Die im Rahmen eines deutschen Langzeitprojektes ab 1980 in Kenia aufgebauten Strukturen sind eine Grundlage für die vielen Erfolge kenianischer Läufer. -
Die Einfachheit des kenianischen Trainings – Ein Beitrag von Lothar Hirsch in „leichtathletiktraining“
Kenia ist eine Laufnation – jedes Jahr treten auf den verschiedenen Strecken neue erfolgreiche Gesichter in Erscheinung. Das Land profitiert dabei von einer scheinbar unerschöpflichen Zahl an Nachwuchssportlern.
Ursachen für die afrikanische Dominanz im Lauf
Die Dominanz der Laufszene im männlichen wie weiblichen Erwachsenen- und Nachwuchsbereich durch einige afrikanische Länder, wie z. B. Äthiopien und vor allem Kenia, nimmt immer stabilere Formen an. Betrug der Anteil der 50 Weltbesten männlichen Mittel- und Langstreckler 1985 noch 12 Prozent für Kenia und 9 Prozent für Restafrika, so zeigte er 2005 mit 47 und 22 Prozent eine geradezu explosionsartige Entwicklung.
1985 befand sich kein Kenianer unter den besten 30 Marathonläufern der Welt. Europas damaliger Anteil von 54 Prozent reduzierte sich bis 2005 auf 19 Prozent. Diese progressive Entwicklung der Afrikaner, vor allem der Kenianer, stabilisiert sich von Jahr zu Jahr und nimmt der europäischen Laufszene immer mehr Spaß am Leistungsvergleich, weil sie trotz eines großen Trainings- und Wettkampfaufwandes nur wenige Erfolge feiern können.
Bei der U20-Junioren-Weltmeisterschaft 2008 gingen alle 15 Medaillen in den fünf Disziplinen der männlichen Athleten an Afrika, davon wurden sieben an kenianische Läufer vergeben. Im weiblichen Bereich gewann Afrika zehn Medaillen, davon gingen vier an Kenia, obwohl die 18-jährige Kenianerin Pamela Jelimo auf die Teilnahme an der U20-Weltmeisterschaft verzichtete, um sich auf die Olympischen Spiele in Peking zu konzentrieren.
Die Übermacht der afrikanischen Läufer – ein alarmierender Zustand, der viele Sportmediziner und Wissenschaftler nach Kenia trieb, um in vielen Untersuchungen, dem„vermeintlichen Geheimnis um das afrikanische bzw. kenianische Laufwunder“ auf die Spur zu kommen.
AlsWunder sind die Leistungen der afrikanischen Läufer sicher nicht zu bezeichnen. Ein sportwissenschaftliches Autorenkollektiv der Universität Mailand kommt nach Auswertung vieler unterschiedlicher Untersuchungen, die vorwiegend in den letzten Jahren in Kenia durchgeführt wurden, zu drei praxisorientierten Faktoren, welche die afrikanische bzw. kenianische Entwicklung von der europäischen unterscheiden:
- die Praxis des vielen Laufens von Kindheit an
- die bessere Fähigkeit, trainingsbedingte Ermüdung auszuhalten und zu verkraften
- die Unterschiede in der Trainingsmethodik
Viktor Röthlin (2:07:23 Stunden) ist einer der derzeit führenden Marathonläufer Europas. Er gewann bei der Europameisterschaft 2006 Silber und wurde bei derWeltmeisterschaft 2007 Dritter. Der Schweizer trainiert regelmäßig in Kenia mit den einheimischen Läufern. In einem Interview sagte er im Juli dieses Jahres: „Meine Mentalität und meine Art zu trainieren, sind sehr kenianisch. Ich laufe einfach. Ich mach mir keine Gedanken über Zeiten … Ich werde oft gefragt, was meine größte Stärke ist: Das ist die Fähigkeit, meine Leidensbereitschaft so auszureizen, dass ich im Ziel fast umfalle.“ Was Viktor Röthlin beschreibt, ist analog des an zweiter Stelle aufgeführten Faktors „die bessere Fähigkeit, trainingsbedingte Ermüdung auszuhalten und zu verkraften“ zu verstehen.
