2011 IAAF World Outdoor Championships Daegu, South Korea August 27-September 5, 2011 Photo: Victah Sailer@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-741-1865 www.photorun.NET
Die 800 m und ihre Sonderstellung innerhalb der Laufdisziplinen – Lothar Pöhlitz
© Lothar Pöhlitz – 30. Januar 2017 – Das Training von 800 m Spezialisten muss sich in erster Linie an den im Wettkampf benötigten Fähigkeiten orientieren, an der Leistungsstruktur der Strecke, den glykolytisch-anaeroben Anforderungen bis zu 24 mmol/l Laktat, an der Lauftechnik, den speziellen Kraftfähigkeiten und den taktischen Fertigkeiten im Kampf um den Sieg.
Damit wird der bekannte trainingsmethodische Leitsatz das die Trainingsstruktur immer der Wettkampf-struktur entsprechen muss deutlich unterstrichen.
„Eine internationale Konkurrenzfähigkeit im 800 m Lauf und Siege gegen die Besten verlangen Läufer bzw. Läuferinnen, „Spezialisten“, die vor allem über hohe Schnelligkeits- / Schnellkraft- und Schnelligkeitsausdauerfähigkeiten verfügen. Am besten wäre eine 400 m – Unterdistanzleistungsfähigkeit um 52 / 45 Sekunden bei der aktuellen Verdichtung der Leistungen im Bereich um 1:43 Minuten bei den Männern und 1:57 Minuten bei den Frauen und der in jüngster Vergangenheit zu beobachtenden Verjüngung im Weltniveau.
Ein hoher Anteil ererbter schnell – kontrahierender FT- II- Muskelfasern – der bei den Sprintern / 400 m zu finden ist, ihre „Pflege“ sowie eine daraus zu erarbeitende sehr gute Unterdistanzleistungsfähigkeit sind auch für 800 m Spitzenergebnisse Voraussetzung. Mittelstreckler, die nicht über solch hohe Schnelligkeitsvoraussetzungen verfügen, sollten sich deshalb frühzeitig für die 1500 m oder besser gleich für die 5000 m entscheiden“ (Lothar Pöhlitz LCA 18.3.2014)
800 m gehört zur Gruppe der Kurzzeit-Ausdauerdisziplinen 400 / 800 m. Für 800 m Spitzenleistungen bedarf es Sprint- / Schnellkraft-Typen deren ererbte Stärken im Mittelpunkt eines schwerpunktmäßig schnellen anaeroben Trainings systematisch auszubauen sind. Das wird am besten durch zweidrittel relativ schnelle anaerobe Trainingsläufe zwischen 300 – 600 m Länge, einem 400 m ausgerichteten Schnelligkeitsausdauertraining zwischen 60-250 m, darauf vorbereitendes Schnellkrafttraining und einem Drittel aerob-anaeroben V02max-Training erreicht. Für die jeweiligen Ausbildungsetappen sind Mesozyklen von bis zu 6 Wochen notwendig.
Das Niveau der anaeroben Kapazität bestimmt das Wettkampfergebnis mit
Für die Qualität des im Vergleich zu den anderen Laufstrecken hohen Anteils anaeroben Trainings sind die vorgenannten wissenschaftlichen Erkenntnisse von außerordentlicher Bedeutung. Je später die Laktatakkumulation (Niveau der Laktat-toleranz) einsetzt, je größer der Anteil der FT-Muskelfasern ist und je besser die Möglichkeiten der Laktatbildungsfähigkeit (Laktatmobilisation) sind, umso länger kann eine grenzwertige Geschwindigkeit unter hohen Laktatwerten aufrechterhalten werden.
„Die Möglichkeit zur Mobilisation von Laktatwerten oberhalb 20 mmol/l wird von der Qualität des anaeroben Trainings und vom Stoffwechselzustand der schnellen FT – Muskelfasern bestimmt“ (Neumann u.a. 2010).
Um die anaerobe Leistungsfähigkeit zu maximieren braucht man Training das letztendlich die Kapazität des anaerob-glykolytischen Energiesystems erhöht.
