, seinen Start in Peking hatte er aber schon im Juli abgesagt.
Olympiasieger 2004: Christian Olsson (Schweden; 17,79 m)
DLV-Starter: keine
Kugelstoßen
Die drei bärenstarken US-Amerikaner Reese Hoffa, Christian Cantwell und Adam Nelson (Weltjahresbester mit 22,12 Metern) kämpfen um einen Sweep und gegen den Rest der Welt. Letzterer wird vom einstigen Weltmeister und Dopingsünder Andrei Mikhnevich (Weißrussland), der auch schon auf 22,00 Meter kam, angeführt. Mit Leistungen aus dem Frühjahr finden sich Dorian Scott (Jamaika) und Scott Martin (Australien) in der Weltjahresbestenliste auf den Plätzen fünf und sechs. Zu den insgesamt zehn Kugelstoßern, die in diesem Jahr schon die 21 Meter übertroffen haben, gehört auch der Europacup-Sieger Peter Sack.
Der Leipziger will vor allem erst einmal die Qualifikation überstehen. Zuletzt konnte er sein Potenzial nicht ausschöpfen. Er glaubt aber, bei den Olympischen Spielen wieder näher an die 21 Meter herankommen zu können. Einen schwierigen Sommer, in dem er nach seiner Form suchte, hat Europameister Ralf Bartels hinter sich. Mit einer Saisonbestweite von 20,60 Metern, mit denen der Neubrandenburger Platz 24 im Weltvergleich einnimmt, gehört er nicht zu den Favoriten. Wenn in Peking der Knoten endlich platzt und er seine Erfahrung ausspielt, ist ein ordentliches Abschneiden im Bereich des Möglichen.
Olympiasieger 2004: Yuriy Belonog (Ukraine; 21,16 m)
DLV-Starter: Peter Sack (LAZ Leipzig), Ralf Bartels (SC Neubrandenburg)
Hammerwerfen
Langsam aber sicher kam Athen-Olympiasieger Koji Murofushi in Form. Im Saisonvergleich liegt der Japaner mit seinen 80,98 Metern als Achter aber nur im Mittelfeld. Die Liste wird angeführt von dem überlegen erscheinenden Weltmeister Ivan Tikhon (Weißrussland; 84,51 m), dem sehr konstant werfenden Ungarn Krisztián Pars (81,96 m) und Vadim Devyatovski (Weißrussland; 81,70 m). Doch der Hammerwurf-Ring taugt immer für Überraschungen.
Immerhin 13 Athleten haben dieses Jahr schon 80 Meter oder weiter geworfen und können damit auf ein gutes Ergebnis auch bei Olympia spekulieren. Noch nicht dazu gehört der Leverkusener Markus Esser (79,97 m), das will er im „Vogelnest“ nachholen. Zuletzt zeigte bei dem Deutschen Meister die Formkurve merklich nach oben.
Olympiasieger 2004: Koji Murofushi (Japan; 82,91 m)
DLV-Starter: Markus Esser (TSV Bayer 04 Leverkusen)
Speerwerfen
Gelingt dem Norweger Andreas Thorkildsen die Titelverteidigung oder hat doch Weltmeister Tero Pitkämäki aus Finnland dieses Mal die Nase vorn? Im direkten Duell konnte sich der Finne 2008 zweimal durchsetzen, dem Norweger gelang es einmal. Mit 87,73 (Andreas Thorkildsen) bzw. 87,70 Metern (Tero Pitkämäki) haben die beiden Ausnahmesportler fast identische Saisonbestleistungen. Weiter geworfen hat in diesem Jahr nur der Australier Jarrod Bannister, der im Februar 89,02 Meter erzielte, zuletzt aber deutlich weniger weit warf.
Mit Antti Ruuskanen (87,33 m) und Tero Järvenpää (86,68 m) schicken die Finnen zwei weitere starke Werfer ins Rennen. Neben dem lettischen Duo Vadims Vasilevskis und Eriks Rags sollte man auch den russischen „Oldie“ Sergey Makarov, der nach diesem Sommer seine Karriere beenden will, und den jungen Südafrikaner Robert Oosthuizen auf der Rechnung haben. Das DLV-Duo Alexander Vieweg aus Saarbrücken und Stephan Steding aus Hannover hat sich den Einzug in das Finale zum Ziel gesetzt, was sie mit einem Wurf über 80 Meter auch schaffen sollten.
Olympiasieger 2004: Andreas Thorkildsen (Norwegen; 86,50 m)
DLV-Starter: Stephan Steding (Hannover 96), Alexander Vieweg (SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken)
Zehnkampf
Die beste Ausgangssituation im Kampf um olympisches Zehnkampf-Gold hat definitiv der US-Amerikaner Bryan Clay, der vor vier Jahren Zweiter war und dieses Jahr bereits hervorragende 8.832 Punkte erzielt hat. Ein großes Fragezeichen steht hinter Weltrekordler, Welt- und Europameister sowie Titelverteidiger Roman Sebrle (Tschechische Republik), der in diesem Jahr mit vielen Verletzungen zu kämpfen hatte und bei seinem einzigen Zehnkampf in dieser Saison lediglich 8.076 Punkte erzielt hat. Für eine Medaille kommen auch eine Hand voll weiterer Athleten um den Olympia-Dritten und Götzis-Sieger Dmitriy Karpov (Kasachstan), die US-Amerikaner Trey Hardee und Tom Pappas sowie Vize-Weltmeister Maurice Smith (Jamaika) in Frage.
Der Ulmer Arthur Abele, der mit der besten Vorleistung des deutschen Trios anreist, hat sich die Top Acht zum Ziel gesetzt, gleiches ist dem Berliner André Niklaus zuzutrauen, der mal wieder bester Deutscher sein will. Für Youngster Michael Schrader vom LAV Bayer Uerdingen/Dormagen geht es darum, in den Bereich seiner Bestleistung zu kommen.
Olympiasieger 2004: Roman Sebrle (Tschechische Republik; 8.893 Punkte)
DLV-Starter: André Niklaus (LG Nike Berlin), Arthur Abele (SSV Ulm 1846), Michael Schrader (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen)
Quelle: DLV – Christian Fuchs/Anja Herrlitz