
2015 World Outdoor Championships Beijing, China August 22-30, 2015 Photo: Victah Sailer@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-291-3409 www.photorun.NET
Die 10 verrücktesten Marathonläufe – Auf dem Everest, in Nordkorea oder gegen ein Pferd – Von Jürg Wirz
Jeder kennt die grössten Marathonveranstaltungen in New York, London oder Berlin. Kennen Sie aber auch die verrücktesten? Wir haben eine Liste der Top-Ten zusammengestellt.
1. Mann gegen Pferd – Wo: Llanwrtyd Wells (Wales/GB) – Wann: im Juni
In einem Pub in Llanwrtyd Wells, mit weniger als tausend Einwohnern die kleinste Stadt in Grossbritannien, sassen zwei Männer beim Bier und diskutierten, ob wohl ein Mensch oder ein Pferd in einem Marathon in hügeligem Gelände schneller sei. Der Gastwirt hörte das Gespräch, griff die Idee auf und organisierte 1980 den ersten „The Man vs Horse Marathon".
Bis 2003 gewann immer eines der Pferde (mit Reiter) die bescheidenen 1000 Guinees (rund 210 Euro), doch bei der 25. Austragung triumphierte erstmals ein Läufer: Huw Lobb gewann den rund 35 Kilometer langen Marathon in 2:05 Stunden und war fast zwei Minuten vor dem ersten Pferd. Er nahm ein Preisgeld von 25 000 Pfund (34 000 Euro) nach Hause, denn jedes Jahr, wenn kein Läufer gewinnt, kommen 500 Pfund in einen Jackpot.
Inzwischen hat nochmals ein Läufer als Erster das Ziel erreicht, so dass sich im Moment 1500 Pfund auf einen schnellen Läufer warten. (www.man-v-horse.org.uk)
2. Everest Marathon – Wo: Gorak Shep – Wann: im November
Jeder Marathon ist beschwerlich, aber bei diesem hier ist es schon eine grosse körperliche Herausforderung, um nur einmal an den Start zu kommen. Der Everest-Marathon ist der höchste Marathon der Welt. Er beginnt beim Basiscamp Gorak Shep auf 5184 Meter über Meer. Das Ziel befindet sich im Sherpa-Dorf Namche Bazaar auf 3446 m. Die Strecke: 42 Kilometer über enge Bergwege.
Seit 1987 wird dieser Marathon, den die Organisatoren den „spektakulärsten der Welt" nennen, alle zwei Jahre im November durchgeführt. Um sich an die Höhe zu gewöhnen, wird ein 26-tägiger Aufenthalt in Nepal angeboten. Dabei ist ein Ausflug nach Kathmandu ebenso eingeschlossen wie ein 15-tägiger Trek zum Startort – mit ärztlicher Begleitung. Obwohl die Strecke mehrheitlich abwärts geht, sind zwei steile Aufstiege zu überwinden. I
m oberen Teil begegnen die Teilnehmer auch Schnee und Eis. Nur für sehr erfahrene Bergläufer. (www.everestmarathon.org.uk)
3. Le Marathon du Médoc – Wo: Pauillac, in der Nähe von Bordeaux – Wann: im September
Wer es leid ist, sich in einem Marathon nur mit Wasser oder einem der gängigen Sportgetränke oder einem Energieriegel zu verpflegen und nach einer Abwechslung sucht, dem sei der Médoc-Marathon wärmstens empfohlen. Bei diesem sehr französischen Event in der Weingegend von Bordeaux kann man entlang der Strecke an 23 Verpflegungsstellen Weine degustieren und dazu typische französische Spezialitäten wie Foie gras (Gänsestopfleber), Austern, Käse oder Eiscreme „geniessen".
Das Ziel bleibt sechseinhalb Stunden offen, so dass auch jene, die etwas mehr Zeit beim Auftanken verbringen, noch vor Kontrollschluss eintreffen können. Es sind jeweils etwa 10 000 Läuferinnen und Läufer am Start, zum Teil in originellen Verkleidungen. Laut Veranstalter ist der Andrang so gross, dass zuletzt sogar 40 000 Anmeldungen zurückgewiesen werden mussten.