800m = (400 m + 5-6 Sekunden) x 2
Alle Trainingsarbeit ist also darauf auszurichten, in Vorwettkampfabschnitten optimale Programme im Bereichen Renntempo (100 %), 5-15 % über dem Renntempo (400 m – Geschwindigkeit) und 5-10 % unter dem Renntempo (1500 m – Geschwindigkeit) konsequent schnell, aber entspannt absolvieren zu können. Das setzt eine längerfristige systematische Vorbereitung dieser Aufgaben und eine möglichst gut ausgebildete Lauftechnik voraus.
„Da die Laktatbildung hauptsächlich in den FT-Fasern stattfindet haben Sportler mit einem höheren Anteil an FT-Fasern eine stärkere Laktatbildungsfähigkeit. Leistungssportler mit über 40 % FT-Fasern weisen eine deutlich höhere Laktatbildungsfähigkeit auf als Sportler mit nur 20 – 30 % FT-Fasern bzw. 70 – 80 % ST-Fasern“ (Gollnick u.a. 1973, Costill u.a. 1976)
Schnelligkeits- / schnellkraftveranlagte 800 m Talente – nur sie können den internationalen Spitzenbereich erreichen – müssen entsprechend ihrer Muskelstruktur (FT-Fasern), schon früh so trainiert werden, dass diese Muskelstruktur erhalten bleibt, bzw. in der Arbeitsfähigkeit ihres anaeroben Anteils der Energie-versorgung durch ausreichendes Schnelligkeits- / Schnellkraft- / und anaerobes V02max-Training systematisch weiterentwickelt werden.
Die Entwicklung der V02max ist eine wichtige Voraussetzung
Grundlage für ein effektives 800 m – wsA – Training ist das Niveau der maximalen Sauerstoffaufnahme, das in Phasen der aerob-anaeroben Konditionierung vorbereitend zu entwickeln ist.
Um die VO2max auszubilden muss das Training über 5 – 6 Wochen schnell, relativ lang und „hart“ sein. Am besten es wird vom individuellen 5 – / 3 – km – Tempo) oder in 90-95 % der maximalen Herzfrequenz) abgeleitet! Es muss auf einen möglichst hohen Sauerstoffbedarf zielen und wenn man an dieser Grenze ist, sollte man versuchen, noch ein Stück weiterzulaufen. Training zur Entwicklung der V02max ist kein „Spaß-training“ weil die Tempoläufe oberhalb der aeroben Schwellengeschwindigkeit so lang wie möglich realisiert werden müssen. In einer TE pro Woche orientiert sich die Summe an 4 – 6 km, nachdem es in den Anforderungen individuell systematisch aufgebaut wurde kann es als Fahrtspiel oder als Bahntraining beispielsweise folgende Entwicklung verfolgen:
- 5 – 7 x 2´- 3´ (oder 800 m) mit gleichlanger „Laufpause“ im vL2-3-Tempo
- 5 – 6 x 4´ (oder 1200 m) mit 4´ „Laufpause“ im Schwellentempo
- 4 – 5 x 5´ (oder 1600 m) mit 5´ Laufpause
- 6´ + 5´ + 4´ + 3´ + 2´ mit gleichlangen Laufpausen
- 100-200-300-400-500-400-300-200-100m (90-100% RT 800 n) P: 60“ – 90“ "
* auch wochenweise im Wechsel mit einem 20´ bzw. 6 km – TDL
Was 70-80 % anaerobes Training für das 800 m Training bedeuten
800 m Spezialisten müssen darauf vorbereitet werden das in schnellen Rennen akkumulierende Laktat um 22-24 mmol/l möglichst bis in die Endphasen der Rennen zu tolerieren und die notwendige Mobilisationsfähigkeit des Laktats in den ersten 200 m zu aktivieren. Die dafür erforderliche Energie durch Sauerstoff in der Arbeitsmuskulatur wird also durch ein anaerob-intensives Training zwischen 1-3 Minuten Dauer erarbeitet. Die wiederum werden durch wiederholte aerob-anaerobe Läufe über 3-7 Minuten Dauer vorbereitend entwickelt, die die V02max verbessern. Praxiserfahrung ist – auch aus der Sicht der Abwechslung – dass im wöchentlichen Wechsel auch 4-7 Minuten Abschnitte in Fahrtspielen „hart“ im Umfang zwischen 18´ – 24´/ TE auf die Schwellenentwicklung, die aerobe Kapazität und die Laufökonomie positiv wirken.
