2012 London Olympic Games London, England Aug03-12 2012 Photo: Giancarlo Colombo@Photo Run Victah1111@aol.com 631-741-1865 www.photorun.NET
Die besten Frauen laufen 21 x 1000 m um 3:10 min/km ohne Pause – Langstreckler sollten ihr Ausdauertraining noch einmal überdenken – Lothar Pöhlitz berichtet
Die Meldung dass Tirunesh Dibaba (ETH) wenige Wochen nach ihrem Olympiasieg über 10000 m in London (in Peking wurde sie ja bekanntlich bereits 2008 über 5000 + 10000 m Olympiasieger) in einem ersten „vorsichtigen" Versuch einen Halbmarathon in 67:35 lief und sich danach perspektivisch zutraute einmal den Weltrekord von 65:50 anzugreifen sollte alle Langstreckler animieren noch einmal über ihr Ausdauertraining nachzudenken.
Mit 67:35 Minuten (5,21 m/s = 21 x 3:12) hat sie eine Ausdauerbasis für die Langstrecken 5000 m und 10000 m präsentiert die auf eine aerobe Schwelle (vL3) schließen lässt die noch oberhalb von 5,2 m/s (< 3:12 min/km) liegt.
Ich habe aus dem Kreis der besten Langstrecken-Frauen einmal neben Dibaba drei weitere ausgewählt um aus deren Leistungsstrukturen Schlussfolgerungen oder auch Konsequenzen für das Ausdauertraining der Bahn-Langstreckler abzuleiten.
Die derzeitige Weltrekordlerin im Halbmarathon Mary Keitany Jepkosgei (KEN), die Marathon-Weltmeisterin Edna Kiplagat (KEN) und die London-Olympiasiegerin im Marathon Tiki Gelana (ETH). Alle sind bereits Halbmarathon um 67:30 Minuten gelaufen. Das bedeutet: 20 km schnell – neben den 15 km – über diese Strecke lief Dibaba bereits 2009 Weltrekord (46:28 Minuten / 3:06 min/km), eine weitere wichtige Basis-Voraussetzung für schnelle Zeiten auf den Langstrecken 5000 m / 10000 m.
Leistungsstruktur ausgewählter Langstrecklerinnen
p.B. m/s % 400 m / 1000 m – Tempo Strecke
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Tirunesh Dibaba ETH
8:29,55 5,89 105,8 67,8 / 2:49 3000 m
14:11,15 5,87 105,5 68,2 / 2:50 5000 m
29:54,66 5,57 100 % 71,8 / 2:59 10000 m
46:28 5,39 96,7 74,3 / 3:05 15 km
67:35 5,21 93,6 76,8 / 3:12 21,1 km
Mary Keitany Jepkosgei KEN
30:45 5,42 100 % 73,8 /3:04 10 km
46:40 5,36 99,0 74,6 / 3:06 15 km
65:50 WR 5,34 98,6 74,9 / 3:08 21,1 km
2:18:37 5,08 93,8 78,8 / 3:17 Marathon
Edna Kiplagat KEN
8:53,06 5,63 106,7 71,0 / 2:58 3000 m
15:57,3 5,23 99,15 76,5 / 3:12 5000 m
31:34 5,28 100 % 75,5 / 3:08 10 km
47:57 5,22 99,0 76,6 / 3:11 15 km
67:41 5,19 98,3 77,0 / 3:12 21,1 km
2:19:50 5,02 95,1 79,5 / 3:18 Marathon
Tiki Gelana ETH
8:55,88 5,58 105,5 71,5 / 2:58 3000 m
15:17,74 5,44 102,9 73,5 / 3:03 5000 m
31:27,80 5,29 100 % 75,5 / 3:08 10000 m
49:10 5,09 96,3 78,6 / 3:15 15 km
67:48 5,17 97,8 77,0 / 3:13 21,1 km
2:18:58 5,06 95,8 79,0 / 3:17 Marathon
* es muß davon ausgegangen werden dass einige Unterdistanzleistungen unter
Höhenbedingungen erzielt wurden. Die bisherigen persönlichen Bestleistungen
müssen nicht die wirkliche Leistungsfähigkeit auf den jeweiligen Strecken darstellen.
Stellt man bei einer solchen Analyse einmal das 10000 m – Ziel in den Mittelpunkt der individuellen aerob-anaeroben Qualität (= 100 %) kann man ablesen dass der Trainings-Leistungsbereich für Langstreckler von 3000 m – 21,1 km Geschwindigkeiten erfordert die in einem „Arbeitsbereich zwischen 8-10 % um die 10 km Leistungsfähigkeit" herum (in den 4 Beispielen also zwischen 93,6 -106,7 % vom 10 km – Renntempo) liegen.
Das bedeutet das vor allem Geschwindigkeiten mindesten bis 5 % über und bis 5 % unterhalb des individuellen 10000 m Renntempos den Langstreckenfortschritt bewirken. Das beinhaltet zugleich dass innerhalb eines sehr anspruchsvollen wettkampfspezifischen Ausdauertrainings den Streckenlängenaufbau und der Pausengestaltung eine außerordentliche Bedeutung im Langstreckentraining zukommen muß. Aus den erzielten Leistungen von Tirunesh Dibaba lassen sich Trainingsgeschwindigkeiten von mindestens 67 Sekunden über 400 m bis 2:49 über 1000 m in 3000 m Programmen für die Bahndisziplinen und bis zu 1000 m – Tempis um 3:12 als Durchschnittsgeschwindigkeit für das 21,1 km – Training ablesen.
Wer aber weiß das ein Prinzip im äthiopischen Langstreckentraining eine Geschwindigkeitsüberhöhung von etwa 10 % im Vergleich zu jeweiligen Wettkampfgeschwindigkeit ist wundert sich sicher nicht dass die äthiopischen Langstrecklerinnen zu letzten 400 m unter 60 Sekunden fähig sind und außerdem noch über ein großes Spurtpotential in wichtigen Wettkämpfen verfügen.
Die Voraussetzungen für ein solches Training werden mit einem anspruchsvollen Unterdistanztraining (Schnelligkeit / Motorik / Schnelligkeitsausdauer) oberhalb 105 % und einem Überdistanztraining zwischen 80 – 95 % vom RT geschaffen.
Langstreckler sollten in allen Bereichen nun schneller trainieren – Mit vorwiegend DL kann man nur kleine Blumensträuße gewinnen
Die wichtigste Konsequenz aus den Leistungsstrukturen und Erfolgen der 4 analysierten Spitzenlangstrecklerinnen sind notwendige Veränderungen in der Geschwindigkeitsgestaltung – unabhängig von der Zielstrecke – sicher für viele, vor allem schneller mit dem Ziel sich im Unterdistanzbereich, auf der Spezialstrecke, als auch im Überdistanzbereich weiterzuent-wickeln.
Abhängig von der individuellen Entwicklung und dem aktuellen Leistungsprofil erfordert ein komplexes Training im Jahrestrainingsaufbau die Einbeziehung von Tempoprogrammen oder Tempodauerläufen im
* 1500 m / 3000 m Tempo
* 5000 m Tempo
* 10000 m Tempo
* 15 / 21,1 km – Tempo
* und „Lange DL" zur Entwicklung des Fettstoffwechsels
Lothar Pöhlitz
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