Keine Frage: Kein Marathon für Läufer, die auf eine Bestzeit aus sind. (www.marathondumedoc.com)
4. Nordkorea-Marathon – Wo: Pjöngjang – Wann: im April
Die Demokratische Volksrepublik Korea gilt als das weltweit restriktivste politische System der Gegenwart. Personenkult, Clanherrschaft, katastrophale Lebensbedigungen und totale Isolation sind nur ein paar Stichworte, welche die Diktatur im nördlichen Teil der koreanischen Halbinsel beschreiben.
Aber selbst in diesem abgeschotteten Land gibt es einen Marathon. Seit 1981 findet in Pjöngjang ein Marathon für Männer statt, seit 1984 sind auch Frauen zugelassen, seit 2000 auch internationale Spitzenläufer. Erst zum zweiten Mal durften in diesem Jahr ausländische Hobbyläufer teilnehmen.
Start und Ziel ist das Kim Il Sung-Stadion. Wenn geheime, diktatorische Regierungssysteme Ihre Sache sind, das sollten Sie den Nordkorea-Marathon ins Auge fassen. Aber aufgepasst: Als Alleinreisender werden Sie es nicht schaffen.
Die von Engländern geführte Reiseagentur Koryo Tours in Peking kann Ihnen weiterhelfen. (www.koryogroup.com)
5. Pack Burro Race – Wo: Fairplay/Colorado (USA) – Wann: im Juli
Damit man versteht, was es mit diesem Marathon auf sich hat, muss man zuerst den Begriff „Burro" klären. Burro ist Spanisch und bedeutet Esel. Damit sind allerdings nicht die Läufer gemeint – das wäre ja noch schöner! Aber tatsächlich muss der Läufer die ganze Strecke mit einem Esel zurücklegen.
Nicht auf des Esels Rücken, sondern neben dem Grautier, das an einem Strick, der nicht länger als 4,5 Meter lang sein darf, geführt wird. Doch das ist noch nicht alles: Der Esel muss mit einem Sattel und Goldgräber-Utensilien bepackt sein, das heisst mit einem Pickel, einer Schaufel und einer Pfanne – alles zusammen soll mindestens 15 Kilogramm wiegen. Verpflegungsposten gibt es nicht.
Die Läufer tragen für sich (und den Vierbeiner?) Wasser, etwas Essbares und einen Regenschutz mit. Sie können zwischen zwei Streckenlängen wählen: die kürzere führt über 24 Kilometer, die längere über etwa 47.
In beiden Fällen gilt es, einen Pass zu überqueren. (www.burrodays.com)
6. Big Five Marathon – Wo: Limpopo-Provinz (RSA) – Wann: im Juni
Das Wort "verrückt" trifft auf diesen Marathon eigentlich überhaupt nicht zu, viel eher abenteuerlich, traumhaft oder exotisch. Der Big Five-Marathon findet in einem der grossartigsten Tierreservaten der Welt in der südafrikanischen Limpopo-Provinz statt, genauer im Reservat Entabeni zwischen Johannesburg und dem Krüger-Nationalpark.
Sie laufen inmitten der „grossen Fünf", Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard. Aber keine Angst: Die Marathonstrecke wird von bewaffneten Wildhütern am Boden und aus der Luft überwacht, so dass für die Teilnehmer keinerlei Gefahr besteht. Trotzdem kann es vorkommen, dass Sie plötzlich irgendwo eines der wilden Tiere erspähen – und dann einen Zahn zulegen.
Aber eine neue Bestzeit wird es trotzdem kaum geben: In der offenen Steppenlandschaft kann die Sonne auch in dieser Jahreszeit brutal sein.
Die grossartige Landschaft entschädigt dafür mehrfach. (www.marathon@albatros-adventure.com)
7. Midnight Sun Marathon – Wo: Tromsö (Norwegen) – Wann: im Juni
Im schweizerischen Biel fällt der Startschuss zum 100-Kilometer-Lauf jeweils um 22 Uhr. Auch Norwegen hat einen Nachtlauf. Der Marathon in Tromsö wird um 20.30 Uhr gestartet. Der grosse Unterschied: In Tromsö, rund 300 Kilometer nördlich des Polarkreises, ist es auch nachts taghell.
Während neun Wochen vom Mai bis Juli geht die Sonne nie unter. Der „Mitternachtssonnen-Marathon" hat sich in den 26 Jahren seines Bestehens zu einem echten Geheimtip unter Läufern entwickelt, die den Marathon mit einem besonderen Erlebnis verbinden wollen. Mit der Brücke von Tromsö und der atemraubenden Sicht auf die schneebedeckten Berge und entlang der Fjorde ist dieser Marathon auch landschaftlich ein Knüller.
