Die Fußball-Bundesliga - nichts weiter, als aufgeblasener Zirkus? ©Deutsche Sporthochschule Köln
Die Fußball-Bundesliga – nichts weiter, als aufgeblasener Zirkus? Von KLAUS BLUME
Am Donnerstag jubelte der KICKER, das Zentralorgan aller deutschen Fußball-Pyromanen, künstlich-kindisch:
„Nur noch einmal schlafen, dann startet die Bundesliga.“ Darüber kann lächeln, wer mag. Der KICKERa kann nicht anders. Ganz andere Töne schlagen da die Marktschreier von ARD und ZDF, Sky und RTL, von Nitro, DAZN oder Eurosport an. Und wer nicht alles noch. Es soll sich schließlich lohnen.
Auch für Sie, Herr und Frau Fußball-Fan. Wenn sie ordentlich berappen, können sie schließlich jeden Tag vierundzwanzig Stunden lang gucken, wohin irgendwo der Ball rollt. Simsalabim – und schon sind sie dabei!
Doch wer will das überhaupt?
Schließlich interessieren sich lediglich 42 Prozent aller Deutschen überhaupt nicht für Fußball. Er ist ihnen WURSCHT!
Das erfragte jetzt die FORSA Gesellschaft für Sozialforschung in Berlin. Aber die Einschaltquoten am frühen Samstagabend – zwischen 18 und 20 Uhr – seien doch sehr hoch, werden Sie jetzt einwenden. Stimmt! Doch dafür gibt es auch eine simple Erklärung: Wenn in dieser Zeit in der ARD der Ball rollt, fesselt auch kein Konkurrenz-Programm irgendeinen Zuschauer.
Aber die Millionen, ja sogar Milliarden, die dieser Tage im Fußball-Business ausgegeben werden, locken sie nicht die Fans in immer größeren Massen ins Stadion, in die Fernseh-Kneipen oder vor den heimischem Flimmerkasten? Überall auf der Welt?
Immerhin hat die teuerste Liga der Welt, die englische Premiere League, gerade rund 1,2 Milliarden Euro für neue Spieler ausgegeben, und deren Darbietungen können auch wir hierzulande bewundern. Sogar live! Dennoch macht diese Art der Geldverbrennung vor allem den besonders erfahrenen Experten Bange.
„Der Fussball gleicht der Immobilienblase. Es gibt zwei Gefahren, denen dieser wunderbare Sport ausgesetzt ist: das Übermass an Business und ein zu grosser Geltungsdrang. Wir erleben gerade, wie er Opfer von beidem gleichzeitig wird.“ Das sagte kein Geringerer, als Arrigo Sacchi (71); einst Trainer in Mailand und Sportdirektor in Madrid.
Aber zurück zur Bundesliga, die ja, laut ARD und ZDF, gewissermaßen das Synonym für Sport aller Art geworden ist. Doch als das ZDF während der Leichtathletik-Weltmeisterschaften in London auf einmal mittenmang seine Live-Übertragung unterbrach, um urplötzlich irgend ein europäisches Fußball-Spiel – ohne jegliche deutsche Beteiligung – live zu zeigen, stagnierte die bis dahin erreichte Einschaltquote bei 3,5 Millionen. So viele hatten sich bis dahin die Leichtathletik angesehen, die ja angeblich niemanden interessiert. Als das Spiel endlich vorbei war, und es endlich zurück zur Leichtathletik ging, blieb die Quote weiterhin stabil: bei 3,5 Millionen.
Also alles nur fauler Zauber, der groß ausgeblasene Zirkus um die großen Ball-Zauberer? Laut FORSA sind lediglich 14 Prozent aller Deutschen wirklich am Fußball interessiert; nur zehn (in Zahlen: 10) Prozent begeistern sich ganz stark dafür. Warum dann dieser Aufwand für nur zehn Prozent unserer Landsleute?
Und andernorts? Als jetzt Paris Saint Germain mit seinem 222 Millionen Euro teuren brasilianischen Super-Star Neymar in der 7300 Einwohner zählenden bretonischen Gemeinde Guincamp spielte, erlebten zwar 18 378 Fans den 3:0-Erfolg der Gäste, doch die meisten von ihnen waren dafür extra aus Paris angereist. Die meisten Bretonen interessierte es nicht die Bohne.
