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26
02
2024

Nelly Chepchirchir - 2023 World Championships Budapest, Hungary August 19-27, 2023 Photo: Victah Sailer@PhotoRun

Die Beine, die Mitte, das Gehirn und die mentale Bereitschaft – Lothar Pöhlitz*

By GRR 0

Lothar Pöhlitz* – Sicher haben unsere Lauftrainer beobachtet das sich im letzten Jahrzehnt im Altersbereich des Nachwuchsleistungstrainings, der 18/20jährigen in der Welt, enorme Leistungsfortschritte und Leistungsverdichtungen vollzogen haben, die auch uns zu Konsequenzen herausfordern müssen.

Wir haben den Anschluß verloren, müssen baldmöglichst, schon in den BASICS-Ausbildungs-Jahren, verkürzen. (Beispiele: 800 m Frauen 1:58,23  Nelly Chepchirchir-  Geb. Jahr 2003 / 3000 m Hi 9:04,07 – Jackline Chepkoech 2003 / – 800 m Männer: 1:44,26 Will Sumner 2003 / 5000 m 12:40,45 – Berthy Aregawi 2001).

Dafür brauchen Mittel- und Langstreckler nicht nur die Füße, Beine, sondern den ganzen Körper und das programmierte Gehirn.

Das Ziel allen Lauftrainings muß darin bestehen schon in der Jugend und in den Jahren des Nachwuchsleistungstrainings, aber auch im Vorfeld von Jahreshöhepunkten mehr Qualität, schnelle Bewegungen und öfter kurze Tempolaufprogramme nahe des Ziel-Renntempos realisieren zu wollen und zu können. Dazu gehört Muskeltraining mit Schnelligkeits- und Ausdauertraining zu verbinden und sie zu lehren in den entscheidenden Momenten schnellere Bewegungen mit optimaler Lauftechnik zu verbinden.

Hat man im Training seine Grenze in der aerob-anaeroben Leistungsfähigkeit erreicht helfen in den Bahndisziplinen auf der Grundlage eines neuen spezielles Kraftniveaus auf einem verbesserten Unterbau, kurze, sehr schnelle anaerobe wsA-Läufe mit langen, aber auch mal kurzen Pausen oder auch schnelles Bergtraining,

Notwendig ist für die KZA oder MZA-Disziplinen den Umfang des dafür notwendigen wsA-Trainings, des wettkampfspezifischen Ausdauer-Trainings (im Bereich von 95-105 % des Renntempos) im Rahmen eines komplexen Trainings systematisch vorbereitet, zu steigern. Das erfolgt in den vorbereitenden Mesozyklen, den MEZ-Basis-Trainingsphasen und durch Trainingswettkämpfe.

Mehr Kraft ermöglicht mehr Geschwindigkeit

Wir müssen „den Kampf um Bestleistungen auf allen Bahnstrecken“ offensiv führen, aber es vor allem wollen. Beobachtungen der Läufe bei den Meisterschaften der verschiedenen Altersklassen zeigen das sich Trainer, Läuferinnen und Läufer auch mit der Balance zwischen Ausdauer – Schnelligkeit, Lauftechnik und Kraft beschäftigen müssen, damit „es leichter schneller vorangeht“. Auffällig war zuletzt das den jungen Läufer/innen vor allem in den letzten 200-300m ihrer Spezialstrecke die „spezielle Ausdauer“ fehlt.

Will Sumner – 2022 New Balance Indoor Grand Prix  – Staten Island, NY, USA February 6, 2022 – Photo: Victah Sailer@PhotoRun – Victah1111@aol.com

Wer aus den Aufgaben eines Mesozyklus nicht besser hervorgeht als zu seinem Beginn, seine Defizite nicht reduzieren konnte, hat Zeit vergeudet oder „sie haben es gemeinsam nicht gekonnt“

Lauf-Erfolge sind letztendlich das Ergebnis von immer besserem Training, auf der entsprechenden Grundlage, „wettkampfnah in Strecke und Geschwindig-keit“ (die Summe um 75% der Zielstreckenlänge bei 95-105% v. RT)

Als Biathlon-Rekord-Weltmeisterin Marte Olsbu Røiseland (NOR) ihr Karriere-Ende bekanntgab, war einer der Gründe das sie nach den vielen Jahren nicht mehr „die nötige Motivation habe, um die Arbeit zu tun, die nötig ist, um jeden Tag die Beste zu sein“.