Den Ausbildungsfortschritt ihrer maximalen Sauerstoffaufnahme kann man gut mit Testläufen über 10-12 Minuten (auch auf einer Standardrunde im Wald) verfolgen. Das bedeutet zugleich das bereits in frühen Trainingszyklen die Intensität für das jeweilige Ausbildungsziel, zur Stärkung der Energiesysteme, den Trainingsumfang bestimmt.
Clyde Hart (ein erfolgreicher US – Trainer) empfiehlt für die KZA-Disziplinen 400 / 800 m eine möglichst optimale Mischung von Geschwindigkeit und Ausdauer. Für die 400 m eine Geschwindigkeitsentwicklung mit z.B. 10 x 100 m, 6 x 150 m und 5 x 200 m. Für die Ausdauer 15 bis 30 Minuten kontinuierlich oder in variabler Geschwindigkeit (TW) wechselweise mit 6 x 800 m im Gelände mit 3 Minuten Pause zwischen den Wiederholungen.
„Die Möglichkeit zur Mobilisation von Laktatwerten oberhalb 20 mmol/l wird von der Qualität des anaeroben Trainings und vom Stoffwechselzustand der schnellen FT – Muskelfasern bestimmt“ (Neumann u.a. 2010).
Alle Muskeln die man braucht müssen stark und schnell arbeiten (siehe auch Lothar Pöhlitz in LCA vom 06. Oktober 2014)
Wettkampfspezifisches Ausdauertraining (SA / wsA 95 – 110 %) – Beispiele
Das anaerobe wettkampfspezifische Ausdauer-Training (wsA) und die Unterdistanz-leistungsfähigkeit zwischen 95 – 120 % v. Leistungsziel führen letztendlich zu Top – 800 m – Ergebnissen von Spezialisten (Schnelligkeits-Typ). Längerfristig komplexes Training über viele Wochen des Jahres bereitet auf diese entscheidenden Trainings-phasen vor. Persönliche Trainingsbestleistungen in den Bereichen nahe dem Renntempo machen auch mental stark.
- 1 x 700-600 m + 1 x 400-300 m • 1 x 150 m
- 3-4 x (400 m + 200 m)
- 500 + 400 + 300 + 100 m
- 6 x (150 m + 50 m)
- 2-3 x (250 +150 m) – 95-100% mit 30“-45“ Pause + 15-20´ Serienpause
Bedenke: die Trainingsgeschwindigkeiten können aktuell nur soweit erhöht werden wie es die zuvor gelegte Basis zulässt. Auch die Erholungsfähigkeit zwischen den Tagen oder innerhalb der Programme wird nicht nur vom Trainingsumfang der letzten Wochen, sondern auch von der vorherigen schon nahen Intensität, den aktuell unterstützenden Regenerationsmaßnahmen und der Ernährung bestimmt. Je höher die Intensität, umso umfassender die Erholungsmaßnahmen, einschließlich der Nachbelastungs-Ernährung (Schwerpunkte: KH / Eiweiß / Eisen).
„Über 800 m ist auch die Psyche entscheidend, weil jeder im Finale irgendwann „sauer“ und platt sein wird und die psychische Stärke entscheidet, wer noch im „roten Bereich“ schnell laufen kann. Das ist die wichtigste Voraussetzung, die einen Sieger ausmacht.“ (Nils Schumann – Olympiasieger 2000 über 800 m in LEICHTATHLETIK -magazin 28 / 2005, S. 41 )
800 m / 400 m – Schema – Wochen- Beispiel
„Die Resistenz gegenüber Ermüdungsfaktoren kann sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht durch Training beeinflusst werden. Psychisch kommt es durch Training zu einer Zunahme der volitiven Eigenschaften (z.B. Willensstärke, Selbstüberwindung), physisch spielt auf zellulärer Ebene vor allem die anaerobe Stoffwechselkapazität eine Rolle: durch die Bildung sogenannter Iso – Enzyme erhöht sich die Fähigkeit der anaeroben Enzyme, auch im hochgradig übersäuerten Muskel noch Arbeit leisten zu können.“ (WEINECK –Sportbiologie 1986 S.172)
Fotos: Chai, Schneider, Rigal
Lothar Pöhlitz
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