Womit zutrifft, was der deutsche Fußball-Experte Philipp Köster jetzt in der Neuen Zürcher Zeitung schrieb: „ Diese hektische, bunte, aufgeblasene Medienwelt gibt es, seit der Fussball Anfang der neunziger Jahre entdeckte, dass er mit sich selber viel Geld verdienen kann. Seither verstehen sich die grossen Klubs als global agierende Unternehmen auf der Suche nach immer neuen Märkten. Afrika, Nordamerika, Südostasien, natürlich China und Indien, überall sollen sie Arsenal-Trikots kaufen, den FC Barcelona im Pay-TV schauen und sich die englischsprachige App des FC Bayern aufs Handy laden.“
FORSA brachte Kösters Erkenntnisse in der Woche vor dem Bundesliga-Start in nüchternen Statistiken auf diese Punkte: Bei den 14- bis 29-jährigen Deutschen ist der Fußball am wenigsten präsent, denn dort interessieren sich allenfalls 17 Prozent für diesen Sport. Bei den kaufkräftigen 30- bis 44-jährigen gaben 78 Prozent (!) an, nur wenig oder gar kein Interesse am Fußball zu hegen. Seine größte Fan-Schar findet die Bundesliga ausgerechnet bei den über 60-jährigen, also bei denen mit der geringsten Kaufkraft und auch Kauflust.
Und dafür dieser irrsinnige mediale Aufwand? Denn längst sind ja viel zu viele Fußball-Reporter klammheimlich zu inoffiziellen Mitarbeitern großer Vereine geworden, die deren Werbebotschaften über ihre Kanäle und Blätter verbreiten. Und deren Redakteure dabei alle Augen kräftig zudrücken. Da werden dann ganz banale Geschichten zu Sensationen hoch gejazzt, während wirkliche Nachrichten, zum Beispiel über Korruption, Steuerskandale oder Homophobie, als viel zu kompliziert und sperrig im Papierkorb landen. Wer will das denn auch so genau wissen? Philipp Köster, Chefredakteur des jedem ans Herz gelegten Fußball-Magazins „Elf Freunde“, schrieb mal, wer sich anders verhalte, würde in der Branche gemieden. Auch von den eigenen Kollegen.
Wer sich hingegen für den Ruf des Fußballs einsetzt, gilt als Held – wie der bisherige ARD-Experte Mehmed Scholl.
Als Scholl über einen Doping-Bericht im Fußball moserte, kam es zum Bruch. Scholl verließ die ARD, stolz erhobenen Hauptes. Und von den „Kollegen“ gefeiert.
Klaus Blume
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PS: Klaus Blume spricht sicherlich allen Sportinteressierten aus dem Herzen, wenn er von dem Übertragungswahnsinn der deutschen Fernsehanstalten ARD/ZDF u.a.m. spricht. Durch den übertriebenen "Kniefall" der Anstalten vor dem Fussball haben die Medien – da kann man die Printmedien ruhig dazuzählen – alle anderen Sportarten "kaputt" gemacht.
Darunter leidet besonders die Leichtathletik, aber auch alle anderen Sportarten sind daduch nur noch Randsportarten geworden.
Statt selbst Sport zu treiben, hängen die Deutschen vor dem Fernseher ab – oder rennen ins Stadion – und schmeißen den Fussball-Millionären ihr Geld hinterher. Wenn man den Zahlen von FORSA glaubt, ist die "Anbetung" des Fussballs wohl hochgepusht, aber der Missachtung aller anderen Sportarten sollte Einhalt geboten werden.
Helmut Winter hat auf dieser Site schon des öfteren die maßlose Berichterstattung der Fernseheanstalten über den Fussball beklagt – und aber auch über die fachliche Inkompetenz der Sportredaktionen – anderen Sportarten gegenüber. Beispielhaft berichtete er über das japanische Fernsehen, das den nationalen Laufsport durch ihre ausgeklügelte und differenzierte Berichterstattung zu einem TV-Kultereignis mit einem Millionenpublikum und einer Riesenquote entwickelt hat.
Alles das geht dem deutschen Fernsehen leider völlig ab.
Horst Milde
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