Die Strecke wird als „relativ flach" beschrieben. Im letzten Juni waren insgesamt 4000 Teilnehmer aus 56 Ländern am Start, davon 858 im Marathon.
Die Stimmung soll auch nach Mitternacht „fantastisch" sein. (www.msm.no)
8. Walt Disney World Marathon – Wo: Orlando (Florida/USA) – Wann: im Januar
Wollen Sie Ihren Urlaub an einem Ort verbringen, wo die Kinder auf ihre Rechnung kommen – und Sie gleichzeitig einen Marathon laufen können? Dann ist der Walt Disney World-Marathon genau das Richtige für Sie. Er findet jedes Jahr im Januar im weltweit grössten Disney-Park in der Nähe von Orlando im Südosten der Vereinigten Staaten statt.
Sie laufen vorbei an den verschiedenen Themenparks, darunter „The Magic Kingdom" und „Disney's Animal Kingdom", dazu an Disney's Hollywood-Studios – und erinnern sich an Ihre Jugendjahre, auch wenn diese schon Jahrzehnte zurückliegen. Und wenn Ihnen das nicht genügt, werden Sie am Streckenrand von Micky, Minnie, Goofy und Konsorten angefeuert.
Ja, und damit Sie diesen ganz besonderen Marathon in einer „magischen Umgebung" auch zu Hause nie vergessen, erhalten Sie im Ziel eine ganz spezielle Medaille mit dem Abbild von Micky Maus.
Die Temperatur beträgt im Januar um die 10 Grad, ideal für einen Marathon. (www.rundisney.com)
9. Great Wall Marathon – Wo: China – Wann: im Mai
Die Mauer ist im Marathon so bekannt wie gefürchtet. Sie kommt meist irgendwann zwischen Kilometer 32 und 38. Beim Great Wall Marathon, dem Lauf über die Chinesische Mauer, lässt sich dieses Phänomen im doppelten Sinn erleben. Der jährliche Event in der Tianjin-Provinz östlich von Peking ist bedeutend härter als ein herkömmlicher Marathon.
Ein Grossteil der Strecke führt durchs Tal und durch malerische Dörfer, doch dann kommt ein 6-Kilometer-Abschnitt auf der Mauer, der es in sich hat. Hier müssen Sie 5164 Treppenstufen überwinden und auch mehrere kurze, aber sehr steile Auf- und Abstiege. Kein Wunder, ist in der 17-jährigen Geschichte dieses Marathons noch kein Läufer unter drei Stunden geblieben (Streckenrekord: 3:09:18 h).
Falls Sie das zu sehr abschreckt: Es gibt auch einen Halbmarathon und einen „Fun Run" über 8,5 Kilometer.Trotzdem nimmt die Zahl der Teilnehmer jedes Jahr zu. (www.marathon@albatros-adventure.com)
10. Nordpol-Marathon – Wo: Nordpol-Camp – Wann: im April
Der Nordpol-Marathon darf für sich in Anspruch nehmen, der „coolste" Marathon der Welt zu sein. 42 Kilometer über Eisschollen und hart gefrorenen Schnee bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt sind nicht jedermanns Sache.
Im letzten Jahr waren nur gerade 47 Menschen bereit, sich in dieses Abenteuer zu stürzen.
Auf der Webseite liest sich unter anderem: „Können Sie mit der extremen Kälte umgehen? Sind Sie fit genug? Möchten Sie in Ihren persönlichen Grenzbereich vordringen? Wenn Sie diese Fragen mit Ja beantworten, dann sind Sie bereit für den aussergewöhnlichsten Marathon, den unser Planet zu bieten hat." Gelaufen wird auf dem gefrorenen Wasser des Nordpolarmeeres.
Die Sache ist aber nicht gerade billig: 11 900 Euro für den Flug von Svalbard in Norwegen zum Nordpol-Camp, für die Unterkunft, für Hubschrauberflüge, die Marathon-Teilnahme und die üblichen Souvenirs wie T-Shirt, Medaille und Urkunde. (www.npmarathon.com)
Jürg Wirz in LAUFZEIT&CONDITION in September 2015
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