Ausgangssituation und Entwicklung
In Rahmen des II. Internationalen Trainer-Symposiums des DLVTeams Lauf im November 1996 in Berlin gaben der Leiter und Lehrer der St. Patrick’s High School in Iten (Kenia) und der irische Pater Colm O’Connel einen Einblick in die Art und Weise der schulischen Sportförderung mit dem Schwerpunkt Lauf. Diese Schule in Iten, auf einer Höhe von 2400Meter liegend, gilt als Brutstätte vieler kenianischer Läufer nationalen und internationalen Niveaus. Diese und ähnliche Schulen sind zusammen mit den Trainingscamps in der Ferienzeit ein Standbein der erfolgreichen kenianischen Nachwuchsarbeit.
Der Boykott der Olympischen Spiele 1976 und 1980 führte zu einer Krise der erfolgsverwöhnten kenianischen Leichtathletik. Die Aussage des ersten kenianischen Präsidenten Jomo Kenyatta „Die Sportler sind meine Botschafter“ verdeutlicht die außerpolitische Bedeutung des Sports, die durch den Boykott in Gefahr geriet. Auf Wunsch der kenianischen Regierung wurde deshalb 1980 ein deutsches Langzeitprojekt „Leichtathletik“ über fünf Jahre installiert. Der langjährige DLV-Trainer und jetzige Hochschullehrer Walter Abmayr aus Heidelberg leitete dieses Projekt und legte mit dem nachfolgend in Kurzformdargestellten Programm, den Grundstein für die äußerst erfolgreiche Entwicklung der kenianischen Leichtathletik bis heute.
Langzeitprojekt
Ziel des in Kenia installierten Projektes war:
- die bessere Erfassung der jugendlichen Talente (Nachwuchsarbeit)
- der Ausbau der Gesamtstruktur des Sports im Land
- die verbesserte Qualität der Trainer und Lehrer (Trainerausbildung)
- die intensive Teilnahme an internationalen Wettkämpfen
Die beiden Bereiche Nachwuchsarbeit und Trainerausbildung bedingen sich gegenseitig. Sie beinhalten zum einen ein gründliches Talenterfassungssystem und eine erfolgreiche Nachwuchsarbeit mit einer etablierten Wettkampfstruktur. Zur erfolgreichen Umsetzung dessen gehört zumanderen das fachliche Know-how durch ein Trainerpotenzial auf verschiedenen Ebenen.
Im Rahmen des Projektes wurden 450 Trainer, die zu 65 Prozent in Schulen, der Rest bei der Armee und halbstaatlichen Organisationen arbeiteten, auf verschiedenem Niveau (A-, B-,C-Level und Diplom) ausgebildet. Dies war die Voraussetzung dafür, dass die kenianische Leichtathletik von der zufälligen zu einer etwas besser organisierten Nachwuchsfindung und -förderung kommen konnte. Die führende Trainerdynastie der Gegenwart entstammt eben dieser Ausbildungsperiode, die im A- und Diplombereich durch damalige DLV-Trainer in Zusammenarbeit mit Walter Abmayr und der GTZ (Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit) durchgeführt wurde.
Trainingsstruktur, -umfeld und Umsetzung
Viktor Röthlin sagte in einem Interview, dass seine Art zu laufen und zu trainieren, mehr dem kenianischen als dem europäischen Urgedanken ähnelt. Auf die Frage, welcher Urgedanke dies sei, antwortete er: „Train hard, win easily – es gibt keine Geheimnisse der kenianischen Läufer. Ich sehe, dass sie beinhart arbeiten.“ Der Weg zur Spitze führt nur über kontinuierliches Training, mit zähem Willen und einer entsprechenden Lebensführung in dem Bewusstsein, dies mehrere Jahre durchführen zu müssen, um erfolgreich zu sein.
„Talent is nothing but sweat“ – ein passendes Zitat aus der Schauspielerei, was soviel besagt wie: Kommt zum Talent nicht der Schweiß hinzu, erreichst du den Weg zur Spitze nur schwer, aber ohne Schweiß und ohne Arbeit wirst du ihn mit Sicherheit nicht halten können. Genau darin scheint mir das so genannte „Geheimnis“ der Kenianer zu liegen: Sie bringen ihre guten genetischen Anlagen unter erschwerten Lebens- und zum Teil widrigen Trainingsbedingungen mit einfachen, durch Erfahrungen bestätigten Trainingsformen zur Entfaltung.
Für die Afrikaner lohnt sich dieser Weg, das zeigen seit Jahrzehnten immer wieder neue kenianische Weltklasseathleten. Sie sind durch ihre Erfolge und ihren sozialen Aufstieg große Vorbilder in ihrem Land und motivieren die vielen aufstrebenden Nachwuchsathleten, hart zu trainieren. Einige der Spitzenathleten danken es ihrem Sport und ihren Förderern und bringen ihre Erfahrungen als Sportler nach Beendigung ihrer Karriere (z. B. als Nachwuchstrainer) ein.