Wer Weltklasse will muss die Talente dafür möglichst „klein“, d.h. früh „ausgraben“ und langfristig ausbilden.

Großes Glück ist, wenn künftige Medaillengewinner dabei sind. Dafür braucht man eine wirksame Arbeitsstruktur, ein geeignetes Wettkampfangebot und mit ihnen auch mal 2x Training / Tag, vielleicht am Wochenende. Eine solche Zukunft wäre eine gemeinsame zu organisierende Aufgabe der Landesverbände und der Bundestrainer des DLV. Die vorrangigste Aufgabe leistungsorientierter Vereine, Sport-Gymnasien oder Eliteschulen des Sports, ist die Talentauswahl, um mit ihnen dann täglich bestorganisiert, zu üben. Und man braucht – bei der gegenwärtigen „Mangelsituation“ eine Konzentration der Kräfte, Führungspersonal, Scouts, Kids-Coaches, Profi-Spezial-Trainer mit Fachwissen und Geduld.

Spezial-Disziplin-Trainer – hochbegabte Talente und ihre professionelle Ausbildung unter Hochleistungstrainingsbedingungen, die von Teams begleitet werden, sind Voraussetzung für außergewöhnliche Leistungen im früheren Hochleistungsalter

Man könnte sich auch bei Schwimm-Coach Berkhan eine Scheibe abschneiden, der nach 6 Medaillen bei der Schwimm-WM im Februar 2024 die „Nun-Aufgaben“ so beschrieb: „Jetzt folgen unsere Höhentrainingslager, die hohen Belastungen und die hohen Umfänge, also all das, was dann die Leistung im Sommer ausprägt. Der Fokus lag bislang darauf, das Krafttraining zu verbessern, das Kraftniveau und die Intensitä-ten zu erhöhen.“

Frauen gegen Frauen – Männer gegen Männer Mädchen gegen Mädchen und Jungen gegen Jungen

Trainer müssen wissen: 2023 ging es immer wieder um ein Testosteron-Limit für Athletinnen mit intersexuellen Anlagen. Die neueste transportierte Version der Regel verlangt, dass Sportlerinnen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (DSD) ihren Testosteronwert im Blut auf unter 2,5 Nanomol pro Liter senken und diesen Wert zwei Jahre lang unterschreiten müssen, um in der weiblichen Kategorie antreten zu können. Testosteron fördert bekanntlich als Dopingmittel den Muskelaufbau und unterstützt die Leistungsentwicklung.

Als langjähriger Frauen-Coach halte ich die Einschränkung auf den Hormonstatus für zu kurz gegriffen, weil auch die männliche Kraft, die Kampfkraft und die weibliche Mentalität leistungsbeeinflussend sind. Fair, dopingfrei und verhältnismäßig müssen sportliche Wettbewerbe der Frauen in Zukunft ablaufen, d.h. Frauen kämpfen gegen Frauen – Männer gegen Männer und schon früh Mädchen gegen Mädchen und Jungen gegen Jungen.

Lothar Pöhlitz

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*Lothar Pöhlitz – Dipl.- Sportlehrer für Leistungssport/ Sportwissenschaftler / seit 1959 Trainer und Cheftrainer im Leistungs- und Hochleistungssport beim SC Chemie Halle / Verbandstrainer Lauf-Nachwuchs / 1971 – 1979 Leiter des Wissenschaftlichen Zentrums für Lauf-Trainingsmethodik des DVfL der DDR / 1979-1985 Sprinttrainer beim TSV Bayer 04 Leverkusen / 18 Jahre DLV-Bundestrainer von 1980 – 1998 Mittelstrecke, Langstrecke, Marathon / zuletzt Teamleiter Marathon/Straßenlauf / 3x Olympia-Trainer für Deutschland / Langjähriger Dozent an der Trainerakademie und DLV-Trainerschule / 2006-2020 Leichtathletik Coaching Academy / 4 Lauf-Fachbücher

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