In einem Artikel zur „Jugendleichtathletik in Kenia“ beschrieb Walter Abmayr die Grundzüge des kenianischen Jugendtrainings für die einzelnen Altersgruppen. Die wichtigsten Punkte werden in Info 1 dargestellt.
Info 1: Kenianisches Jugendtraining
In einem Artikel zur „Jugendleichtathletik in Kenia“ beschrieb Walter Abmayr die Grundzüge des kenianischen Jugendtrainings in den Schulen wie folgt:
Bis 16 Jahre
Grundlage ist folgender Schullehrplan:
- Oktober bis Dezember – Spiele wie Hockey, Basket-, Volley- und Fußball
- Januar bis April – Wettkämpfe imCrosslauf und Mehrkampf
- Mai bis August – Wettkampfsaison und Drumming (Musik)
In der Regel sind für diese Aktivitäten 4 bis 6 Doppelstunden pro Woche vorgesehen. Darüber hinaus wird an den boarding-schools (überwiegender Teil) in 3 bis 4 Einheiten proWoche gezielt Leichtathletik betrieben. Dabei wird überwiegend disziplinspezifisches Training durchgeführt. Der Lehrplan gibt automatisch eine Vorbereitungs-, Stabilisierungs- und Wettkampfphase vor. Das Programmdient demGrundlagentraining.
Bis 18 Jahre
Das Training ist ähnlich organisiert wie im vorigen Altersbereich. Es erfolgt allerdings bereits eine disziplinspezifische Orientierung (Spezialisierung vorbereiten).
Ab 18 Jahren
- In diesem Alter werden die Jugendlichen durch gezieltes Leistungstraining gefordert. Bei Wettkämpfen starten die Athleten disziplinenübergreifend.
- Rahmentrainingspläne, speziell für die Cross-Saison, dienen als Orientierung für Trainer und Athleten.
- Der kenianische Läufer ist grundsätzlich ein Wettkampftyp, der den Sinn seiner Trainingsarbeit nur in erfolgreichen Leistungsvergleichen mit anderen sieht. Deshalb werden viele Wettkämpfe bestritten. Nach Meinung der kenianischen Trainer und Sportler ist der Wettkampf durch kein Training zu ersetzen: „DerWettkampf ist das beste Training“.
Ausgehend von der Tatsache, dass der größte Teil der kenianischen Schüler aus ländlichen Gebieten stammt, über eine große, natürliche Bewegungs-, Geschicklichkeits- und Lauffähigkeit verfügt, täglich über längere Distanzen (oftmals bis zu einer Stunde) zur Schule und zurück laufen muss und ergänzend eine ausgeprägte sportliche Belastung in der Schule genießt, lässt sich ermessen, welch ausgeprägter sportlicher Belastungsgrad schon in jungen Jahren als Basis für eine weitere Entwicklung vorliegt. Was es bedeutet, unter „kenianischen Bedingungen“ zu trainieren, wird in der Beschreibung des schulischen und sportlichen Ablaufes an der St. Patrick’s High School deutlich.
Training an der St. Patrick’s High School
Die St. Patrick’s High School ist eine boarding-school, eine Internatsschule für Jungen. Der schulische Ablauf eines Jahres teilt sich in Terms (Semester):
- von Januar bis März (Ferien im April)
- von Mai bis Juli (Ferien im August)
- von September bis November (Ferien im Dezember)
In den April- und Dezemberferien findet jeweils ein vierwöchiges Trainingscamp mit etwa 120 jungen Sportlern, die nicht aus Iten und Umgebung kommen statt (s. Info 2).
Info 2: Ferien-Trainingscamps
Trainingscamp im Dezember
Am „Cross-Country-Trainingscamp“ im Dezember können etwa 120 zuvor ausgewählte Schüler teilnehmen. Nach drei Monaten Pause – die Saison endet in der Regel Ende August und September und Oktober sind Monate hoher schulischer Belastungen mit vielen Prüfungen – erfolgt ein kontrollierter Trainingsbeginn. Schwerpunkte des Dezembercamps sind:
- Das Camp dient dem Einstieg ins Training zur Vorbereitung auf die Höhepunkte im Februar und März.
- Anfänger sollen systematisches Training lernen und erfahren.
- Im gemeinsamen Training lernen Anfänger von erfahrenen Athleten.
- Der überwachte, kontinuierliche Trainingsaufbau über vier Wochen schützt beim Übergang zum intensiveren Training vor Überlastungen und Verletzungen.
Nach vier Wochen gehen die Schüler zurück an ihre lokalen Schulen und trainieren dort, wie im Camp erlernt, weiter. Zum Teil bestehen auch dann Kontakte zu den Camp-Coaches oder zur St. Patrick School.
Trainingscamp im April
Das Training im April-Camp erfolgt bahnorientiert. Es nehmen etwa 200 Schüler teil. Im Mittelpunkt des Trainingscamps steht die gezielte Vorbereitung auf die Wettkampfsaison (Inhalte siehe Tabelle 1), die national von Juni bis Juli, international bis August verläuft. Grundlage für die Belastungen im vierwöchigen Camp bildet das zuvor absolvierte viermonatige Training.
Nach dem Trainingscamp im April wird das Training an den eigenen Schulen fortgesetzt. Der Monat Mai dient der Vorbereitung auf die ersten nationalen Wettkämpfe.
Mit dem Angebot einer Betreuung in der Internatsschule und während der beiden Trainingscamps ergibt sich ein Entwicklungspotential in zwei Richtungen:
Schüler, die dauerhaft die Internatsschule besuchen und über einen hohen Bildungsstand verfügen müssen, um dort aufgenommen zu werden. Das leichtathletische Talent spielt zunächst nur eine untergeordnete Rolle. Die Schüler wohnen im Internat und befinden sich dauerhaft im Schul- und Trainingsprozess.
Schüler bzw. junge Sportler, die nur an den Ferien-Trainingscamps teilnehmen und anschließend an ihre Schulen zurückkehren. Entsprechend unterschiedlich verlaufen diese beiden, für Kenia repräsentativen Entwicklungsmöglichkeiten des Leichtathletiknachwuchses. Strukturell, organisatorisch und inhaltlich stellen sich die beiden Bereiche wie folgt dar:
Internatsschüler
Der Tag beginnt für die Internatsschüler um 6.00 Uhr morgens mit einem 30-minütigen Lauf, der als leichtes Dauerlauftraining zu verstehen ist und eher eine psychologische als physische Zielstellung hat. Eine Stunde vor Sonnenaufgang, also im Dunkeln und bei niedrigen Temperaturen in 2400 Meter Höhe, dient diese Einheit der Entwicklung des Teamgeistes und der Willensbildung und soll helfen, das Bewusstsein, etwas besonderes zu tun, aufzubauen. Nach dem Lauf wird (kalt) geduscht und gefrühstückt, bevor der Unterricht um acht Uhr beginnt.
Er endet um 15.30 Uhr, dazwischen gibt es eine Stunde Mittagspause. Von 16 bis 17.00 Uhr wird ein Teil der Hausaufgaben erledigt. Danach beginnt das Training mit einem 20-minütigem Aufwärmprogramm. Im Anschluss daran wird ein intensiveres Training (etwa 60 Minuten) in Abhängigkeit von der Jahreszeit (Wettkampfsaison mit Bahntraining, Crossvorbereitung mit Training im Gelände) durchgeführt. Zehn Minuten Auslaufen beenden das Training. Um 18.45 Uhr gibt es Abendessen, danach werden bis 21.00 Uhr Hausaufgaben erledigt.
Diese im Rahmen eines genau strukturierten Tagesablaufes existierenden Trainingsmöglichkeiten sind ausschließlich jenen Sportlern vorbehalten, die dem schulischen Ablauf angehören. Alle, die aus den verschiedensten Gründen aus der Schule ausscheiden müssen bzw. gar nicht erst aufgenommen werden (z. B.Mädchen) bleibt diese Möglichkeit der sportlichen Entwicklung vorenthalten.
Um den Kreis der erfassbaren talentierten Schüler zu erweitern und möglichst groß zu halten, erfolgte im Rahmen des Langzeitprojektes in Zusammenarbeit mit dem Erziehungsministerium und den Schulen die Einführung der Ferien-Trainingcamps.
Teilnehmer an den Ferien-Trainingscamps
Die beiden Camps über jeweils vier Wochen, werden mit bis zu 200 Teilnehmern/innen durchgeführt. Die Schüler werden zuvor vorwiegend bei lokalen Schulwettkämpfen ausgewählt.
Für die Selektion und die Durchführung des Camps sind vier Trainer, zwei für den Grundschul- und zwei für den weiterführenden Bereich zuständig. Selektionskriterium ist nicht nur die sportliche Leistung, auch Stilistik, Konstitution, Alter und Einstellung werden beurteilt. Bei der Durchführung der Maßnahmen stehen den Trainern häufig bereits erfolgreiche, ältere Athleten (seniorathletes) hilfreich zur Seite. Sie können den Jüngeren z. B. zu Themen wie Vertragsgestaltung, Finanzen und Agenten wertvolle Ratschläge geben oder von ihren Erfahrungen bei Wettkämpfen berichten.
Das Programm in den Camps beschränkt sich nicht nur auf die Trainingspraxis, den Jugendlichen wird zudem grundlegendes Wissen in den Bereichen Ernährung, Gesundheitspflege, Hygiene, Drogenmissbrauch und Trainingslehre vermittelt.
Die Bedeutung dieser Camps (als Selektionsbasis zukünftiger Topathleten) wird durch Sportartikelfirmen, die als Sponsoren in Erscheinung treten und durch die Präsenz von Leichtathletikagenten bzw. -agenturen unterstützt. Es gibt mittlerweile vier solcher Campsysteme in Kenia. Kenias quantitative und qualitative Nachwuchsentwicklung unterliegt u. a. deshalb schon lange nicht mehr dem Zufall. Die außergewöhnliche Dichte im weiblichen wie männlichen Laufbereich auf internationaler Ebene entspringt einem schier unerschöpflichen Reservoir an Nachwuchs. Dieser Nachwuchs, der sich alles unter einfachsten Bedingungen erkämpfen und erarbeiten muss, verfügt über eine Art „natürliche Überlebenskampfeinstellung“ und wird zusätzlich durch viele Vorbilder animiert und motiviert.
Das Trainingskonzept der St. Patrick’s High School verdeutlicht die systematische, einfache, aber effektive Trainingsarbeit, die als Grundlage der kenianischen Nachwuchsentwicklung zu sehen ist. Dabei sind die Trainingsbedingungen nicht mit dem europäischem Standard zu vergleichen – es wird auf Naturwegen, Gras- oder Aschenbahnen, auf schmalen Pfaden oder auf der Straße bei Durchschnittstemperaturen von 25 Grad und auf einer Höhe von 2400 Metern trainiert.
Zusammenfassung
Viktor Röthlin beurteilt seine Trainingsaufenthalte in Kenia als eine Art „Entwicklungshilfe der Mentalität“, bei der ein Sportler tagtäglich ohne die vielen wissenschaftlichen Begleiterscheinungen des Trainings in Europa arbeitet, zurück zur Natur findet und alle Anforderungen des einfachen Lebens in Kenia annehmen und bewältigen muss. Durch die Trainings- und Lebensumstände wird der „Kopf“, als ein wesentlicher Faktor der sportlichen Leistung, täglich ohne großen Aufwand gefordert und geschult.
„Wunder“ zu tun, vielmehr führen eine Reihe von Faktoren, die der überzivilisierten Sportwelt in Europa und anderswo nach und nachverloren gehen, im System der kenianischen Nachwuchsschulung zumErfolg:
- günstige, genetische Anlagen
- einfache, abhärtende und zielorientierte Lebensweise
- großes soziales Motivationspotential
- außergewöhnliche Leidens- und Ermüdungsfähigkeit
- einfache, wirkungsvolle und durch Erfahrungen geprägte Trainingsformen und -abläufe (Die Leichtathletik wird nicht ständig neu erfunden.)
- Wettkampfsuche, Freude am Wettkampf („Wettkämpfe sind das beste Training.“)
- Konzentration auf das Wesentliche (der Leistung zuträgliches Verhalten)
- ein den Verhältnissen angepasstes, effektives Talentfindungs und -förderungssystem
Lasse Viren, der finnische Doppelolympiasieger über 5000 und 10000 Meter von Montreal 1976, trainierte bereits in Vorbereitung auf diese Olympischen Spiele sechs Monate in Kenia. Bis heute machen es ihmviele internationaleMedaillengewinner nach – diemeisten nicht nur der Höhe wegen, sondern auch in der Erkenntnis der beschriebenen prägenden Sekundäreffekte.
Ein Beitrag von Lothar Hirsch in "leichtathletiktraining" aus dem Philippka Sportverlag
https://philippka.de/front_content.php?idcat=38&r1=